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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

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Zweite Vorlesung.
ist, d. h. dass Verschwinden oder Nichtverschwinden von a und von a ; 1
einander gegenseitig bedingen.

Ebenso ist dann klar, dass a a ; 1 sein muss, und andres mehr
-- wie wir denn auch die Sätze des identischen Kalkuls für die Figuren
oder Punktsysteme, die unsre Relative geometrisch repräsentiren, schon in
Bd. 1 so als unmittelbar einleuchtende erkannten.

Wennschon sie (hier wie dort) beim Aufbau der Theorie nicht
wesentlich soll benutzt werden dürfen, ist die geometrische Evidenz
jedoch als ein bequemes und fruchtbares Mittel zur Entdeckung
von Sätzen nicht zu verachten; auch liefert sie höchst schätzbare
Kontrolen und erleichtert das Behalten mancher Sätze. Derselben
wird darum ganz besondre Aufmerksamkeit in der Theorie zu widmen
sein; ja die letztere wird eine Tendenz rechtfertigen, die Koeffizienten-
evidenz nach und nach in analytisch wohlbegründeter Weise durch die
geometrische Evidenz "ablösen" zu lassen.

Die dritte Art von Evidenz, die rhetorische, ist die im gewöhn-
lichen Denken wirksame
. Wir empfinden sie, werden ihrer gewahr,
sobald wir auf Relative von spezieller Natur, wie l = lover = Lie-
bender (von-), b = benefactor = Wohlthäter (von-), s = servant =
Dienender (von-) jene allgemeinen Relative, die als Buchstaben in unsern
Formeln auftreten, -- mit Peirce -- exemplifiziren.

Jedermann wird z. B. unmittelbar einleuchtend den Satz finden: Der
Liebende eines Wohlthäters
(von-), der zugleich ein Dienender ist (von je-
mand), ist Liebender eines Wohtthäters (von-) und zugleich auch Liebender
eines Dienenden
(von diesem jemand) -- wie ihn [blos etwas kürzer und
wenn man will auch allgemeiner] die Formel ausspricht:
l ; (bs) (l ; b)(l ; s).

Niemand wird sich sträuben, den Satz von genannten Relativen spe-
zieller Natur auch auf irgend welche andre sei es relative, sei es selbst
absolute Terme auszudehnen und darin ein Prinzip anzuerkennen, welches
unser gesamtes Denken als eine Selbstverständlichkeit beherrscht. Ist doch
auch das Bild eines verstorbenen Freundes gewisslich Bild eines Verstor-
benen und auch Bild eines Freundes, der Käufer eines teuern Pferdes zu-
gleich Käufer von etwas Teuerm und Käufer eines Pferdes, u. s. w.

Auch allgemein wird:
a ; (bc) (a ; b)(a ; c)
sein müssen.

Sobald man sich ein wenig mit dem Übersetzen aus der Zeichen-
sprache in die Wortsprache vertraut gemacht hat, lassen so in der
That die einfachern Formeln unsrer Theorie einen hohen Grad von
unmittelbarer Intuitivität nicht verkennen.


Zweite Vorlesung.
ist, d. h. dass Verschwinden oder Nichtverschwinden von a und von a ; 1
einander gegenseitig bedingen.

Ebenso ist dann klar, dass aa ; 1 sein muss, und andres mehr
— wie wir denn auch die Sätze des identischen Kalkuls für die Figuren
oder Punktsysteme, die unsre Relative geometrisch repräsentiren, schon in
Bd. 1 so als unmittelbar einleuchtende erkannten.

Wennschon sie (hier wie dort) beim Aufbau der Theorie nicht
wesentlich soll benutzt werden dürfen, ist die geometrische Evidenz
jedoch als ein bequemes und fruchtbares Mittel zur Entdeckung
von Sätzen nicht zu verachten; auch liefert sie höchst schätzbare
Kontrolen und erleichtert das Behalten mancher Sätze. Derselben
wird darum ganz besondre Aufmerksamkeit in der Theorie zu widmen
sein; ja die letztere wird eine Tendenz rechtfertigen, die Koeffizienten-
evidenz nach und nach in analytisch wohlbegründeter Weise durch die
geometrische Evidenz „ablösen“ zu lassen.

Die dritte Art von Evidenz, die rhetorische, ist die im gewöhn-
lichen Denken wirksame
. Wir empfinden sie, werden ihrer gewahr,
sobald wir auf Relative von spezieller Natur, wie l = lover = Lie-
bender (von-), b = benefactor = Wohlthäter (von-), s = servant =
Dienender (von-) jene allgemeinen Relative, die als Buchstaben in unsern
Formeln auftreten, — mit Peirce — exemplifiziren.

Jedermann wird z. B. unmittelbar einleuchtend den Satz finden: Der
Liebende eines Wohlthäters
(von-), der zugleich ein Dienender ist (von je-
mand), ist Liebender eines Wohtthäters (von-) und zugleich auch Liebender
eines Dienenden
(von diesem jemand) — wie ihn [blos etwas kürzer und
wenn man will auch allgemeiner] die Formel ausspricht:
l ; (bs) ⋹ (l ; b)(l ; s).

Niemand wird sich sträuben, den Satz von genannten Relativen spe-
zieller Natur auch auf irgend welche andre sei es relative, sei es selbst
absolute Terme auszudehnen und darin ein Prinzip anzuerkennen, welches
unser gesamtes Denken als eine Selbstverständlichkeit beherrscht. Ist doch
auch das Bild eines verstorbenen Freundes gewisslich Bild eines Verstor-
benen und auch Bild eines Freundes, der Käufer eines teuern Pferdes zu-
gleich Käufer von etwas Teuerm und Käufer eines Pferdes, u. s. w.

Auch allgemein wird:
a ; (bc) ⋹ (a ; b)(a ; c)
sein müssen.

Sobald man sich ein wenig mit dem Übersetzen aus der Zeichen-
sprache in die Wortsprache vertraut gemacht hat, lassen so in der
That die einfachern Formeln unsrer Theorie einen hohen Grad von
unmittelbarer Intuitivität nicht verkennen.


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[66/0080] Zweite Vorlesung. ist, d. h. dass Verschwinden oder Nichtverschwinden von a und von a ; 1 einander gegenseitig bedingen. Ebenso ist dann klar, dass a ⋹ a ; 1 sein muss, und andres mehr — wie wir denn auch die Sätze des identischen Kalkuls für die Figuren oder Punktsysteme, die unsre Relative geometrisch repräsentiren, schon in Bd. 1 so als unmittelbar einleuchtende erkannten. Wennschon sie (hier wie dort) beim Aufbau der Theorie nicht wesentlich soll benutzt werden dürfen, ist die geometrische Evidenz jedoch als ein bequemes und fruchtbares Mittel zur Entdeckung von Sätzen nicht zu verachten; auch liefert sie höchst schätzbare Kontrolen und erleichtert das Behalten mancher Sätze. Derselben wird darum ganz besondre Aufmerksamkeit in der Theorie zu widmen sein; ja die letztere wird eine Tendenz rechtfertigen, die Koeffizienten- evidenz nach und nach in analytisch wohlbegründeter Weise durch die geometrische Evidenz „ablösen“ zu lassen. Die dritte Art von Evidenz, die rhetorische, ist die im gewöhn- lichen Denken wirksame. Wir empfinden sie, werden ihrer gewahr, sobald wir auf Relative von spezieller Natur, wie l = lover = Lie- bender (von-), b = benefactor = Wohlthäter (von-), s = servant = Dienender (von-) jene allgemeinen Relative, die als Buchstaben in unsern Formeln auftreten, — mit Peirce — exemplifiziren. Jedermann wird z. B. unmittelbar einleuchtend den Satz finden: Der Liebende eines Wohlthäters (von-), der zugleich ein Dienender ist (von je- mand), ist Liebender eines Wohtthäters (von-) und zugleich auch Liebender eines Dienenden (von diesem jemand) — wie ihn [blos etwas kürzer und wenn man will auch allgemeiner] die Formel ausspricht: l ; (bs) ⋹ (l ; b)(l ; s). Niemand wird sich sträuben, den Satz von genannten Relativen spe- zieller Natur auch auf irgend welche andre sei es relative, sei es selbst absolute Terme auszudehnen und darin ein Prinzip anzuerkennen, welches unser gesamtes Denken als eine Selbstverständlichkeit beherrscht. Ist doch auch das Bild eines verstorbenen Freundes gewisslich Bild eines Verstor- benen und auch Bild eines Freundes, der Käufer eines teuern Pferdes zu- gleich Käufer von etwas Teuerm und Käufer eines Pferdes, u. s. w. Auch allgemein wird: a ; (bc) ⋹ (a ; b)(a ; c) sein müssen. Sobald man sich ein wenig mit dem Übersetzen aus der Zeichen- sprache in die Wortsprache vertraut gemacht hat, lassen so in der That die einfachern Formeln unsrer Theorie einen hohen Grad von unmittelbarer Intuitivität nicht verkennen.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/80>, abgerufen am 29.04.2024.