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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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einen mittelmäßigen Hund, der im Sommer alle
4. Wochen auf Löwen-Art glatt geschoren wurde,
dieser war bey ihr in grösserer Achtbarkeit, als ich
und viele andere Leute, weßwegen er auch seinen be-
sondern ledernen gepolsterten Stuhl in der Stube
stehen hatte, und grausam brummete, wenn ich selbi-
gen zur Abends-Zeit nur ein klein wenig zur Ruhe
brauchte, denn NB. sonsten pflegte sich kein anderer
Mensch darauf zu setzen. Also war ich besorgt mein
Müthlein an dieser eigensinnigen Bestie zu kühlen, be-
sonn mich endlich, etliche spitzige Steck-Nadeln von
unten auf durch den Stuhl, doch also zu schlagen, daß
die Spitzen dem Hunde nur ein klein wenig in die
Haut gehen, hingegen keinen Menschen, der nur gute
gefütterte Bein-Kleider an hatte, verletzen konten.
Demnach fing der Hund, so offt er sich durch einen
schnellen Sprung auf den Stuhl warff, iederzeit er-
bärmlich an zu schreyen, wolte auch endlich gar nicht
mehr auf dem Stuhle liegen, dahingegen ich mit de-
sto grössern Plaisir darauf sitzen konte. Meine Muh-
me merckte vielleicht etwas, konte aber erstlich nichts
am Stuhle finden, denn er war hoch ausgestopft,
und man mußte das Polster gar sehr scharff nieder
drücken, wenn die Spitzen, eine Empfindlichkeit ver-
ursachen solten, endlich aber kam es dennoch ans
Licht, und meine artige Invention wurde mit dem
Ochsen-Ziemer dermassen recompensirt, daß ich
mich fast in 14. Tagen nicht recht bewegen konte.
Dieses Verbrechen wurde solchergestalt aber-
mahls allzu hart gestraft, denn Salomo lehret
zwar, daß die Ruthe der Zucht, die im Hertzen ei-
nes Knaben steckende Thorheit, ferne von ihm trei-

ben

einen mittelmaͤßigen Hund, der im Sommer alle
4. Wochen auf Loͤwen-Art glatt geſchoren wurde,
dieſer war bey ihr in groͤſſerer Achtbarkeit, als ich
und viele andere Leute, weßwegen er auch ſeinen be-
ſondern ledernen gepolſterten Stuhl in der Stube
ſtehen hatte, und grauſam brummete, wenn ich ſelbi-
gen zur Abends-Zeit nur ein klein wenig zur Ruhe
brauchte, denn NB. ſonſten pflegte ſich kein anderer
Menſch darauf zu ſetzen. Alſo war ich beſorgt mein
Muͤthlein an dieſer eigenſinnigen Beſtie zu kuͤhlen, be-
ſonn mich endlich, etliche ſpitzige Steck-Nadeln von
unten auf durch den Stuhl, doch alſo zu ſchlagen, daß
die Spitzen dem Hunde nur ein klein wenig in die
Haut gehen, hingegen keinen Menſchen, der nur gute
gefuͤtterte Bein-Kleider an hatte, verletzen konten.
Demnach fing der Hund, ſo offt er ſich durch einen
ſchnellen Sprung auf den Stuhl warff, iederzeit er-
baͤrmlich an zu ſchreyen, wolte auch endlich gar nicht
mehr auf dem Stuhle liegen, dahingegen ich mit de-
ſto groͤſſern Plaiſir darauf ſitzen konte. Meine Muh-
me merckte vielleicht etwas, konte aber erſtlich nichts
am Stuhle finden, denn er war hoch ausgeſtopft,
und man mußte das Polſter gar ſehr ſcharff nieder
druͤcken, wenn die Spitzen, eine Empfindlichkeit ver-
urſachen ſolten, endlich aber kam es dennoch ans
Licht, und meine artige Invention wurde mit dem
Ochſen-Ziemer dermaſſen recompenſirt, daß ich
mich faſt in 14. Tagen nicht recht bewegen konte.
Dieſes Verbrechen wurde ſolchergeſtalt aber-
mahls allzu hart geſtraft, denn Salomo lehret
zwar, daß die Ruthe der Zucht, die im Hertzen ei-
nes Knaben ſteckende Thorheit, ferne von ihm trei-

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[180/0194] einen mittelmaͤßigen Hund, der im Sommer alle 4. Wochen auf Loͤwen-Art glatt geſchoren wurde, dieſer war bey ihr in groͤſſerer Achtbarkeit, als ich und viele andere Leute, weßwegen er auch ſeinen be- ſondern ledernen gepolſterten Stuhl in der Stube ſtehen hatte, und grauſam brummete, wenn ich ſelbi- gen zur Abends-Zeit nur ein klein wenig zur Ruhe brauchte, denn NB. ſonſten pflegte ſich kein anderer Menſch darauf zu ſetzen. Alſo war ich beſorgt mein Muͤthlein an dieſer eigenſinnigen Beſtie zu kuͤhlen, be- ſonn mich endlich, etliche ſpitzige Steck-Nadeln von unten auf durch den Stuhl, doch alſo zu ſchlagen, daß die Spitzen dem Hunde nur ein klein wenig in die Haut gehen, hingegen keinen Menſchen, der nur gute gefuͤtterte Bein-Kleider an hatte, verletzen konten. Demnach fing der Hund, ſo offt er ſich durch einen ſchnellen Sprung auf den Stuhl warff, iederzeit er- baͤrmlich an zu ſchreyen, wolte auch endlich gar nicht mehr auf dem Stuhle liegen, dahingegen ich mit de- ſto groͤſſern Plaiſir darauf ſitzen konte. Meine Muh- me merckte vielleicht etwas, konte aber erſtlich nichts am Stuhle finden, denn er war hoch ausgeſtopft, und man mußte das Polſter gar ſehr ſcharff nieder druͤcken, wenn die Spitzen, eine Empfindlichkeit ver- urſachen ſolten, endlich aber kam es dennoch ans Licht, und meine artige Invention wurde mit dem Ochſen-Ziemer dermaſſen recompenſirt, daß ich mich faſt in 14. Tagen nicht recht bewegen konte. Dieſes Verbrechen wurde ſolchergeſtalt aber- mahls allzu hart geſtraft, denn Salomo lehret zwar, daß die Ruthe der Zucht, die im Hertzen ei- nes Knaben ſteckende Thorheit, ferne von ihm trei- ben

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/194>, abgerufen am 01.05.2024.