Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite
Es ist so leicht, zu schweigen, wenn man schuldig und ver-
nichtet ist! ... Nun aber will ich weiter suchen. Wo hast
Du Deinen anderen Schmuck verborgen?
Emilie. Ich habe keinen anderen.
Anatol. Nun -- (er beginnt die Laden aufzureißen)
Emilie. Such' nicht ... ich schwöre Dir, daß ich nichts
habe.
Anatol. Und dieses hier ... warum dieses hier?
Emilie. Ich hatte Unrecht ... vielleicht ...!
Anatol. Vielleicht! ... Emilie! wir sind an dem
Vorabend des Tages, wo ich Dich zu meinem Weibe machen
wollte. Ich glaubte wahrhaftig alles Vergangene getilgt ...
Alles ... Alles! ... Mit Dir zusammen hab' ich die
Briefe, die Fächer, die tausend Nichtigkeiten, die mich an die
Zeit erinnerten, in der wir uns noch nicht kannten ... mit
Dir zusammen habe ich all' das in das Feuer des Camin's
geworfen ... Die Armbänder, die Ringe, die Ohrgehänge ...
wir haben sie verschenkt, verschleudert, sie sind über die Brücke
in den Fluß, durch's Fenster auf die Straße geflogen ...
Hier lagst Du vor mir und schwurst mir ... "Alles, Alles
ist vorbei -- und in Deinen Armen erst hab' ich empfunden,
was Liebe ist ..." Ich natürlich habe Dir geglaubt ...
weil wir Alles glauben, was uns die Weiber sagen, von der
ersten Lüge an, die uns beseligt ...
Emilie. Soll ich Dir von Neuem schwören?
Anatol. Was hilft es? ... Ich bin fertig ...
fertig mit Dir ... Oh, wie gut Du das gespielt hast!
Fieberisch, als ob Du jeden Flecken abwaschen wolltest von
Es iſt ſo leicht, zu ſchweigen, wenn man ſchuldig und ver-
nichtet iſt! … Nun aber will ich weiter ſuchen. Wo haſt
Du Deinen anderen Schmuck verborgen?
Emilie. Ich habe keinen anderen.
Anatol. Nun — (er beginnt die Laden aufzureißen)
Emilie. Such’ nicht … ich ſchwöre Dir, daß ich nichts
habe.
Anatol. Und dieſes hier … warum dieſes hier?
Emilie. Ich hatte Unrecht … vielleicht …!
Anatol. Vielleicht! … Emilie! wir ſind an dem
Vorabend des Tages, wo ich Dich zu meinem Weibe machen
wollte. Ich glaubte wahrhaftig alles Vergangene getilgt …
Alles … Alles! … Mit Dir zuſammen hab’ ich die
Briefe, die Fächer, die tauſend Nichtigkeiten, die mich an die
Zeit erinnerten, in der wir uns noch nicht kannten … mit
Dir zuſammen habe ich all’ das in das Feuer des Camin’s
geworfen … Die Armbänder, die Ringe, die Ohrgehänge …
wir haben ſie verſchenkt, verſchleudert, ſie ſind über die Brücke
in den Fluß, durch’s Fenſter auf die Straße geflogen …
Hier lagſt Du vor mir und ſchwurſt mir … „Alles, Alles
iſt vorbei — und in Deinen Armen erſt hab’ ich empfunden,
was Liebe iſt …“ Ich natürlich habe Dir geglaubt …
weil wir Alles glauben, was uns die Weiber ſagen, von der
erſten Lüge an, die uns beſeligt …
Emilie. Soll ich Dir von Neuem ſchwören?
Anatol. Was hilft es? … Ich bin fertig …
fertig mit Dir … Oh, wie gut Du das geſpielt haſt!
Fieberiſch, als ob Du jeden Flecken abwaſchen wollteſt von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="act" n="1">
        <div type="scene" n="2">
          <sp who="#ANA">
            <p><pb facs="#f0078" n="68"/>
Es i&#x017F;t &#x017F;o leicht, zu &#x017F;chweigen, wenn man &#x017F;chuldig und ver-<lb/>
nichtet i&#x017F;t! &#x2026; Nun aber will ich weiter &#x017F;uchen. Wo ha&#x017F;t<lb/>
Du Deinen anderen Schmuck verborgen?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#b">Emilie.</hi> </speaker>
            <p>Ich habe keinen anderen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANA">
            <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker>
            <p>Nun &#x2014;<stage>(er beginnt die Laden aufzureißen)</stage></p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#b">Emilie.</hi> </speaker>
            <p>Such&#x2019; nicht &#x2026; ich &#x017F;chwöre Dir, daß ich nichts<lb/>
habe.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANA">
            <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker>
            <p>Und die&#x017F;es hier &#x2026; warum die&#x017F;es hier?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#b">Emilie.</hi> </speaker>
            <p>Ich hatte Unrecht &#x2026; vielleicht &#x2026;!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANA">
            <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker>
            <p>Vielleicht! &#x2026; Emilie! wir &#x017F;ind an dem<lb/>
Vorabend des Tages, wo ich Dich zu meinem Weibe machen<lb/>
wollte. Ich glaubte wahrhaftig alles Vergangene getilgt &#x2026;<lb/>
Alles &#x2026; Alles! &#x2026; Mit Dir zu&#x017F;ammen hab&#x2019; ich die<lb/>
Briefe, die Fächer, die tau&#x017F;end Nichtigkeiten, die mich an die<lb/>
Zeit erinnerten, in der wir uns noch nicht kannten &#x2026; mit<lb/>
Dir zu&#x017F;ammen habe ich all&#x2019; das in das Feuer des Camin&#x2019;s<lb/>
geworfen &#x2026; Die Armbänder, die Ringe, die Ohrgehänge &#x2026;<lb/>
wir haben &#x017F;ie ver&#x017F;chenkt, ver&#x017F;chleudert, &#x017F;ie &#x017F;ind über die Brücke<lb/>
in den Fluß, durch&#x2019;s Fen&#x017F;ter auf die Straße geflogen &#x2026;<lb/>
Hier lag&#x017F;t Du vor mir und &#x017F;chwur&#x017F;t mir &#x2026; &#x201E;Alles, Alles<lb/>
i&#x017F;t vorbei &#x2014; und in Deinen Armen er&#x017F;t hab&#x2019; ich empfunden,<lb/>
was Liebe i&#x017F;t &#x2026;&#x201C; Ich natürlich habe Dir geglaubt &#x2026;<lb/>
weil wir Alles glauben, was uns die Weiber &#x017F;agen, von der<lb/>
er&#x017F;ten Lüge an, die uns be&#x017F;eligt &#x2026;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#b">Emilie.</hi> </speaker>
            <p>Soll ich Dir von Neuem &#x017F;chwören?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANA">
            <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker>
            <p>Was hilft es? &#x2026; Ich bin fertig &#x2026;<lb/>
fertig mit Dir &#x2026; Oh, wie gut Du das ge&#x017F;pielt ha&#x017F;t!<lb/>
Fieberi&#x017F;ch, als ob Du jeden Flecken abwa&#x017F;chen wollte&#x017F;t von<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0078] Es iſt ſo leicht, zu ſchweigen, wenn man ſchuldig und ver- nichtet iſt! … Nun aber will ich weiter ſuchen. Wo haſt Du Deinen anderen Schmuck verborgen? Emilie. Ich habe keinen anderen. Anatol. Nun —(er beginnt die Laden aufzureißen) Emilie. Such’ nicht … ich ſchwöre Dir, daß ich nichts habe. Anatol. Und dieſes hier … warum dieſes hier? Emilie. Ich hatte Unrecht … vielleicht …! Anatol. Vielleicht! … Emilie! wir ſind an dem Vorabend des Tages, wo ich Dich zu meinem Weibe machen wollte. Ich glaubte wahrhaftig alles Vergangene getilgt … Alles … Alles! … Mit Dir zuſammen hab’ ich die Briefe, die Fächer, die tauſend Nichtigkeiten, die mich an die Zeit erinnerten, in der wir uns noch nicht kannten … mit Dir zuſammen habe ich all’ das in das Feuer des Camin’s geworfen … Die Armbänder, die Ringe, die Ohrgehänge … wir haben ſie verſchenkt, verſchleudert, ſie ſind über die Brücke in den Fluß, durch’s Fenſter auf die Straße geflogen … Hier lagſt Du vor mir und ſchwurſt mir … „Alles, Alles iſt vorbei — und in Deinen Armen erſt hab’ ich empfunden, was Liebe iſt …“ Ich natürlich habe Dir geglaubt … weil wir Alles glauben, was uns die Weiber ſagen, von der erſten Lüge an, die uns beſeligt … Emilie. Soll ich Dir von Neuem ſchwören? Anatol. Was hilft es? … Ich bin fertig … fertig mit Dir … Oh, wie gut Du das geſpielt haſt! Fieberiſch, als ob Du jeden Flecken abwaſchen wollteſt von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_anatol_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_anatol_1893/78
Zitationshilfe: Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_anatol_1893/78>, abgerufen am 26.04.2024.