Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

practiciret hätte, so dann dürffte sie weder Wache
noch nichts paßiren, sondern könte so wohl in die
Stadt als in das freye Feld kommen. Dieserwegen
schöpffte ich bessern Muth, zumahlen mir der Jude
schon die Schliche gewiesen, wie und wo wir uns
bey nächtlicher Weile in die Juden-Stadt und in
sein Hauß practiciren könten.

Der alte Sultan hatte zur selbigen Zeit würcklich
einen sehr gefährlichen Zufall, welcher wohl mehren-
theils von dem Alter herrühren mochte, und ohn-
geacht er nachhero noch etliche Jahre gelebt, so war
es uns beyden doch damahls ungemein vortheilhafft,
daß er itzo so gar schwach war, weil dieserwegen so
wohl meine Lands-Männin als ich, etwas mehr
Freyheit hatten. Derowegen, da ohnedem die
dunckelsten Nächte eingebrochen waren, auch des
Monden Licht zurücke blieb, hielten wir nicht vor
rathsam, unsere Sachen länger aufzuschieben, son-
dern wagten das äuserste. Sie schrieb mir, daß ich
in einer bestimmten Nacht, etwa eine Stunde vor
Mitternacht, mich vor der bezeichneten vorborgenen
Pforte ausserhalb einfinden, vorhero aber aller Ge-
legenheit wohl erkundigen solte, um ihre Ankunfft
dürffte ich nicht besorgt, sondern versichert seyn, daß
sie accurat in der Mitternachts-Stunde die Pforte
eröffnen, bey mir seyn, und sich von mir weiter süh-
ren lassen wolte.

Da fing mir das Hertze abermahls gewaltig zu
klopffen an, jedoch ich hatte einen guten Säbel, ein
paar treffliche Pistolen, und auch ein paar Taschen-
Pufferte schon im Vorrath angeschafft, recogno-
fcir
te demnach binnen der Zeit etliche mahl selbige

Ge-

practiciret haͤtte, ſo dann duͤrffte ſie weder Wache
noch nichts paßiren, ſondern koͤnte ſo wohl in die
Stadt als in das freye Feld kommen. Dieſerwegen
ſchoͤpffte ich beſſern Muth, zumahlen mir der Jude
ſchon die Schliche gewieſen, wie und wo wir uns
bey naͤchtlicher Weile in die Juden-Stadt und in
ſein Hauß practiciren koͤnten.

Der alte Sultan hatte zur ſelbigen Zeit wuͤrcklich
einen ſehr gefaͤhrlichen Zufall, welcher wohl mehren-
theils von dem Alter herruͤhren mochte, und ohn-
geacht er nachhero noch etliche Jahre gelebt, ſo war
es uns beyden doch damahls ungemein vortheilhafft,
daß er itzo ſo gar ſchwach war, weil dieſerwegen ſo
wohl meine Lands-Maͤnnin als ich, etwas mehr
Freyheit hatten. Derowegen, da ohnedem die
dunckelſten Naͤchte eingebrochen waren, auch des
Monden Licht zuruͤcke blieb, hielten wir nicht vor
rathſam, unſere Sachen laͤnger aufzuſchieben, ſon-
dern wagten das aͤuſerſte. Sie ſchrieb mir, daß ich
in einer beſtimmten Nacht, etwa eine Stunde vor
Mitternacht, mich vor der bezeichneten vorborgenen
Pforte auſſerhalb einfinden, vorhero aber aller Ge-
legenheit wohl erkundigen ſolte, um ihre Ankunfft
duͤrffte ich nicht beſorgt, ſondern verſichert ſeyn, daß
ſie accurat in der Mitternachts-Stunde die Pforte
eroͤffnen, bey mir ſeyn, und ſich von mir weiter ſuͤh-
ren laſſen wolte.

Da fing mir das Hertze abermahls gewaltig zu
klopffen an, jedoch ich hatte einen guten Saͤbel, ein
paar treffliche Piſtolen, und auch ein paar Taſchen-
Pufferte ſchon im Vorrath angeſchafft, recogno-
fcir
te demnach binnen der Zeit etliche mahl ſelbige

Ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0138" n="130"/><hi rendition="#aq">practici</hi>ret ha&#x0364;tte, &#x017F;o dann du&#x0364;rffte &#x017F;ie weder Wache<lb/>
noch nichts paßiren, &#x017F;ondern ko&#x0364;nte &#x017F;o wohl in die<lb/>
Stadt als in das freye Feld kommen. Die&#x017F;erwegen<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pffte ich be&#x017F;&#x017F;ern Muth, zumahlen mir der Jude<lb/>
&#x017F;chon die Schliche gewie&#x017F;en, wie und wo wir uns<lb/>
bey na&#x0364;chtlicher Weile in die Juden-Stadt und in<lb/>
&#x017F;ein Hauß <hi rendition="#aq">practici</hi>ren ko&#x0364;nten.</p><lb/>
          <p>Der alte Sultan hatte zur &#x017F;elbigen Zeit wu&#x0364;rcklich<lb/>
einen &#x017F;ehr gefa&#x0364;hrlichen Zufall, welcher wohl mehren-<lb/>
theils von dem Alter herru&#x0364;hren mochte, und ohn-<lb/>
geacht er nachhero noch etliche Jahre gelebt, &#x017F;o war<lb/>
es uns beyden doch damahls ungemein vortheilhafft,<lb/>
daß er itzo &#x017F;o gar &#x017F;chwach war, weil die&#x017F;erwegen &#x017F;o<lb/>
wohl meine Lands-Ma&#x0364;nnin als ich, etwas mehr<lb/>
Freyheit hatten. Derowegen, da ohnedem die<lb/>
dunckel&#x017F;ten Na&#x0364;chte eingebrochen waren, auch des<lb/>
Monden Licht zuru&#x0364;cke blieb, hielten wir nicht vor<lb/>
rath&#x017F;am, un&#x017F;ere Sachen la&#x0364;nger aufzu&#x017F;chieben, &#x017F;on-<lb/>
dern wagten das a&#x0364;u&#x017F;er&#x017F;te. Sie &#x017F;chrieb mir, daß ich<lb/>
in einer be&#x017F;timmten Nacht, etwa eine Stunde vor<lb/>
Mitternacht, mich vor der bezeichneten vorborgenen<lb/>
Pforte au&#x017F;&#x017F;erhalb einfinden, vorhero aber aller Ge-<lb/>
legenheit wohl erkundigen &#x017F;olte, um ihre Ankunfft<lb/>
du&#x0364;rffte ich nicht be&#x017F;orgt, &#x017F;ondern ver&#x017F;ichert &#x017F;eyn, daß<lb/>
&#x017F;ie <hi rendition="#aq">accurat</hi> in der Mitternachts-Stunde die Pforte<lb/>
ero&#x0364;ffnen, bey mir &#x017F;eyn, und &#x017F;ich von mir weiter &#x017F;u&#x0364;h-<lb/>
ren la&#x017F;&#x017F;en wolte.</p><lb/>
          <p>Da fing mir das Hertze abermahls gewaltig zu<lb/>
klopffen an, jedoch ich hatte einen guten Sa&#x0364;bel, ein<lb/>
paar treffliche Pi&#x017F;tolen, und auch ein paar Ta&#x017F;chen-<lb/>
Pufferte &#x017F;chon im Vorrath ange&#x017F;chafft, <hi rendition="#aq">recogno-<lb/>
fcir</hi>te demnach binnen der Zeit etliche mahl &#x017F;elbige<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0138] practiciret haͤtte, ſo dann duͤrffte ſie weder Wache noch nichts paßiren, ſondern koͤnte ſo wohl in die Stadt als in das freye Feld kommen. Dieſerwegen ſchoͤpffte ich beſſern Muth, zumahlen mir der Jude ſchon die Schliche gewieſen, wie und wo wir uns bey naͤchtlicher Weile in die Juden-Stadt und in ſein Hauß practiciren koͤnten. Der alte Sultan hatte zur ſelbigen Zeit wuͤrcklich einen ſehr gefaͤhrlichen Zufall, welcher wohl mehren- theils von dem Alter herruͤhren mochte, und ohn- geacht er nachhero noch etliche Jahre gelebt, ſo war es uns beyden doch damahls ungemein vortheilhafft, daß er itzo ſo gar ſchwach war, weil dieſerwegen ſo wohl meine Lands-Maͤnnin als ich, etwas mehr Freyheit hatten. Derowegen, da ohnedem die dunckelſten Naͤchte eingebrochen waren, auch des Monden Licht zuruͤcke blieb, hielten wir nicht vor rathſam, unſere Sachen laͤnger aufzuſchieben, ſon- dern wagten das aͤuſerſte. Sie ſchrieb mir, daß ich in einer beſtimmten Nacht, etwa eine Stunde vor Mitternacht, mich vor der bezeichneten vorborgenen Pforte auſſerhalb einfinden, vorhero aber aller Ge- legenheit wohl erkundigen ſolte, um ihre Ankunfft duͤrffte ich nicht beſorgt, ſondern verſichert ſeyn, daß ſie accurat in der Mitternachts-Stunde die Pforte eroͤffnen, bey mir ſeyn, und ſich von mir weiter ſuͤh- ren laſſen wolte. Da fing mir das Hertze abermahls gewaltig zu klopffen an, jedoch ich hatte einen guten Saͤbel, ein paar treffliche Piſtolen, und auch ein paar Taſchen- Pufferte ſchon im Vorrath angeſchafft, recogno- fcirte demnach binnen der Zeit etliche mahl ſelbige Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/138
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/138>, abgerufen am 28.04.2024.