Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

fenbart, weil der ewige Geist, in welchem das Künf-
tige ist, wie das Vergangene, durch ihn sprach. Es
wurde von der ganzen älteren Zeit der Rede ein unmit-
telbarer Ursprung aus dem höheren Einfluß gegeben,
und fürwahr die Meynung; es habe die gesellschaftli-
che Noth dieselbe, aus einzeln aufgefaßten und ge-
stammleten Naturlauten erfunden, konnte nur in neue-
rer Zeit erdichtet werden. Hierin glich die Sprache
der Vorwelt dem Dichten, daß, wie es scheint, alle
Rede metrisch, in Versen ausgesprochen war, und die
älteste Sprache die wir kennen, die Sanscrit, ist nicht
etwa die unvollkommenste, wie nach der gemeinen An-
sicht zu vermuthen wäre, sondern gerade die vollkom-
menste, reichste, und doch einfältigste, die wohlklin-
gendste und rythmischste. *)

Es wird diese Ansicht der alten Zeit, welche die
erste Sprache aus unmittelbarer Offenbarung herleitet,
nur aus der ältesten Naturphilosophie verstanden. Nach
dieser sind und bestehen alle Wesen in jedem Augenblick
ihres Daseyns nur in und durch den höheren Einfluß,
welcher nur Einer, allen gemeinschaftlich ist. In den
Augenblicken wo sich das Daseyn der Dinge am höch-
sten entfaltet, ist es der Geist dieses höheren Einflusses,
welcher an ihnen offenbar wird, dieser ist das Licht in
der Flamme, in der Rede der Geist, in der Vermäh-
lung die Liebe. Es leuchtet diese Ansicht des Einen

*) M. s. Jones Werke.

fenbart, weil der ewige Geiſt, in welchem das Kuͤnf-
tige iſt, wie das Vergangene, durch ihn ſprach. Es
wurde von der ganzen aͤlteren Zeit der Rede ein unmit-
telbarer Urſprung aus dem hoͤheren Einfluß gegeben,
und fuͤrwahr die Meynung; es habe die geſellſchaftli-
che Noth dieſelbe, aus einzeln aufgefaßten und ge-
ſtammleten Naturlauten erfunden, konnte nur in neue-
rer Zeit erdichtet werden. Hierin glich die Sprache
der Vorwelt dem Dichten, daß, wie es ſcheint, alle
Rede metriſch, in Verſen ausgeſprochen war, und die
aͤlteſte Sprache die wir kennen, die Sanſcrit, iſt nicht
etwa die unvollkommenſte, wie nach der gemeinen An-
ſicht zu vermuthen waͤre, ſondern gerade die vollkom-
menſte, reichſte, und doch einfaͤltigſte, die wohlklin-
gendſte und rythmiſchſte. *)

Es wird dieſe Anſicht der alten Zeit, welche die
erſte Sprache aus unmittelbarer Offenbarung herleitet,
nur aus der aͤlteſten Naturphiloſophie verſtanden. Nach
dieſer ſind und beſtehen alle Weſen in jedem Augenblick
ihres Daſeyns nur in und durch den hoͤheren Einfluß,
welcher nur Einer, allen gemeinſchaftlich iſt. In den
Augenblicken wo ſich das Daſeyn der Dinge am hoͤch-
ſten entfaltet, iſt es der Geiſt dieſes hoͤheren Einfluſſes,
welcher an ihnen offenbar wird, dieſer iſt das Licht in
der Flamme, in der Rede der Geiſt, in der Vermaͤh-
lung die Liebe. Es leuchtet dieſe Anſicht des Einen

*) M. ſ. Jones Werke.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="60"/>
fenbart, weil der ewige Gei&#x017F;t, in welchem das Ku&#x0364;nf-<lb/>
tige i&#x017F;t, wie das Vergangene, durch ihn &#x017F;prach. Es<lb/>
wurde von der ganzen a&#x0364;lteren Zeit der Rede ein unmit-<lb/>
telbarer Ur&#x017F;prung aus dem ho&#x0364;heren Einfluß gegeben,<lb/>
und fu&#x0364;rwahr die Meynung; es habe die ge&#x017F;ell&#x017F;chaftli-<lb/>
che Noth die&#x017F;elbe, aus einzeln aufgefaßten und ge-<lb/>
&#x017F;tammleten Naturlauten erfunden, konnte nur in neue-<lb/>
rer Zeit erdichtet werden. Hierin glich die Sprache<lb/>
der Vorwelt dem Dichten, daß, wie es &#x017F;cheint, alle<lb/>
Rede metri&#x017F;ch, in Ver&#x017F;en ausge&#x017F;prochen war, und die<lb/>
a&#x0364;lte&#x017F;te Sprache die wir kennen, die San&#x017F;crit, i&#x017F;t nicht<lb/>
etwa die unvollkommen&#x017F;te, wie nach der gemeinen An-<lb/>
&#x017F;icht zu vermuthen wa&#x0364;re, &#x017F;ondern gerade die vollkom-<lb/>
men&#x017F;te, reich&#x017F;te, und doch einfa&#x0364;ltig&#x017F;te, die wohlklin-<lb/>
gend&#x017F;te und rythmi&#x017F;ch&#x017F;te. <note place="foot" n="*)">M. &#x017F;. Jones Werke.</note></p><lb/>
        <p>Es wird die&#x017F;e An&#x017F;icht der alten Zeit, welche die<lb/>
er&#x017F;te Sprache aus unmittelbarer Offenbarung herleitet,<lb/>
nur aus der a&#x0364;lte&#x017F;ten Naturphilo&#x017F;ophie ver&#x017F;tanden. Nach<lb/>
die&#x017F;er &#x017F;ind und be&#x017F;tehen alle We&#x017F;en in jedem Augenblick<lb/>
ihres Da&#x017F;eyns nur in und durch den ho&#x0364;heren Einfluß,<lb/>
welcher nur Einer, allen gemein&#x017F;chaftlich i&#x017F;t. In den<lb/>
Augenblicken wo &#x017F;ich das Da&#x017F;eyn der Dinge am ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten entfaltet, i&#x017F;t es der Gei&#x017F;t die&#x017F;es ho&#x0364;heren Einflu&#x017F;&#x017F;es,<lb/>
welcher an ihnen offenbar wird, die&#x017F;er i&#x017F;t das Licht in<lb/>
der Flamme, in der Rede der Gei&#x017F;t, in der Verma&#x0364;h-<lb/>
lung die Liebe. Es leuchtet die&#x017F;e An&#x017F;icht des Einen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0074] fenbart, weil der ewige Geiſt, in welchem das Kuͤnf- tige iſt, wie das Vergangene, durch ihn ſprach. Es wurde von der ganzen aͤlteren Zeit der Rede ein unmit- telbarer Urſprung aus dem hoͤheren Einfluß gegeben, und fuͤrwahr die Meynung; es habe die geſellſchaftli- che Noth dieſelbe, aus einzeln aufgefaßten und ge- ſtammleten Naturlauten erfunden, konnte nur in neue- rer Zeit erdichtet werden. Hierin glich die Sprache der Vorwelt dem Dichten, daß, wie es ſcheint, alle Rede metriſch, in Verſen ausgeſprochen war, und die aͤlteſte Sprache die wir kennen, die Sanſcrit, iſt nicht etwa die unvollkommenſte, wie nach der gemeinen An- ſicht zu vermuthen waͤre, ſondern gerade die vollkom- menſte, reichſte, und doch einfaͤltigſte, die wohlklin- gendſte und rythmiſchſte. *) Es wird dieſe Anſicht der alten Zeit, welche die erſte Sprache aus unmittelbarer Offenbarung herleitet, nur aus der aͤlteſten Naturphiloſophie verſtanden. Nach dieſer ſind und beſtehen alle Weſen in jedem Augenblick ihres Daſeyns nur in und durch den hoͤheren Einfluß, welcher nur Einer, allen gemeinſchaftlich iſt. In den Augenblicken wo ſich das Daſeyn der Dinge am hoͤch- ſten entfaltet, iſt es der Geiſt dieſes hoͤheren Einfluſſes, welcher an ihnen offenbar wird, dieſer iſt das Licht in der Flamme, in der Rede der Geiſt, in der Vermaͤh- lung die Liebe. Es leuchtet dieſe Anſicht des Einen *) M. ſ. Jones Werke.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/74
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/74>, abgerufen am 28.04.2024.