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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Eben da dieser Brief bey mir einlieff, war ich
im Begriff, eine Comoedie, von dem philosophi-
schen Harlequin Diogene, und zwar diejenige Pas-
sage
zu lesen, da man ihn berichtete, wie sein Knecht
Manes darvon gelauffen sey. Worauf er zur Ant-
wort gegeben: Kan Manes ohne Diogene, so kan
auch wohl Diognes ohne ihm leben. Derowegen
applicirte ich dieselbe Passage auf mich und meine
ungetreue Liebste, imitirte also diesen klugen Nar-
ren zu meiner ungemeinen Gemüths-Befriedigung.
Weil ich mich aber erinnerte, ihr nebst einer Engli-
schen Uhr, noch andere pretieuse Sachen, die am
Werth mehr als 150. Thlr. betrugen, auf die Treue
gegeben zu haben, so konte doch nicht unterlassen,
einen stachelichen Gratulations-Brief an dieselbe
zu schreiben, und meine Sachen wieder zurück zu
verlangen, mit der Bedrohung, daß ich auf den
Verwegerungs-Fall, andere, ihr vielleicht nicht
sonderlich renommirliche Mesures nehmen würde.
Mein special Freund hatte diesen Brief der Dame
zu eigenen Händen geliefert, und durch mündliches
Zureden so viel ausgewürckt, das sie mir endlich
meine Uhr nebst 100. Thlr. baaren Gelde remittir-
te. Jhren mit allerhand kahlen Entschuldigungen
und läppischen Fratzen angefülleten. Brief, habe
kaum des Lesens gewürdiget, hingegen kam mir das
überschickte desto besser a propos. Denn ich kunte
damit meine Equippage, gegen bevorstehende Cam-
pagne,
nicht allein in desto bessern Stand setzen,
sondern auch in gegenwärtigen Winter-Quartiere,
eine solche Figur machen, daß sonderlich das Frau-
enzimmer besondern Estim vor meine Person zeigte.

Weil

Eben da dieſer Brief bey mir einlieff, war ich
im Begriff, eine Comœdie, von dem philoſophi-
ſchen Harlequin Diogene, und zwar diejenige Paſ-
ſage
zu leſen, da man ihn berichtete, wie ſein Knecht
Manes darvon gelauffen ſey. Worauf er zur Ant-
wort gegeben: Kan Manes ohne Diogene, ſo kan
auch wohl Diognes ohne ihm leben. Derowegen
applicirte ich dieſelbe Paſſage auf mich und meine
ungetreue Liebſte, imitirte alſo dieſen klugen Nar-
ren zu meiner ungemeinen Gemuͤths-Befriedigung.
Weil ich mich aber erinnerte, ihr nebſt einer Engli-
ſchen Uhr, noch andere pretieuſe Sachen, die am
Werth mehr als 150. Thlr. betrugen, auf die Treue
gegeben zu haben, ſo konte doch nicht unterlaſſen,
einen ſtachelichen Gratulations-Brief an dieſelbe
zu ſchreiben, und meine Sachen wieder zuruͤck zu
verlangen, mit der Bedrohung, daß ich auf den
Verwegerungs-Fall, andere, ihr vielleicht nicht
ſonderlich renommirliche Meſures nehmen wuͤrde.
Mein ſpecial Freund hatte dieſen Brief der Dame
zu eigenen Haͤnden geliefert, und durch muͤndliches
Zureden ſo viel ausgewuͤrckt, das ſie mir endlich
meine Uhr nebſt 100. Thlr. baaren Gelde remittir-
te. Jhren mit allerhand kahlen Entſchuldigungen
und laͤppiſchen Fratzen angefuͤlleten. Brief, habe
kaum des Leſens gewuͤrdiget, hingegen kam mir das
uͤberſchickte deſto beſſer à propos. Denn ich kunte
damit meine Equippage, gegen bevorſtehende Cam-
pagne,
nicht allein in deſto beſſern Stand ſetzen,
ſondern auch in gegenwaͤrtigen Winter-Quartiere,
eine ſolche Figur machen, daß ſonderlich das Frau-
enzimmer beſondern Eſtim vor meine Perſon zeigte.

Weil
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[224/0238] Eben da dieſer Brief bey mir einlieff, war ich im Begriff, eine Comœdie, von dem philoſophi- ſchen Harlequin Diogene, und zwar diejenige Paſ- ſage zu leſen, da man ihn berichtete, wie ſein Knecht Manes darvon gelauffen ſey. Worauf er zur Ant- wort gegeben: Kan Manes ohne Diogene, ſo kan auch wohl Diognes ohne ihm leben. Derowegen applicirte ich dieſelbe Paſſage auf mich und meine ungetreue Liebſte, imitirte alſo dieſen klugen Nar- ren zu meiner ungemeinen Gemuͤths-Befriedigung. Weil ich mich aber erinnerte, ihr nebſt einer Engli- ſchen Uhr, noch andere pretieuſe Sachen, die am Werth mehr als 150. Thlr. betrugen, auf die Treue gegeben zu haben, ſo konte doch nicht unterlaſſen, einen ſtachelichen Gratulations-Brief an dieſelbe zu ſchreiben, und meine Sachen wieder zuruͤck zu verlangen, mit der Bedrohung, daß ich auf den Verwegerungs-Fall, andere, ihr vielleicht nicht ſonderlich renommirliche Meſures nehmen wuͤrde. Mein ſpecial Freund hatte dieſen Brief der Dame zu eigenen Haͤnden geliefert, und durch muͤndliches Zureden ſo viel ausgewuͤrckt, das ſie mir endlich meine Uhr nebſt 100. Thlr. baaren Gelde remittir- te. Jhren mit allerhand kahlen Entſchuldigungen und laͤppiſchen Fratzen angefuͤlleten. Brief, habe kaum des Leſens gewuͤrdiget, hingegen kam mir das uͤberſchickte deſto beſſer à propos. Denn ich kunte damit meine Equippage, gegen bevorſtehende Cam- pagne, nicht allein in deſto beſſern Stand ſetzen, ſondern auch in gegenwaͤrtigen Winter-Quartiere, eine ſolche Figur machen, daß ſonderlich das Frau- enzimmer beſondern Eſtim vor meine Perſon zeigte. Weil

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/238>, abgerufen am 04.05.2024.