Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

sperren Sie Paganini oder Wieniawsky, oder wie die Kerle alle heißen, in ein Zimmer, in dem so und so viele Geigen an der Wand hängen, und verbieten Sie ihm bei Todesstrafe, darauf zu spielen. Ehe eine Woche vorüber ist, wird er die Todesstrafe vergessen haben und wird auf einer der Geigen spielen. Das ist nun einmal seine Natur!"

"Bah! - wenn es sich nicht um eigenes, sondern um fremdes Unglück handelt, dem man vorbeugen soll, kann man seine Natur Mores lehren," ereiferte sich der Freiherr, "man ist verpflichtet dazu, und ich kann's nicht begreifen, daß ihm solche Katastrophen wie die, um die es sich handelt, keinen tieferen Eindruck machen."

"Aber sie machen ihm ja einen tiefen Eindruck - einen sehr tiefen Eindruck. Jedesmal nach einer derartigen Katastrophe bekommt er ein Nervenfieber oder einen Anfall von Influenza oder irgend einen andern mit gastrischen Erscheinungen komplizierten Zustand. Nach ein paar Wochen, manchmal Monaten, ist er ganz gesund und hat die feste Überzeugung erlangt, daß er gar nichts dafür gekonnt hat. Und sagen Sie, was Sie wollen, bei alledem bleibt er rasend sympathisch."

"Ihnen vielleicht," schnaubte der Oberst, "bei mir hat er ausgespielt, total ausgespielt."

"Wollen's abwarten," lachte Bärenburg. "Sie

sperren Sie Paganini oder Wieniawsky, oder wie die Kerle alle heißen, in ein Zimmer, in dem so und so viele Geigen an der Wand hängen, und verbieten Sie ihm bei Todesstrafe, darauf zu spielen. Ehe eine Woche vorüber ist, wird er die Todesstrafe vergessen haben und wird auf einer der Geigen spielen. Das ist nun einmal seine Natur!“

„Bah! – wenn es sich nicht um eigenes, sondern um fremdes Unglück handelt, dem man vorbeugen soll, kann man seine Natur Mores lehren,“ ereiferte sich der Freiherr, „man ist verpflichtet dazu, und ich kann’s nicht begreifen, daß ihm solche Katastrophen wie die, um die es sich handelt, keinen tieferen Eindruck machen.“

„Aber sie machen ihm ja einen tiefen Eindruck – einen sehr tiefen Eindruck. Jedesmal nach einer derartigen Katastrophe bekommt er ein Nervenfieber oder einen Anfall von Influenza oder irgend einen andern mit gastrischen Erscheinungen komplizierten Zustand. Nach ein paar Wochen, manchmal Monaten, ist er ganz gesund und hat die feste Überzeugung erlangt, daß er gar nichts dafür gekonnt hat. Und sagen Sie, was Sie wollen, bei alledem bleibt er rasend sympathisch.“

„Ihnen vielleicht,“ schnaubte der Oberst, „bei mir hat er ausgespielt, total ausgespielt.“

„Wollen’s abwarten,“ lachte Bärenburg. „Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0137" n="136"/>
sperren Sie Paganini oder Wieniawsky, oder wie die Kerle alle heißen, in ein Zimmer, in dem so und so viele Geigen an der Wand hängen, und verbieten Sie ihm bei Todesstrafe, darauf zu spielen. Ehe eine Woche vorüber ist, wird er die Todesstrafe vergessen haben und wird auf einer der Geigen spielen. Das ist nun einmal seine Natur!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Bah! &#x2013; wenn es sich nicht um eigenes, sondern um fremdes Unglück handelt, dem man vorbeugen soll, kann man seine Natur Mores lehren,&#x201C; ereiferte sich der Freiherr, &#x201E;man ist verpflichtet dazu, und ich kann&#x2019;s nicht begreifen, daß ihm solche Katastrophen wie die, um die es sich handelt, keinen tieferen Eindruck machen.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Aber sie machen ihm ja einen tiefen Eindruck &#x2013; einen sehr tiefen Eindruck. Jedesmal nach einer derartigen Katastrophe bekommt er ein Nervenfieber oder einen Anfall von Influenza oder irgend einen andern mit gastrischen Erscheinungen komplizierten Zustand. Nach ein paar Wochen, manchmal Monaten, ist er ganz gesund und hat die feste Überzeugung erlangt, daß er gar nichts dafür gekonnt hat. Und sagen Sie, was Sie wollen, bei alledem bleibt er rasend sympathisch.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ihnen vielleicht,&#x201C; schnaubte der Oberst, &#x201E;bei mir hat er ausgespielt, total ausgespielt.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Wollen&#x2019;s abwarten,&#x201C; lachte Bärenburg. &#x201E;Sie
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0137] sperren Sie Paganini oder Wieniawsky, oder wie die Kerle alle heißen, in ein Zimmer, in dem so und so viele Geigen an der Wand hängen, und verbieten Sie ihm bei Todesstrafe, darauf zu spielen. Ehe eine Woche vorüber ist, wird er die Todesstrafe vergessen haben und wird auf einer der Geigen spielen. Das ist nun einmal seine Natur!“ „Bah! – wenn es sich nicht um eigenes, sondern um fremdes Unglück handelt, dem man vorbeugen soll, kann man seine Natur Mores lehren,“ ereiferte sich der Freiherr, „man ist verpflichtet dazu, und ich kann’s nicht begreifen, daß ihm solche Katastrophen wie die, um die es sich handelt, keinen tieferen Eindruck machen.“ „Aber sie machen ihm ja einen tiefen Eindruck – einen sehr tiefen Eindruck. Jedesmal nach einer derartigen Katastrophe bekommt er ein Nervenfieber oder einen Anfall von Influenza oder irgend einen andern mit gastrischen Erscheinungen komplizierten Zustand. Nach ein paar Wochen, manchmal Monaten, ist er ganz gesund und hat die feste Überzeugung erlangt, daß er gar nichts dafür gekonnt hat. Und sagen Sie, was Sie wollen, bei alledem bleibt er rasend sympathisch.“ „Ihnen vielleicht,“ schnaubte der Oberst, „bei mir hat er ausgespielt, total ausgespielt.“ „Wollen’s abwarten,“ lachte Bärenburg. „Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899/137
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899/137>, abgerufen am 06.05.2024.