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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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fangenen Russen, fleißig nach meinen Eltern for-
schen, allein, dadurch erfuhr ich eben die jämmerliche
Zeitung, daß mein Vater unter den Toden gele-
gen, von der Mutter aber konte niemand von allen
gegenwärtigen das geringste berichten. Mittler-
weile da wir selbigen Winter wenig Wochen in
Quartieren stunden, ließ mir der Obriste ein sau-
beres Schwedisches Soldaten-Kleid nach meinem
kleinen Cörper machen, nahm mich in sein eigen
Quartier, allwo ich aufs beste verpflegt wurde, und
weil er mich gern um sich leiden konte, durffte mir
kein Mensch eine scheele Mine machen. Der Obri-
ste verstund und redete zwar sehr gut teutsch, son-
sten aber waren sehr wenige unter seinen Leuten an-
zutreffen, die meine Sprache verstehen konten, u. vor
mich aber war es desto elender, daß ich die ihrige
gleichfalls nicht verstund. Nun hätte sich dieses
zwar wohl mit der Zeit gelernet, allein der vortreff-
liche Obriste, war so gnädig, nicht allein zu Beför-
derung dessen, sondern auch wegen meiner ander-
weitigen Information einen feinen Menschen von
einer andern Compagnie zu sich zu nehmen. Es
war selbiger, wo ich nicht irre, von Geburt ein
Holsteiner, und hatte einige Jahre auf teutschen
Universitäten zugebracht, ich glaubte aber, nachdem
ich seinem gantzen Wesen etwas weiter nachgedacht,
daß er vielleicht jemanden erstochen, oder eine ande-
re sonderbare Fatalität gehabt, deßwegen er seine
Sicherheit unter der Schwedischen Armee in Po-
len gesucht, wie ich denn auch zweifele, daß der
Nahme Schwedeke, sein rechter Zunahme, her-
gegen vielmehr ein selbst angenommener Nahme
gewesen.

Jedoch

fangenen Ruſſen, fleißig nach meinen Eltern for-
ſchen, allein, dadurch erfuhr ich eben die jaͤmmerliche
Zeitung, daß mein Vater unter den Toden gele-
gen, von der Mutter aber konte niemand von allen
gegenwaͤrtigen das geringſte berichten. Mittler-
weile da wir ſelbigen Winter wenig Wochen in
Quartieren ſtunden, ließ mir der Obriſte ein ſau-
beres Schwediſches Soldaten-Kleid nach meinem
kleinen Coͤrper machen, nahm mich in ſein eigen
Quartier, allwo ich aufs beſte verpflegt wurde, und
weil er mich gern um ſich leiden konte, durffte mir
kein Menſch eine ſcheele Mine machen. Der Obri-
ſte verſtund und redete zwar ſehr gut teutſch, ſon-
ſten aber waren ſehr wenige unter ſeinen Leuten an-
zutreffen, die meine Sprache verſtehen konten, u. vor
mich aber war es deſto elender, daß ich die ihrige
gleichfalls nicht verſtund. Nun haͤtte ſich dieſes
zwar wohl mit der Zeit gelernet, allein der vortreff-
liche Obriſte, war ſo gnaͤdig, nicht allein zu Befoͤr-
derung deſſen, ſondern auch wegen meiner ander-
weitigen Information einen feinen Menſchen von
einer andern Compagnie zu ſich zu nehmen. Es
war ſelbiger, wo ich nicht irre, von Geburt ein
Holſteiner, und hatte einige Jahre auf teutſchen
Univerſitaͤten zugebracht, ich glaubte aber, nachdem
ich ſeinem gantzen Weſen etwas weiter nachgedacht,
daß er vielleicht jemanden erſtochen, oder eine ande-
re ſonderbare Fatalitaͤt gehabt, deßwegen er ſeine
Sicherheit unter der Schwediſchen Armée in Po-
len geſucht, wie ich denn auch zweifele, daß der
Nahme Schwedeke, ſein rechter Zunahme, her-
gegen vielmehr ein ſelbſt angenommener Nahme
geweſen.

Jedoch
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[84/0098] fangenen Ruſſen, fleißig nach meinen Eltern for- ſchen, allein, dadurch erfuhr ich eben die jaͤmmerliche Zeitung, daß mein Vater unter den Toden gele- gen, von der Mutter aber konte niemand von allen gegenwaͤrtigen das geringſte berichten. Mittler- weile da wir ſelbigen Winter wenig Wochen in Quartieren ſtunden, ließ mir der Obriſte ein ſau- beres Schwediſches Soldaten-Kleid nach meinem kleinen Coͤrper machen, nahm mich in ſein eigen Quartier, allwo ich aufs beſte verpflegt wurde, und weil er mich gern um ſich leiden konte, durffte mir kein Menſch eine ſcheele Mine machen. Der Obri- ſte verſtund und redete zwar ſehr gut teutſch, ſon- ſten aber waren ſehr wenige unter ſeinen Leuten an- zutreffen, die meine Sprache verſtehen konten, u. vor mich aber war es deſto elender, daß ich die ihrige gleichfalls nicht verſtund. Nun haͤtte ſich dieſes zwar wohl mit der Zeit gelernet, allein der vortreff- liche Obriſte, war ſo gnaͤdig, nicht allein zu Befoͤr- derung deſſen, ſondern auch wegen meiner ander- weitigen Information einen feinen Menſchen von einer andern Compagnie zu ſich zu nehmen. Es war ſelbiger, wo ich nicht irre, von Geburt ein Holſteiner, und hatte einige Jahre auf teutſchen Univerſitaͤten zugebracht, ich glaubte aber, nachdem ich ſeinem gantzen Weſen etwas weiter nachgedacht, daß er vielleicht jemanden erſtochen, oder eine ande- re ſonderbare Fatalitaͤt gehabt, deßwegen er ſeine Sicherheit unter der Schwediſchen Armée in Po- len geſucht, wie ich denn auch zweifele, daß der Nahme Schwedeke, ſein rechter Zunahme, her- gegen vielmehr ein ſelbſt angenommener Nahme geweſen. Jedoch

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/98>, abgerufen am 29.04.2024.