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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.
entwickelten logischen Prinzipien konsequent verfahren, so kann die er-
wähnte Aussage als Prämisse zu weiteren Schlussfolgerungen nun ganz un-
bedenklich mitverwendet werden, und ist kein Grund ersichtlich, weshalb
gedachte Untersuchungen nicht ihren Zweck erreichen dürften.

So kann man z. B. auf die Behauptung, dass gedachte Dreiecke gleich-
seitig sind, nach bekanntem Satze den Schluss gründen, dass sie auch
gleichwinklig sein, ihre Winkelsumme mithin drei Rechte betragen müsse,
womit dann die Frage entschieden ist und die ebenen Dreiecke aus-
geschlossen erscheinen.

s) Es wurde in § 1 ausgeführt, dass das Subsumtionszeichen
der Kopula entspricht, und, wenn a und b Klassen vorstellen, die Sub-
sumtion a b mit "a ist b" resp. "alle a sind b" wie derzugeben sei.

Die seitdem mit Def. (2x) von uns vollzogene Zuziehung, Ad-
jungirung der "Null" zu den Gebieten und Klassen hat nun im Gefolge,
dass auch diese Bemerkung eine Modifikation nachträglich erfahren
muss, wenigstens für die Sprache des gemeinen Lebens.

Hat a den Wert 0, so gilt die Subsumtion a b ohnehin, was
auch für eine Klasse b immer bedeuten möge. Diese Subsumtion 0 b
lehrt uns dann nichts besonderes, sie wird (hinsichtlich des b) zu einer
geradezu "nichtssagenden".

Der Fall a = 0 ist nun der, wo die Klasse a überhaupt keine
Individuen enthält, eine leere ist, was die Sprache mit: "Es gibt keine a"
ausdrücken wird.

Diesen Fall muss man nunmehr, wenn ausgesagt wird, dass a b
sei, stets mit als möglich zugelassen denken; daher ist die Subsumtion:
a b
fortan zu lesen:
"Alle a, sofern es welche gibt, sind b"
sie ist m. a. W. zu interpretiren als:
Entweder: es gibt keine a,
Oder, wenn es welche gibt, so sind sie alle b.

Im Rahmen der gegenwärtigen Disziplin wird es zwar [mit einem
kleinen unter u) zu erwähnenden Vorbehalt] ganz unbedenklich sein,
auch bei der einfacheren Fassung zu bleiben und nur zu sagen: "a
ist b" resp. "alle a sind b", wie früher.

Für die Verkehrssprache aber wäre hiezu nicht zu raten! Indem
hier stillschweigend die Unterstellung hinzutritt, dass Derjenige, der
etwas sagt, auch wirklich (über) etwas aussagen wolle, so wird eine
auf "alle a" bezügliche Aussage allgemein so aufgefasst, dass sie das
Subjekt als existirend annehme oder hinstelle.

§ 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse.
entwickelten logischen Prinzipien konsequent verfahren, so kann die er-
wähnte Aussage als Prämisse zu weiteren Schlussfolgerungen nun ganz un-
bedenklich mitverwendet werden, und ist kein Grund ersichtlich, weshalb
gedachte Untersuchungen nicht ihren Zweck erreichen dürften.

So kann man z. B. auf die Behauptung, dass gedachte Dreiecke gleich-
seitig sind, nach bekanntem Satze den Schluss gründen, dass sie auch
gleichwinklig sein, ihre Winkelsumme mithin drei Rechte betragen müsse,
womit dann die Frage entschieden ist und die ebenen Dreiecke aus-
geschlossen erscheinen.

σ) Es wurde in § 1 ausgeführt, dass das Subsumtionszeichen ⋹
der Kopula entspricht, und, wenn a und b Klassen vorstellen, die Sub-
sumtion ab mit „a ist b“ resp. „alle a sind b“ wie derzugeben sei.

Die seitdem mit Def. (2×) von uns vollzogene Zuziehung, Ad-
jungirung der „Null“ zu den Gebieten und Klassen hat nun im Gefolge,
dass auch diese Bemerkung eine Modifikation nachträglich erfahren
muss, wenigstens für die Sprache des gemeinen Lebens.

Hat a den Wert 0, so gilt die Subsumtion ab ohnehin, was
auch für eine Klasse b immer bedeuten möge. Diese Subsumtion 0 ⋹ b
lehrt uns dann nichts besonderes, sie wird (hinsichtlich des b) zu einer
geradezu „nichtssagenden“.

Der Fall a = 0 ist nun der, wo die Klasse a überhaupt keine
Individuen enthält, eine leere ist, was die Sprache mit: „Es gibt keine a
ausdrücken wird.

Diesen Fall muss man nunmehr, wenn ausgesagt wird, dass ab
sei, stets mit als möglich zugelassen denken; daher ist die Subsumtion:
ab
fortan zu lesen:
Alle a, sofern es welche gibt, sind b
sie ist m. a. W. zu interpretiren als:
Entweder: es gibt keine a,
Oder, wenn es welche gibt, so sind sie alle b.

Im Rahmen der gegenwärtigen Disziplin wird es zwar [mit einem
kleinen unter υ) zu erwähnenden Vorbehalt] ganz unbedenklich sein,
auch bei der einfacheren Fassung zu bleiben und nur zu sagen: „a
ist b“ resp. „alle a sind b“, wie früher.

Für die Verkehrssprache aber wäre hiezu nicht zu raten! Indem
hier stillschweigend die Unterstellung hinzutritt, dass Derjenige, der
etwas sagt, auch wirklich (über) etwas aussagen wolle, so wird eine
auf „alle a“ bezügliche Aussage allgemein so aufgefasst, dass sie das
Subjekt als existirend annehme oder hinstelle.

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[239/0259] § 9. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse. entwickelten logischen Prinzipien konsequent verfahren, so kann die er- wähnte Aussage als Prämisse zu weiteren Schlussfolgerungen nun ganz un- bedenklich mitverwendet werden, und ist kein Grund ersichtlich, weshalb gedachte Untersuchungen nicht ihren Zweck erreichen dürften. So kann man z. B. auf die Behauptung, dass gedachte Dreiecke gleich- seitig sind, nach bekanntem Satze den Schluss gründen, dass sie auch gleichwinklig sein, ihre Winkelsumme mithin drei Rechte betragen müsse, womit dann die Frage entschieden ist und die ebenen Dreiecke aus- geschlossen erscheinen. σ) Es wurde in § 1 ausgeführt, dass das Subsumtionszeichen ⋹ der Kopula entspricht, und, wenn a und b Klassen vorstellen, die Sub- sumtion a ⋹ b mit „a ist b“ resp. „alle a sind b“ wie derzugeben sei. Die seitdem mit Def. (2×) von uns vollzogene Zuziehung, Ad- jungirung der „Null“ zu den Gebieten und Klassen hat nun im Gefolge, dass auch diese Bemerkung eine Modifikation nachträglich erfahren muss, wenigstens für die Sprache des gemeinen Lebens. Hat a den Wert 0, so gilt die Subsumtion a ⋹ b ohnehin, was auch für eine Klasse b immer bedeuten möge. Diese Subsumtion 0 ⋹ b lehrt uns dann nichts besonderes, sie wird (hinsichtlich des b) zu einer geradezu „nichtssagenden“. Der Fall a = 0 ist nun der, wo die Klasse a überhaupt keine Individuen enthält, eine leere ist, was die Sprache mit: „Es gibt keine a“ ausdrücken wird. Diesen Fall muss man nunmehr, wenn ausgesagt wird, dass a ⋹ b sei, stets mit als möglich zugelassen denken; daher ist die Subsumtion: a ⋹ b fortan zu lesen: „Alle a, sofern es welche gibt, sind b“ sie ist m. a. W. zu interpretiren als: Entweder: es gibt keine a, Oder, wenn es welche gibt, so sind sie alle b. Im Rahmen der gegenwärtigen Disziplin wird es zwar [mit einem kleinen unter υ) zu erwähnenden Vorbehalt] ganz unbedenklich sein, auch bei der einfacheren Fassung zu bleiben und nur zu sagen: „a ist b“ resp. „alle a sind b“, wie früher. Für die Verkehrssprache aber wäre hiezu nicht zu raten! Indem hier stillschweigend die Unterstellung hinzutritt, dass Derjenige, der etwas sagt, auch wirklich (über) etwas aussagen wolle, so wird eine auf „alle a“ bezügliche Aussage allgemein so aufgefasst, dass sie das Subjekt als existirend annehme oder hinstelle.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/259>, abgerufen am 02.05.2024.