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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Joseph trat zwischen sie und seinen Vater und sagte barsch:

Laßt sie, Vater -- Ihr erschreckt sie!

Nun, wenn sie so schreckhaft ist, meinetwegen; aber morgen muß sie mir einen Kuß geben!

Er ließ sich in einem Armsessel nieder, legte Hut und Stock auf den Tisch vor sich hin und plauderte weiter.

Laß mir Essen und Trinken holen, Joseph. Ich komme direct aus dem Cachot -- nun, was hast du?

Joseph stampfte auf den Boden -- daß der Alte nun gar noch dieses vermaledeite französische Wort gebrauchte, welches auch Christine verstand, der es ein lautes Oh! des Entsetzens auspreßte! Es war um aus der Haut zu fahren!

Dann, wenn ich mich gestärkt habe, will ich dir danken für das, was du an mir gethan, lieber Sohn. Der Kurfürst -- dieses blutige Ungeheuer von einem Tyrannen -- ließ mir sagen, als mir diesen Morgen die Freiheit angekündigt wurde: auf die Verwendung des Grafen Artois für Restitution der Domäne Windschrot an dich könne er nicht eingehen; um aber dem Grafen von Artois seine Gefälligkeit zu beweisen und besonders auch aus Egards gegen dich und die natürlichen Wünsche deines kindlichen Herzens, habe er in landesväterlicher Milde beschlossen, meine Untersuchungssache niederzuschlagen und mir die Freiheit zu schenken! Da hab' ich mich denn auf die Strümpfe gemacht --

Joseph trat zwischen sie und seinen Vater und sagte barsch:

Laßt sie, Vater — Ihr erschreckt sie!

Nun, wenn sie so schreckhaft ist, meinetwegen; aber morgen muß sie mir einen Kuß geben!

Er ließ sich in einem Armsessel nieder, legte Hut und Stock auf den Tisch vor sich hin und plauderte weiter.

Laß mir Essen und Trinken holen, Joseph. Ich komme direct aus dem Cachot — nun, was hast du?

Joseph stampfte auf den Boden — daß der Alte nun gar noch dieses vermaledeite französische Wort gebrauchte, welches auch Christine verstand, der es ein lautes Oh! des Entsetzens auspreßte! Es war um aus der Haut zu fahren!

Dann, wenn ich mich gestärkt habe, will ich dir danken für das, was du an mir gethan, lieber Sohn. Der Kurfürst — dieses blutige Ungeheuer von einem Tyrannen — ließ mir sagen, als mir diesen Morgen die Freiheit angekündigt wurde: auf die Verwendung des Grafen Artois für Restitution der Domäne Windschrot an dich könne er nicht eingehen; um aber dem Grafen von Artois seine Gefälligkeit zu beweisen und besonders auch aus Egards gegen dich und die natürlichen Wünsche deines kindlichen Herzens, habe er in landesväterlicher Milde beschlossen, meine Untersuchungssache niederzuschlagen und mir die Freiheit zu schenken! Da hab' ich mich denn auf die Strümpfe gemacht —

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[0106] Joseph trat zwischen sie und seinen Vater und sagte barsch: Laßt sie, Vater — Ihr erschreckt sie! Nun, wenn sie so schreckhaft ist, meinetwegen; aber morgen muß sie mir einen Kuß geben! Er ließ sich in einem Armsessel nieder, legte Hut und Stock auf den Tisch vor sich hin und plauderte weiter. Laß mir Essen und Trinken holen, Joseph. Ich komme direct aus dem Cachot — nun, was hast du? Joseph stampfte auf den Boden — daß der Alte nun gar noch dieses vermaledeite französische Wort gebrauchte, welches auch Christine verstand, der es ein lautes Oh! des Entsetzens auspreßte! Es war um aus der Haut zu fahren! Dann, wenn ich mich gestärkt habe, will ich dir danken für das, was du an mir gethan, lieber Sohn. Der Kurfürst — dieses blutige Ungeheuer von einem Tyrannen — ließ mir sagen, als mir diesen Morgen die Freiheit angekündigt wurde: auf die Verwendung des Grafen Artois für Restitution der Domäne Windschrot an dich könne er nicht eingehen; um aber dem Grafen von Artois seine Gefälligkeit zu beweisen und besonders auch aus Egards gegen dich und die natürlichen Wünsche deines kindlichen Herzens, habe er in landesväterlicher Milde beschlossen, meine Untersuchungssache niederzuschlagen und mir die Freiheit zu schenken! Da hab' ich mich denn auf die Strümpfe gemacht —

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/106>, abgerufen am 29.04.2024.