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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Eilfte Vorlesung.
ein eindeutiger Term in der abgeleiteten, der Mannigfaltigkeit der Klassen,
indem es unter den Klassen eine ganz bestimmte, individuelle Klasse vorstellt.

Als allgemeine Propositionen würden a = a b, sowie a b, a b a,
etc. hinzustellen sein, wenn entweder a, oder b, oder beide Symbole unbe-
stimmte Gebiete oder Klassen vorstellen sollten, wenn die Bedeutung dieser
Symbole ganz oder teilweise offen gelassen wäre. Ebenso, wenn a irgend
ein
Gebiet vorstellt (desgleichen, wenn es ein beliebiges in einem be-
stimmten b enthaltenes Gebiet vorstellte), muss die Proposition a 1 als
eine "allgemeine" bezeichnet werden. Etc.

Auf dem Felde der Arithmetik entsprechen unsern "speziellen" Pro-
positionen die "numerischen" Gleichungen, welche nur mittelst Ziffern dar-
gestellte individuelle Zahlen ("numerische" oder "ziffrige", "digital numbers")
enthalten, oder in denen wenigstens, falls Buchstaben in ihnen auftreten
sollten, diese, wie p = 3,14159 ..., e = 2,71828 ..., i = [Formel 1] ,
schon eine konventionell feststehende Zahlenbedeutung haben. Unsern "all-
gemeinen" Propositionen dagegen entsprechen die "literalen" oder Buch-
staben-Gleichungen, welche auch Buchstaben als "unbestimmte" oder "all-
gemeine" Zahlzeichen enthalten, Buchstaben, denen es uns noch freisteht
verschiedene Zahlenwerte als Bedeutung unterzulegen.

Solch leicht erkennbares äusserliches Unterscheidungsmerkmal, wie das
Auftreten oder Nichtauftreten von Buchstaben in der Arithmetik es bil-
dete, können wir jedoch im identischen Kalkul der Unterscheidung beider
Klassen von Propositionen nicht zugrunde legen, weil wir hier auch die
speziellen Gebiete oder Klassen stets mit Buchstaben darzustellen pflegen
und darzustellen genötigt sind -- die beiden Gebiete 0 und 1 ganz allein
ausgenommen. Was dort (in der Arithmetik bei i, p, e) als Ausnahme
mitanzuführen war, bildet hier (im identischen Kalkul) die Regel!

Spezielle Propositionen erfreuen sich jeweils eines völlig bestimm-
ten Sinnes, und darum ist eine spezielle Proposition immer entweder
eine richtige oder eine falsche.

Die oben angeführten waren Exempel von richtigen speziellen Propo-
sitionen. Dagegen würden 1 0, 0 = 1, und bei der durch Figur 1 er-
klärten Bedeutung von a und b die Subsumtion b a, die Gleichung
a b = b, etc. eine falsche spezielle Proposition exemplifiziren; ebenso die
verbalen Urteile: "Die Mohren sind weiss" sowie "Einige schwarze Krähen
sind nicht-schwarz", und andere mehr.

Die (in unserm Sinne) "allgemeinen" Propositionen können nicht
so, wie die der vorigen Abteilung, die speziellen, ohne weiteres in
richtige und falsche eingeteilt werden, weil sie keinen völlig fest-
stehenden Sinn besitzen. Die Beantwortung der Frage, ob sie als
richtig oder falsch erscheinen, wird vielmehr häufig davon abhängen,
welche Bedeutungen, Werte oder Wertsysteme man den in ihnen vor-
kommenden Buchstabensymbolen, für welche eine völlig bestimmte Be-
deutung eben noch nicht ausgemacht ist (und die darum als "unbe-

Eilfte Vorlesung.
ein eindeutiger Term in der abgeleiteten, der Mannigfaltigkeit der Klassen,
indem es unter den Klassen eine ganz bestimmte, individuelle Klasse vorstellt.

Als allgemeine Propositionen würden a = a b, sowie ab, a ba,
etc. hinzustellen sein, wenn entweder a, oder b, oder beide Symbole unbe-
stimmte Gebiete oder Klassen vorstellen sollten, wenn die Bedeutung dieser
Symbole ganz oder teilweise offen gelassen wäre. Ebenso, wenn a irgend
ein
Gebiet vorstellt (desgleichen, wenn es ein beliebiges in einem be-
stimmten b enthaltenes Gebiet vorstellte), muss die Proposition a ⋹ 1 als
eine „allgemeine“ bezeichnet werden. Etc.

Auf dem Felde der Arithmetik entsprechen unsern „speziellen“ Pro-
positionen die „numerischen“ Gleichungen, welche nur mittelst Ziffern dar-
gestellte individuelle Zahlen („numerische“ oder „ziffrige“, „digital numbers“)
enthalten, oder in denen wenigstens, falls Buchstaben in ihnen auftreten
sollten, diese, wie π = 3,14159 …, e = 2,71828 …, i = [Formel 1] ,
schon eine konventionell feststehende Zahlenbedeutung haben. Unsern „all-
gemeinen“ Propositionen dagegen entsprechen die „literalen“ oder Buch-
staben-Gleichungen, welche auch Buchstaben als „unbestimmte“ oder „all-
gemeine“ Zahlzeichen enthalten, Buchstaben, denen es uns noch freisteht
verschiedene Zahlenwerte als Bedeutung unterzulegen.

Solch leicht erkennbares äusserliches Unterscheidungsmerkmal, wie das
Auftreten oder Nichtauftreten von Buchstaben in der Arithmetik es bil-
dete, können wir jedoch im identischen Kalkul der Unterscheidung beider
Klassen von Propositionen nicht zugrunde legen, weil wir hier auch die
speziellen Gebiete oder Klassen stets mit Buchstaben darzustellen pflegen
und darzustellen genötigt sind — die beiden Gebiete 0 und 1 ganz allein
ausgenommen. Was dort (in der Arithmetik bei i, π, e) als Ausnahme
mitanzuführen war, bildet hier (im identischen Kalkul) die Regel!

Spezielle Propositionen erfreuen sich jeweils eines völlig bestimm-
ten Sinnes, und darum ist eine spezielle Proposition immer entweder
eine richtige oder eine falsche.

Die oben angeführten waren Exempel von richtigen speziellen Propo-
sitionen. Dagegen würden 1 ⋹ 0, 0 = 1, und bei der durch Figur 1 er-
klärten Bedeutung von a und b die Subsumtion ba, die Gleichung
a b = b, etc. eine falsche spezielle Proposition exemplifiziren; ebenso die
verbalen Urteile: „Die Mohren sind weiss“ sowie „Einige schwarze Krähen
sind nicht-schwarz“, und andere mehr.

Die (in unserm Sinne) „allgemeinen“ Propositionen können nicht
so, wie die der vorigen Abteilung, die speziellen, ohne weiteres in
richtige und falsche eingeteilt werden, weil sie keinen völlig fest-
stehenden Sinn besitzen. Die Beantwortung der Frage, ob sie als
richtig oder falsch erscheinen, wird vielmehr häufig davon abhängen,
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kommenden Buchstabensymbolen, für welche eine völlig bestimmte Be-
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[436/0456] Eilfte Vorlesung. ein eindeutiger Term in der abgeleiteten, der Mannigfaltigkeit der Klassen, indem es unter den Klassen eine ganz bestimmte, individuelle Klasse vorstellt. Als allgemeine Propositionen würden a = a b, sowie a ⋹ b, a b ⋹ a, etc. hinzustellen sein, wenn entweder a, oder b, oder beide Symbole unbe- stimmte Gebiete oder Klassen vorstellen sollten, wenn die Bedeutung dieser Symbole ganz oder teilweise offen gelassen wäre. Ebenso, wenn a irgend ein Gebiet vorstellt (desgleichen, wenn es ein beliebiges in einem be- stimmten b enthaltenes Gebiet vorstellte), muss die Proposition a ⋹ 1 als eine „allgemeine“ bezeichnet werden. Etc. Auf dem Felde der Arithmetik entsprechen unsern „speziellen“ Pro- positionen die „numerischen“ Gleichungen, welche nur mittelst Ziffern dar- gestellte individuelle Zahlen („numerische“ oder „ziffrige“, „digital numbers“) enthalten, oder in denen wenigstens, falls Buchstaben in ihnen auftreten sollten, diese, wie π = 3,14159 …, e = 2,71828 …, i = [FORMEL], schon eine konventionell feststehende Zahlenbedeutung haben. Unsern „all- gemeinen“ Propositionen dagegen entsprechen die „literalen“ oder Buch- staben-Gleichungen, welche auch Buchstaben als „unbestimmte“ oder „all- gemeine“ Zahlzeichen enthalten, Buchstaben, denen es uns noch freisteht verschiedene Zahlenwerte als Bedeutung unterzulegen. Solch leicht erkennbares äusserliches Unterscheidungsmerkmal, wie das Auftreten oder Nichtauftreten von Buchstaben in der Arithmetik es bil- dete, können wir jedoch im identischen Kalkul der Unterscheidung beider Klassen von Propositionen nicht zugrunde legen, weil wir hier auch die speziellen Gebiete oder Klassen stets mit Buchstaben darzustellen pflegen und darzustellen genötigt sind — die beiden Gebiete 0 und 1 ganz allein ausgenommen. Was dort (in der Arithmetik bei i, π, e) als Ausnahme mitanzuführen war, bildet hier (im identischen Kalkul) die Regel! Spezielle Propositionen erfreuen sich jeweils eines völlig bestimm- ten Sinnes, und darum ist eine spezielle Proposition immer entweder eine richtige oder eine falsche. Die oben angeführten waren Exempel von richtigen speziellen Propo- sitionen. Dagegen würden 1 ⋹ 0, 0 = 1, und bei der durch Figur 1 er- klärten Bedeutung von a und b die Subsumtion b ⋹ a, die Gleichung a b = b, etc. eine falsche spezielle Proposition exemplifiziren; ebenso die verbalen Urteile: „Die Mohren sind weiss“ sowie „Einige schwarze Krähen sind nicht-schwarz“, und andere mehr. Die (in unserm Sinne) „allgemeinen“ Propositionen können nicht so, wie die der vorigen Abteilung, die speziellen, ohne weiteres in richtige und falsche eingeteilt werden, weil sie keinen völlig fest- stehenden Sinn besitzen. Die Beantwortung der Frage, ob sie als richtig oder falsch erscheinen, wird vielmehr häufig davon abhängen, welche Bedeutungen, Werte oder Wertsysteme man den in ihnen vor- kommenden Buchstabensymbolen, für welche eine völlig bestimmte Be- deutung eben noch nicht ausgemacht ist (und die darum als „unbe-

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/456>, abgerufen am 30.04.2024.