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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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stäubt, wie von langer Wanderung, helle Schweißtropfen auf der Stirn.

Herr im Himmel -- was ist das? -- Sie, gnädiger Herr -- Sie hier?

Nun ja -- ist das solch ein Wunder, daß ich in meinem eigenen Hause bin?

Gertrude athmete tief auf.

Verzeihen Sie, ich war nur so überrascht -- ich konnte es nicht denken -- ich bin so außer mir -- stellen Sie sich vor, das Fräulein ist fort, ganz fort -- Niemand weiß, wo sie ist.

Leonore -- meine Tochter?

Als sie so lange ausblieb, dachte ich, sie könne doch nicht ohne mich und ohne meine Hülfe sein, -- darum machte ich mich auf nach Schönbornslust -- und nun denken Sie sich meinen Schreck -- als ich ankomme, höre ich, sie ist fort, seit gestern Nachmittag -- auf einer Spazierfahrt hat sie die Emigranten verlassen, und Jeder glaubt, sie sei nach Hause zurückgekehrt -- die sind Alle ganz unbesorgt um sie -- aber ich meinte, ich sollte in den Boden sinken, als ich das hörte!

Erschrocken sprang der alte Baron in die Höhe und eilte zu Joseph zurück, um ihm die beunruhigende Nachricht mitzutheilen.

Da sieh, Junge, was du angerichtet hast, platzte er heraus -- das arme Geschöpf hat sich am Ende verirrt, oder aus Verzweiflung in die Mosel gestürzt! Gott steh' dir bei, wenn mein Argwohn sich bestätigt, wenn du eine In-

stäubt, wie von langer Wanderung, helle Schweißtropfen auf der Stirn.

Herr im Himmel — was ist das? — Sie, gnädiger Herr — Sie hier?

Nun ja — ist das solch ein Wunder, daß ich in meinem eigenen Hause bin?

Gertrude athmete tief auf.

Verzeihen Sie, ich war nur so überrascht — ich konnte es nicht denken — ich bin so außer mir — stellen Sie sich vor, das Fräulein ist fort, ganz fort — Niemand weiß, wo sie ist.

Leonore — meine Tochter?

Als sie so lange ausblieb, dachte ich, sie könne doch nicht ohne mich und ohne meine Hülfe sein, — darum machte ich mich auf nach Schönbornslust — und nun denken Sie sich meinen Schreck — als ich ankomme, höre ich, sie ist fort, seit gestern Nachmittag — auf einer Spazierfahrt hat sie die Emigranten verlassen, und Jeder glaubt, sie sei nach Hause zurückgekehrt — die sind Alle ganz unbesorgt um sie — aber ich meinte, ich sollte in den Boden sinken, als ich das hörte!

Erschrocken sprang der alte Baron in die Höhe und eilte zu Joseph zurück, um ihm die beunruhigende Nachricht mitzutheilen.

Da sieh, Junge, was du angerichtet hast, platzte er heraus — das arme Geschöpf hat sich am Ende verirrt, oder aus Verzweiflung in die Mosel gestürzt! Gott steh' dir bei, wenn mein Argwohn sich bestätigt, wenn du eine In-

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[0109] stäubt, wie von langer Wanderung, helle Schweißtropfen auf der Stirn. Herr im Himmel — was ist das? — Sie, gnädiger Herr — Sie hier? Nun ja — ist das solch ein Wunder, daß ich in meinem eigenen Hause bin? Gertrude athmete tief auf. Verzeihen Sie, ich war nur so überrascht — ich konnte es nicht denken — ich bin so außer mir — stellen Sie sich vor, das Fräulein ist fort, ganz fort — Niemand weiß, wo sie ist. Leonore — meine Tochter? Als sie so lange ausblieb, dachte ich, sie könne doch nicht ohne mich und ohne meine Hülfe sein, — darum machte ich mich auf nach Schönbornslust — und nun denken Sie sich meinen Schreck — als ich ankomme, höre ich, sie ist fort, seit gestern Nachmittag — auf einer Spazierfahrt hat sie die Emigranten verlassen, und Jeder glaubt, sie sei nach Hause zurückgekehrt — die sind Alle ganz unbesorgt um sie — aber ich meinte, ich sollte in den Boden sinken, als ich das hörte! Erschrocken sprang der alte Baron in die Höhe und eilte zu Joseph zurück, um ihm die beunruhigende Nachricht mitzutheilen. Da sieh, Junge, was du angerichtet hast, platzte er heraus — das arme Geschöpf hat sich am Ende verirrt, oder aus Verzweiflung in die Mosel gestürzt! Gott steh' dir bei, wenn mein Argwohn sich bestätigt, wenn du eine In-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/109>, abgerufen am 29.04.2024.