Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

gen auf der Laute ein wenig zu praeludiren, da diesel-
be das Fenster hurtig eröffnete und sich in ihrem
Nacht Habite persönlich praesentirte. Der erhitz-
te Wechselbalg der Liebe, Ferdinand, gab mir der-
gleichen vortrefflichen Aspect, als ein glückliches
Omen, seines hoffentlichen Vergnügens, mit einem
höchst empfindlichen Rippen-Stosse zur fernern
Uberlegung. Da aber ich solchergestalt, um fri-
schen Othem zu schöpfen, etwas innen halten mußte,
vermeinete er, es sey nunmehro Zeit den Text an-
zufangen, erhub also seine Hoch-Adeliche Stimme, auf
eine dergestalt affectueuse Art, daß es kein Wun-
der gewesen, wenn sich die gantze Esels-Zunfft, Eu-
ropäischer Nation gratuliret hätte, ihn als einen
Virtuosen in ihre Capelle auf- und anzunehmen.
Jch konte seinen Ton auf keinerley Weise finden,
und weil er so wohl den Text als die Melodey ver-
gessen oder versoffen hatte, fingen wir die zwey ersten
Zeilen der Arie wohl 6. mahl da Capo an, bis uns
endlich Charlottens überlautes Gelächter, eine Pau-
se
von etlichen Tacten auferlegte. Allein hiermit
entfiel dem sterblich verliebten Ferdinando, zusamt
der Stimme, auf einmahl alle Courage, wolte
aber ich nicht in der Schande stecken bleiben, so muß-
te, nach einem abermahligen kurtzen Praeludio, die
gantze Arie s[elb]sten absingen, worauf Charlotte
zum Zeichen ihres Vergnügens in die Hände klatsch-
te, und in Frantzösischer Sprache, welche Ferdinand
nicht verstund, folgende Worte sprach: Cela m'a
donne a ce soir un double contentement. Dor-
mez bien,
auf teutsch: Jch bin diesen Abend auf
gedoppelte Art ergötzt worden, ruhet wohl!

Er

gen auf der Laute ein wenig zu præludiren, da dieſel-
be das Fenſter hurtig eroͤffnete und ſich in ihrem
Nacht Habite perſoͤnlich præſentirte. Der erhitz-
te Wechſelbalg der Liebe, Ferdinand, gab mir der-
gleichen vortrefflichen Aſpect, als ein gluͤckliches
Omen, ſeines hoffentlichen Vergnuͤgens, mit einem
hoͤchſt empfindlichen Rippen-Stoſſe zur fernern
Uberlegung. Da aber ich ſolchergeſtalt, um fri-
ſchen Othem zu ſchoͤpfen, etwas innen halten mußte,
vermeinete er, es ſey nunmehro Zeit den Text an-
zufangen, erhub alſo ſeine Hoch-Adeliche Stim̃e, auf
eine dergeſtalt affectueuſe Art, daß es kein Wun-
der geweſen, wenn ſich die gantze Eſels-Zunfft, Eu-
ropaͤiſcher Nation gratuliret haͤtte, ihn als einen
Virtuoſen in ihre Capelle auf- und anzunehmen.
Jch konte ſeinen Ton auf keinerley Weiſe finden,
und weil er ſo wohl den Text als die Melodey ver-
geſſen oder verſoffen hatte, fingen wir die zwey erſten
Zeilen der Arie wohl 6. mahl da Capo an, bis uns
endlich Charlottens uͤberlautes Gelaͤchter, eine Pau-
ſe
von etlichen Tacten auferlegte. Allein hiermit
entfiel dem ſterblich verliebten Ferdinando, zuſamt
der Stimme, auf einmahl alle Courage, wolte
aber ich nicht in der Schande ſtecken bleiben, ſo muß-
te, nach einem abermahligen kurtzen Præludio, die
gantze Arie ſ[elb]ſten abſingen, worauf Charlotte
zum Zeichen ihres Vergnuͤgens in die Haͤnde klatſch-
te, und in Frantzoͤſiſcher Sprache, welche Ferdinand
nicht verſtund, folgende Worte ſprach: Cela m’a
donné a ce ſoir un double contentement. Dor-
mez bien,
auf teutſch: Jch bin dieſen Abend auf
gedoppelte Art ergoͤtzt worden, ruhet wohl!

Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0120" n="106"/>
gen auf der Laute ein wenig zu <hi rendition="#aq">præludi</hi>ren, da die&#x017F;el-<lb/>
be das Fen&#x017F;ter hurtig ero&#x0364;ffnete und &#x017F;ich in ihrem<lb/>
Nacht <hi rendition="#aq">Habite</hi> per&#x017F;o&#x0364;nlich <hi rendition="#aq">præ&#x017F;enti</hi>rte. Der erhitz-<lb/>
te Wech&#x017F;elbalg der Liebe, <hi rendition="#aq">Ferdinand,</hi> gab mir der-<lb/>
gleichen vortrefflichen <hi rendition="#aq">A&#x017F;pect,</hi> als ein glu&#x0364;ckliches<lb/><hi rendition="#aq">Omen,</hi> &#x017F;eines hoffentlichen Vergnu&#x0364;gens, mit einem<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;t empfindlichen Rippen-Sto&#x017F;&#x017F;e zur fernern<lb/>
Uberlegung. Da aber ich &#x017F;olcherge&#x017F;talt, um fri-<lb/>
&#x017F;chen Othem zu &#x017F;cho&#x0364;pfen, etwas innen halten mußte,<lb/>
vermeinete er, es &#x017F;ey nunmehro Zeit den Text an-<lb/>
zufangen, erhub al&#x017F;o &#x017F;eine Hoch-Adeliche Stim&#x0303;e, auf<lb/>
eine derge&#x017F;talt <hi rendition="#aq">affectueu&#x017F;e</hi> Art, daß es kein Wun-<lb/>
der gewe&#x017F;en, wenn &#x017F;ich die gantze E&#x017F;els-Zunfft, Eu-<lb/>
ropa&#x0364;i&#x017F;cher <hi rendition="#aq">Nation gratuli</hi>ret ha&#x0364;tte, ihn als einen<lb/><hi rendition="#aq">Virtuo&#x017F;en</hi> in ihre <hi rendition="#aq">Capelle</hi> auf- und anzunehmen.<lb/>
Jch konte &#x017F;einen Ton auf keinerley Wei&#x017F;e finden,<lb/>
und weil er &#x017F;o wohl den Text als die Melodey ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en oder ver&#x017F;offen hatte, fingen wir die zwey er&#x017F;ten<lb/>
Zeilen der <hi rendition="#aq">Arie</hi> wohl 6. mahl <hi rendition="#aq">da Capo</hi> an, bis uns<lb/>
endlich <hi rendition="#aq">Charlottens</hi> u&#x0364;berlautes Gela&#x0364;chter, eine <hi rendition="#aq">Pau-<lb/>
&#x017F;e</hi> von etlichen <hi rendition="#aq">Tact</hi>en auferlegte. Allein hiermit<lb/>
entfiel dem &#x017F;terblich verliebten <hi rendition="#aq">Ferdinando,</hi> zu&#x017F;amt<lb/>
der Stimme, auf einmahl alle <hi rendition="#aq">Courage,</hi> wolte<lb/>
aber ich nicht in der Schande &#x017F;tecken bleiben, &#x017F;o muß-<lb/>
te, nach einem abermahligen kurtzen <hi rendition="#aq">Præludio,</hi> die<lb/>
gantze <hi rendition="#aq">Arie</hi> &#x017F;<supplied>elb</supplied>&#x017F;ten ab&#x017F;ingen, worauf <hi rendition="#aq">Charlotte</hi><lb/>
zum Zeichen ihres Vergnu&#x0364;gens in die Ha&#x0364;nde klat&#x017F;ch-<lb/>
te, und in Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Sprache, welche <hi rendition="#aq">Ferdinand</hi><lb/>
nicht ver&#x017F;tund, folgende Worte &#x017F;prach: <hi rendition="#aq">Cela m&#x2019;a<lb/>
donné a ce &#x017F;oir un double contentement. Dor-<lb/>
mez bien,</hi> auf teut&#x017F;ch: <hi rendition="#fr">Jch bin die&#x017F;en Abend auf<lb/>
gedoppelte Art ergo&#x0364;tzt worden, ruhet wohl!</hi></p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0120] gen auf der Laute ein wenig zu præludiren, da dieſel- be das Fenſter hurtig eroͤffnete und ſich in ihrem Nacht Habite perſoͤnlich præſentirte. Der erhitz- te Wechſelbalg der Liebe, Ferdinand, gab mir der- gleichen vortrefflichen Aſpect, als ein gluͤckliches Omen, ſeines hoffentlichen Vergnuͤgens, mit einem hoͤchſt empfindlichen Rippen-Stoſſe zur fernern Uberlegung. Da aber ich ſolchergeſtalt, um fri- ſchen Othem zu ſchoͤpfen, etwas innen halten mußte, vermeinete er, es ſey nunmehro Zeit den Text an- zufangen, erhub alſo ſeine Hoch-Adeliche Stim̃e, auf eine dergeſtalt affectueuſe Art, daß es kein Wun- der geweſen, wenn ſich die gantze Eſels-Zunfft, Eu- ropaͤiſcher Nation gratuliret haͤtte, ihn als einen Virtuoſen in ihre Capelle auf- und anzunehmen. Jch konte ſeinen Ton auf keinerley Weiſe finden, und weil er ſo wohl den Text als die Melodey ver- geſſen oder verſoffen hatte, fingen wir die zwey erſten Zeilen der Arie wohl 6. mahl da Capo an, bis uns endlich Charlottens uͤberlautes Gelaͤchter, eine Pau- ſe von etlichen Tacten auferlegte. Allein hiermit entfiel dem ſterblich verliebten Ferdinando, zuſamt der Stimme, auf einmahl alle Courage, wolte aber ich nicht in der Schande ſtecken bleiben, ſo muß- te, nach einem abermahligen kurtzen Præludio, die gantze Arie ſelbſten abſingen, worauf Charlotte zum Zeichen ihres Vergnuͤgens in die Haͤnde klatſch- te, und in Frantzoͤſiſcher Sprache, welche Ferdinand nicht verſtund, folgende Worte ſprach: Cela m’a donné a ce ſoir un double contentement. Dor- mez bien, auf teutſch: Jch bin dieſen Abend auf gedoppelte Art ergoͤtzt worden, ruhet wohl! Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/120
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/120>, abgerufen am 26.04.2024.