Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Y
Zyrich ist sonst so einig mit Halle; unsere Wei-
sen so weise, als jene: und doch empöret man
sich wider unsere Universal-Buchstabenmo-
narchie.
Ja, wie eine Verwegenheit immer
stölzer um sich greift, je geduldiger man bey der
ersten ist: so unterstehet man sich so gar uns von
den Plätzen zu verdringen, die wir doch Jahr-
hunderte durch
auch in Leipzig erhalten hat-
ten; in Leipzig, das wie Tag und Nacht von
Zyrich unterschieden ist. Da nun unser Thron
auf so unerhörte Art erschüttert wird; da man
uns diesseits der Alpen vergöttert, und jenseits
der Alpen gar an unserm Daseyn zweifelt; un-
sern Tempel entheiliget; es mit unsern Gön-
nern hält; und ihre Lieblinge verachtet: so
müßten wir den Wohlklang unserer Glieder
nie gehöret haben, wenn wir nicht merkten, daß
uns hier zu viel Ehre; dort zu viel Schimpf wie-
derfahre. Denn der stölzeste Mensch ist, bey zu-
geschlossenen Thüren, sein schärfster Richter;
folglich auch wir, die wir so viel menschliches an
uns haben; ja, wir müßten nicht mehr unsern
Klang, durch die schimpfenden Stimmen der
Sackträger,
entweihen hören: wollten wir
nicht in uns gehen.

Wir gehen also euer Wort- und Sylben-
gericht
flehend an: uns entweder das kleine
Herrchen i
bey Seite zu schaffen, oder Wider-
sachern V. R. W. aufzulegen, seine Rechte
und Ausprüche zur Einsicht einzuschicken.

Nach

Y
Zyrich iſt ſonſt ſo einig mit Halle; unſere Wei-
ſen ſo weiſe, als jene: und doch empoͤret man
ſich wider unſere Univerſal-Buchſtabenmo-
narchie.
Ja, wie eine Verwegenheit immer
ſtoͤlzer um ſich greift, je geduldiger man bey der
erſten iſt: ſo unterſtehet man ſich ſo gar uns von
den Plaͤtzen zu verdringen, die wir doch Jahr-
hunderte durch
auch in Leipzig erhalten hat-
ten; in Leipzig, das wie Tag und Nacht von
Zyrich unterſchieden iſt. Da nun unſer Thron
auf ſo unerhoͤrte Art erſchuͤttert wird; da man
uns dieſſeits der Alpen vergoͤttert, und jenſeits
der Alpen gar an unſerm Daſeyn zweifelt; un-
ſern Tempel entheiliget; es mit unſern Goͤn-
nern haͤlt; und ihre Lieblinge verachtet: ſo
muͤßten wir den Wohlklang unſerer Glieder
nie gehoͤret haben, wenn wir nicht merkten, daß
uns hier zu viel Ehre; dort zu viel Schimpf wie-
derfahre. Denn der ſtoͤlzeſte Menſch iſt, bey zu-
geſchloſſenen Thuͤren, ſein ſchaͤrfſter Richter;
folglich auch wir, die wir ſo viel menſchliches an
uns haben; ja, wir muͤßten nicht mehr unſern
Klang, durch die ſchimpfenden Stimmen der
Sacktraͤger,
entweihen hoͤren: wollten wir
nicht in uns gehen.

Wir gehen alſo euer Wort- und Sylben-
gericht
flehend an: uns entweder das kleine
Herrchen i
bey Seite zu ſchaffen, oder Wider-
ſachern V. R. W. aufzulegen, ſeine Rechte
und Auſpruͤche zur Einſicht einzuſchicken.

Nach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="4">
            <p><pb facs="#f0484" n="458"/><fw place="top" type="header">Y</fw><lb/><hi rendition="#aq">Zyrich</hi> i&#x017F;t &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o einig mit <hi rendition="#fr">Halle;</hi> un&#x017F;ere Wei-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;o wei&#x017F;e, als jene: und doch empo&#x0364;ret man<lb/>
&#x017F;ich wider un&#x017F;ere <hi rendition="#fr">Univer&#x017F;al-Buch&#x017F;tabenmo-<lb/>
narchie.</hi> Ja, wie eine Verwegenheit immer<lb/>
&#x017F;to&#x0364;lzer um &#x017F;ich greift, je geduldiger man bey der<lb/>
er&#x017F;ten i&#x017F;t: &#x017F;o unter&#x017F;tehet man &#x017F;ich &#x017F;o gar uns von<lb/>
den Pla&#x0364;tzen zu verdringen, die wir doch <hi rendition="#fr">Jahr-<lb/>
hunderte durch</hi> auch in <hi rendition="#fr">Leipzig</hi> erhalten hat-<lb/>
ten; in <hi rendition="#fr">Leipzig,</hi> das wie Tag und Nacht von<lb/><hi rendition="#aq">Zyrich</hi> unter&#x017F;chieden i&#x017F;t. Da nun un&#x017F;er Thron<lb/>
auf &#x017F;o unerho&#x0364;rte Art er&#x017F;chu&#x0364;ttert wird; da man<lb/>
uns die&#x017F;&#x017F;eits der <hi rendition="#fr">Alpen</hi> vergo&#x0364;ttert, und jen&#x017F;eits<lb/>
der <hi rendition="#fr">Alpen</hi> gar an un&#x017F;erm Da&#x017F;eyn zweifelt; un-<lb/>
&#x017F;ern Tempel entheiliget; es mit un&#x017F;ern Go&#x0364;n-<lb/>
nern ha&#x0364;lt; und ihre Lieblinge verachtet: &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;ßten wir den <hi rendition="#fr">Wohlklang un&#x017F;erer Glieder</hi><lb/>
nie geho&#x0364;ret haben, wenn wir nicht merkten, daß<lb/>
uns hier zu viel Ehre; dort zu viel Schimpf wie-<lb/>
derfahre. Denn der &#x017F;to&#x0364;lze&#x017F;te Men&#x017F;ch i&#x017F;t, bey zu-<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Thu&#x0364;ren, &#x017F;ein &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;ter Richter;<lb/>
folglich auch wir, die wir &#x017F;o viel men&#x017F;chliches an<lb/>
uns haben; ja, wir mu&#x0364;ßten nicht mehr un&#x017F;ern<lb/><hi rendition="#fr">Klang,</hi> durch die <hi rendition="#fr">&#x017F;chimpfenden Stimmen der<lb/>
Sacktra&#x0364;ger,</hi> entweihen ho&#x0364;ren: wollten wir<lb/>
nicht in uns gehen.</p><lb/>
            <p>Wir gehen al&#x017F;o <hi rendition="#fr">euer Wort- und Sylben-<lb/>
gericht</hi> flehend an: uns entweder das <hi rendition="#fr">kleine<lb/>
Herrchen i</hi> bey Seite zu &#x017F;chaffen, oder Wider-<lb/>
&#x017F;achern <hi rendition="#fr">V. R. W.</hi> aufzulegen, &#x017F;eine Rechte<lb/>
und Au&#x017F;pru&#x0364;che zur Ein&#x017F;icht einzu&#x017F;chicken.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Nach</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0484] Y Zyrich iſt ſonſt ſo einig mit Halle; unſere Wei- ſen ſo weiſe, als jene: und doch empoͤret man ſich wider unſere Univerſal-Buchſtabenmo- narchie. Ja, wie eine Verwegenheit immer ſtoͤlzer um ſich greift, je geduldiger man bey der erſten iſt: ſo unterſtehet man ſich ſo gar uns von den Plaͤtzen zu verdringen, die wir doch Jahr- hunderte durch auch in Leipzig erhalten hat- ten; in Leipzig, das wie Tag und Nacht von Zyrich unterſchieden iſt. Da nun unſer Thron auf ſo unerhoͤrte Art erſchuͤttert wird; da man uns dieſſeits der Alpen vergoͤttert, und jenſeits der Alpen gar an unſerm Daſeyn zweifelt; un- ſern Tempel entheiliget; es mit unſern Goͤn- nern haͤlt; und ihre Lieblinge verachtet: ſo muͤßten wir den Wohlklang unſerer Glieder nie gehoͤret haben, wenn wir nicht merkten, daß uns hier zu viel Ehre; dort zu viel Schimpf wie- derfahre. Denn der ſtoͤlzeſte Menſch iſt, bey zu- geſchloſſenen Thuͤren, ſein ſchaͤrfſter Richter; folglich auch wir, die wir ſo viel menſchliches an uns haben; ja, wir muͤßten nicht mehr unſern Klang, durch die ſchimpfenden Stimmen der Sacktraͤger, entweihen hoͤren: wollten wir nicht in uns gehen. Wir gehen alſo euer Wort- und Sylben- gericht flehend an: uns entweder das kleine Herrchen i bey Seite zu ſchaffen, oder Wider- ſachern V. R. W. aufzulegen, ſeine Rechte und Auſpruͤche zur Einſicht einzuſchicken. Nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/484
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/484>, abgerufen am 28.04.2024.