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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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So kann man auch sagen a. St. den Acker düngen,
den Weizen düngen.
Diese ganze Seite ist eine
rechte Schatzgrube von neologischen Seltenheiten.
Ein jeder Vers giebt einem was heim zu denken
und zu lachen,
wie Sänger Bodmer von je-
dem Verse verlanget. Unter andern ist hier etwas
hohes oder tiefes. Jch habe es von vielen Geistli-
chen, aber wohl zu verstehen, wenn sie auf die rö-
mische
Geistlichkeit erzürnet waren, anführen
hören.

Für seines Gottes Ruhm gilt Meyneid und
Verrath:
Was Böses ist geschehn, das nicht ein Prie-
ster that?

auf deutsch:

Was ist wohl Böses geschehen, das nicht ein
Priester gethan hat?
Antwort: Sehr viel!
Man muß also auch Lügen einmengen, wann man
moralisiret. Man hat angemerket, daß Priester
und Fürsten es sehr gröblich mit unsern Witzlin-
gen
müssen versehen haben, indem sie jene bey allen
Gelegenheiten anzapfen. Sie sollten doch beden-
ken, daß Priester ihnen den Himmel geben; Für-
sten
aber ihnen die Luft lassen. Allein Philosophen
haben weder Freund, noch Vater; die Wahrheit,
das so beschrieene Weib, ist ihnen an Statt alles.
Kalk und Steine haben noch nie Blut gegeben.
Der unsterbliche Herr Doctor saget so gar, daß
der Schutt von zerstörten Städten Blut habe.
Er ersäufet den Schutt in seinem Blute: in sei-

nem
Bl

So kann man auch ſagen a. St. den Acker duͤngen,
den Weizen duͤngen.
Dieſe ganze Seite iſt eine
rechte Schatzgrube von neologiſchen Seltenheiten.
Ein jeder Vers giebt einem was heim zu denken
und zu lachen,
wie Saͤnger Bodmer von je-
dem Verſe verlanget. Unter andern iſt hier etwas
hohes oder tiefes. Jch habe es von vielen Geiſtli-
chen, aber wohl zu verſtehen, wenn ſie auf die roͤ-
miſche
Geiſtlichkeit erzuͤrnet waren, anfuͤhren
hoͤren.

Fuͤr ſeines Gottes Ruhm gilt Meyneid und
Verrath:
Was Boͤſes iſt geſchehn, das nicht ein Prie-
ſter that?

auf deutſch:

Was iſt wohl Boͤſes geſchehen, das nicht ein
Prieſter gethan hat?
Antwort: Sehr viel!
Man muß alſo auch Luͤgen einmengen, wann man
moraliſiret. Man hat angemerket, daß Prieſter
und Fuͤrſten es ſehr groͤblich mit unſern Witzlin-
gen
muͤſſen verſehen haben, indem ſie jene bey allen
Gelegenheiten anzapfen. Sie ſollten doch beden-
ken, daß Prieſter ihnen den Himmel geben; Fuͤr-
ſten
aber ihnen die Luft laſſen. Allein Philoſophen
haben weder Freund, noch Vater; die Wahrheit,
das ſo beſchrieene Weib, iſt ihnen an Statt alles.
Kalk und Steine haben noch nie Blut gegeben.
Der unſterbliche Herr Doctor ſaget ſo gar, daß
der Schutt von zerſtoͤrten Staͤdten Blut habe.
Er erſaͤufet den Schutt in ſeinem Blute: in ſei-

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[63/0089] Bl So kann man auch ſagen a. St. den Acker duͤngen, den Weizen duͤngen. Dieſe ganze Seite iſt eine rechte Schatzgrube von neologiſchen Seltenheiten. Ein jeder Vers giebt einem was heim zu denken und zu lachen, wie Saͤnger Bodmer von je- dem Verſe verlanget. Unter andern iſt hier etwas hohes oder tiefes. Jch habe es von vielen Geiſtli- chen, aber wohl zu verſtehen, wenn ſie auf die roͤ- miſche Geiſtlichkeit erzuͤrnet waren, anfuͤhren hoͤren. Fuͤr ſeines Gottes Ruhm gilt Meyneid und Verrath: Was Boͤſes iſt geſchehn, das nicht ein Prie- ſter that? auf deutſch: Was iſt wohl Boͤſes geſchehen, das nicht ein Prieſter gethan hat? Antwort: Sehr viel! Man muß alſo auch Luͤgen einmengen, wann man moraliſiret. Man hat angemerket, daß Prieſter und Fuͤrſten es ſehr groͤblich mit unſern Witzlin- gen muͤſſen verſehen haben, indem ſie jene bey allen Gelegenheiten anzapfen. Sie ſollten doch beden- ken, daß Prieſter ihnen den Himmel geben; Fuͤr- ſten aber ihnen die Luft laſſen. Allein Philoſophen haben weder Freund, noch Vater; die Wahrheit, das ſo beſchrieene Weib, iſt ihnen an Statt alles. Kalk und Steine haben noch nie Blut gegeben. Der unſterbliche Herr Doctor ſaget ſo gar, daß der Schutt von zerſtoͤrten Staͤdten Blut habe. Er erſaͤufet den Schutt in ſeinem Blute: in ſei- nem

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/89>, abgerufen am 27.04.2024.