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Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.

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in den Anfang des achtzehnten Jahrhunderts fallen, während die ursprüngliche Erbauung des Schlosses sehr viel weiter zurück zu suchen war. Auch die Terrasse und der Park mußten um dieselbe Zeit entstanden sein wie die Brücke, denn der Park war, wenngleich verwildert, im Lenotreschen Stil angelegt, und die an der Hauptfront des Schlosses gelegene Terrasse war ebenso wie die Brücke mit Rokokostatuen geschmückt, die auf der aus kleinen, dickbäuchigen Säulen bestehenden Balustrade in allen möglichen Stellungen kauerten und hockten, nur daß sie im Gegensatz zu den Standbildern auf der Brücke keine ausgewachsenen Menschen, keine Helden und Götter, sondern allerhand großköpfige Kobolde und Zwerge männlichen und weiblichen Geschlechts darstellten.

Es war Ende September und seit einer Woche der erste erträgliche Tag. Endlose Regengüsse hatten den Wallgraben gefüllt, ein schlammiger Hauch stieg aus ihm empor. Die von Feuchtigkeit dampfenden Wände des Schlosses zeigten eine trübselige, dunkelgraue Farbe, auf der Terrasse standen die Pfützen an den Stellen, wo im Laufe der Zeit Vertiefungen in die Quadern hineingetreten worden waren.

Heute schien die Sonne, und dort, wo ihre Strahlen hinfielen, war es warm. Aber das reichte nicht weit, die Schatten waren jetzt immer lang, selbst um die Mittagszeit, und wuchsen rasch in das

in den Anfang des achtzehnten Jahrhunderts fallen, während die ursprüngliche Erbauung des Schlosses sehr viel weiter zurück zu suchen war. Auch die Terrasse und der Park mußten um dieselbe Zeit entstanden sein wie die Brücke, denn der Park war, wenngleich verwildert, im Lenôtreschen Stil angelegt, und die an der Hauptfront des Schlosses gelegene Terrasse war ebenso wie die Brücke mit Rokokostatuen geschmückt, die auf der aus kleinen, dickbäuchigen Säulen bestehenden Balustrade in allen möglichen Stellungen kauerten und hockten, nur daß sie im Gegensatz zu den Standbildern auf der Brücke keine ausgewachsenen Menschen, keine Helden und Götter, sondern allerhand großköpfige Kobolde und Zwerge männlichen und weiblichen Geschlechts darstellten.

Es war Ende September und seit einer Woche der erste erträgliche Tag. Endlose Regengüsse hatten den Wallgraben gefüllt, ein schlammiger Hauch stieg aus ihm empor. Die von Feuchtigkeit dampfenden Wände des Schlosses zeigten eine trübselige, dunkelgraue Farbe, auf der Terrasse standen die Pfützen an den Stellen, wo im Laufe der Zeit Vertiefungen in die Quadern hineingetreten worden waren.

Heute schien die Sonne, und dort, wo ihre Strahlen hinfielen, war es warm. Aber das reichte nicht weit, die Schatten waren jetzt immer lang, selbst um die Mittagszeit, und wuchsen rasch in das

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in den Anfang des achtzehnten Jahrhunderts fallen, während die ursprüngliche Erbauung des Schlosses sehr viel weiter zurück zu suchen war. Auch die Terrasse und der Park mußten um dieselbe Zeit entstanden sein wie die Brücke, denn der Park war, wenngleich verwildert, im Lenôtreschen Stil angelegt, und die an der Hauptfront des Schlosses gelegene Terrasse war ebenso wie die Brücke mit Rokokostatuen geschmückt, die auf der aus kleinen, dickbäuchigen Säulen bestehenden Balustrade in allen möglichen Stellungen kauerten und hockten, nur daß sie im Gegensatz zu den Standbildern auf der Brücke keine ausgewachsenen Menschen, keine Helden und Götter, sondern allerhand großköpfige Kobolde und Zwerge männlichen und weiblichen Geschlechts darstellten.</p>
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[72/0072] in den Anfang des achtzehnten Jahrhunderts fallen, während die ursprüngliche Erbauung des Schlosses sehr viel weiter zurück zu suchen war. Auch die Terrasse und der Park mußten um dieselbe Zeit entstanden sein wie die Brücke, denn der Park war, wenngleich verwildert, im Lenôtreschen Stil angelegt, und die an der Hauptfront des Schlosses gelegene Terrasse war ebenso wie die Brücke mit Rokokostatuen geschmückt, die auf der aus kleinen, dickbäuchigen Säulen bestehenden Balustrade in allen möglichen Stellungen kauerten und hockten, nur daß sie im Gegensatz zu den Standbildern auf der Brücke keine ausgewachsenen Menschen, keine Helden und Götter, sondern allerhand großköpfige Kobolde und Zwerge männlichen und weiblichen Geschlechts darstellten. Es war Ende September und seit einer Woche der erste erträgliche Tag. Endlose Regengüsse hatten den Wallgraben gefüllt, ein schlammiger Hauch stieg aus ihm empor. Die von Feuchtigkeit dampfenden Wände des Schlosses zeigten eine trübselige, dunkelgraue Farbe, auf der Terrasse standen die Pfützen an den Stellen, wo im Laufe der Zeit Vertiefungen in die Quadern hineingetreten worden waren. Heute schien die Sonne, und dort, wo ihre Strahlen hinfielen, war es warm. Aber das reichte nicht weit, die Schatten waren jetzt immer lang, selbst um die Mittagszeit, und wuchsen rasch in das

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Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/72>, abgerufen am 30.04.2024.