Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Gina erbleichte sichtlich unter der dicken Schminke, rang mühsam nach Atem.

Immer müder lehnte sie in der Ecke eines der mit blaßgelbem Brokat überzogenen Empiresofas. Es fiel kaum eine Silbe von ihren Lippen.

"Gina, solltest du dich nicht niederlegen?" fragte die Gräfin Zell. "Wär's nicht besser, du schontest deine Kräfte für morgen?"

Aber Gina schüttelte nur den Kopf. "Gina, mein Liebling, vielleicht doch," flötete die Gräfin Swoyschin.

"Ach, uns folgt sie nicht, ich weiß, wie eigensinnig sie ist," erklärte nicht ohne Irritation die Gräfin Zell, der offenbar gar nicht darum zu thun war, daß die Hochzeit durch ein erneuertes Unwohlsein der Braut verschoben werden sollte. Sie hatte die beiden Ginoris wirklich lange genug genossen.

"Emma," wendete sie sich an diese, "trachte doch, Gina zu veranlassen, sich zurückzuziehen, sie hält sich kaum aufrecht."

Aber Emma sah nicht nach Gina hin. "Sie soll machen, was sie will," erklärte sie. Sie war bleich wie der Tod, aber sie rührte sich nicht.

Die Musik spielte und spielte. Den Komtessen zuckte es in den kleinen Füßen. Es waren dieselben Komtessen, die damals beisammen gewesen waren in jener Mainacht, in der Gina Ginori Zdenko Swoyschin um seinen Verstand betrogen hatte. Und

Gina erbleichte sichtlich unter der dicken Schminke, rang mühsam nach Atem.

Immer müder lehnte sie in der Ecke eines der mit blaßgelbem Brokat überzogenen Empiresofas. Es fiel kaum eine Silbe von ihren Lippen.

„Gina, solltest du dich nicht niederlegen?“ fragte die Gräfin Zell. „Wär’s nicht besser, du schontest deine Kräfte für morgen?“

Aber Gina schüttelte nur den Kopf. „Gina, mein Liebling, vielleicht doch,“ flötete die Gräfin Swoyschin.

„Ach, uns folgt sie nicht, ich weiß, wie eigensinnig sie ist,“ erklärte nicht ohne Irritation die Gräfin Zell, der offenbar gar nicht darum zu thun war, daß die Hochzeit durch ein erneuertes Unwohlsein der Braut verschoben werden sollte. Sie hatte die beiden Ginoris wirklich lange genug genossen.

„Emma,“ wendete sie sich an diese, „trachte doch, Gina zu veranlassen, sich zurückzuziehen, sie hält sich kaum aufrecht.“

Aber Emma sah nicht nach Gina hin. „Sie soll machen, was sie will,“ erklärte sie. Sie war bleich wie der Tod, aber sie rührte sich nicht.

Die Musik spielte und spielte. Den Komtessen zuckte es in den kleinen Füßen. Es waren dieselben Komtessen, die damals beisammen gewesen waren in jener Mainacht, in der Gina Ginori Zdenko Swoyschin um seinen Verstand betrogen hatte. Und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0121" n="121"/>
        <p>Gina erbleichte sichtlich unter der dicken Schminke, rang mühsam nach Atem.</p>
        <p>Immer müder lehnte sie in der Ecke eines der mit blaßgelbem Brokat überzogenen Empiresofas. Es fiel kaum eine Silbe von ihren Lippen.</p>
        <p>&#x201E;Gina, solltest du dich nicht niederlegen?&#x201C; fragte die Gräfin Zell. &#x201E;Wär&#x2019;s nicht besser, du schontest deine Kräfte für morgen?&#x201C;</p>
        <p>Aber Gina schüttelte nur den Kopf. &#x201E;Gina, mein Liebling, vielleicht doch,&#x201C; flötete die Gräfin Swoyschin.</p>
        <p>&#x201E;Ach, uns folgt sie nicht, ich weiß, wie eigensinnig sie ist,&#x201C; erklärte nicht ohne Irritation die Gräfin Zell, der offenbar gar nicht darum zu thun war, daß die Hochzeit durch ein erneuertes Unwohlsein der Braut verschoben werden sollte. Sie hatte die beiden Ginoris wirklich lange genug genossen.</p>
        <p>&#x201E;Emma,&#x201C; wendete sie sich an diese, &#x201E;trachte doch, Gina zu veranlassen, sich zurückzuziehen, sie hält sich kaum aufrecht.&#x201C;</p>
        <p>Aber Emma sah nicht nach Gina hin. &#x201E;Sie soll machen, was sie will,&#x201C; erklärte sie. Sie war bleich wie der Tod, aber sie rührte sich nicht.</p>
        <p>Die Musik spielte und spielte. Den Komtessen zuckte es in den kleinen Füßen. Es waren dieselben Komtessen, die damals beisammen gewesen waren in jener Mainacht, in der Gina Ginori Zdenko Swoyschin um seinen Verstand betrogen hatte. Und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0121] Gina erbleichte sichtlich unter der dicken Schminke, rang mühsam nach Atem. Immer müder lehnte sie in der Ecke eines der mit blaßgelbem Brokat überzogenen Empiresofas. Es fiel kaum eine Silbe von ihren Lippen. „Gina, solltest du dich nicht niederlegen?“ fragte die Gräfin Zell. „Wär’s nicht besser, du schontest deine Kräfte für morgen?“ Aber Gina schüttelte nur den Kopf. „Gina, mein Liebling, vielleicht doch,“ flötete die Gräfin Swoyschin. „Ach, uns folgt sie nicht, ich weiß, wie eigensinnig sie ist,“ erklärte nicht ohne Irritation die Gräfin Zell, der offenbar gar nicht darum zu thun war, daß die Hochzeit durch ein erneuertes Unwohlsein der Braut verschoben werden sollte. Sie hatte die beiden Ginoris wirklich lange genug genossen. „Emma,“ wendete sie sich an diese, „trachte doch, Gina zu veranlassen, sich zurückzuziehen, sie hält sich kaum aufrecht.“ Aber Emma sah nicht nach Gina hin. „Sie soll machen, was sie will,“ erklärte sie. Sie war bleich wie der Tod, aber sie rührte sich nicht. Die Musik spielte und spielte. Den Komtessen zuckte es in den kleinen Füßen. Es waren dieselben Komtessen, die damals beisammen gewesen waren in jener Mainacht, in der Gina Ginori Zdenko Swoyschin um seinen Verstand betrogen hatte. Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/121
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/121>, abgerufen am 04.05.2024.