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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Er küßte ihre Hand, eine heiße Thräne fiel darauf; dann erhob er sich und ging.

Die Stunde war verflossen. Philibert betrat den Garten wieder. Leonore war nicht da. Als er forschend sich umschaute, sah er sie am Arme ihres Vaters den Weg daherkommen, der von Windschrot durch den Wald zum Forsthause heraufführte. Der alte Baron hatte es sich zu Nutze gemacht, daß sein Sohn die Behausung seiner Ahnen für die nächste Zeit in Miethe genommen: er wohnte in Windschrot und kam täglich um eine bestimmte Stunde, Leonoren zu besuchen. Diese war ihm jetzt entgegengegangen, er eilte rasch mit ihr heran und schon von Weitem rief er, mit einer so fröhlich lauten Stimme, als ob er alle Vögel des Waldes von ihren Zweigen aufschrecken wollte:

Sie sind ja ein ganz excellenter Mensch, Sie! Gott segne Sie, Wolfskron; ich willige mit allen Leibeskräften ein, ich gebe Euch meinen Segen zehntausendmal, meinen besten väterlichen Segen!

Nach diesen Worten umarmte er Philibert mit einer merkwürdigen Inbrunst und versicherte, er sei, so lange er denken könne, nicht so fröhlich gewesen, und jetzt solle ein Leben beginnen, wie bei den Engeln im Himmel!

Leonore stand blutroth vor Scham und Verlegenheit hinter dem alten Baron, während dieser so stürmisch seine rührende Freude an den Tag legte, einmal

Er küßte ihre Hand, eine heiße Thräne fiel darauf; dann erhob er sich und ging.

Die Stunde war verflossen. Philibert betrat den Garten wieder. Leonore war nicht da. Als er forschend sich umschaute, sah er sie am Arme ihres Vaters den Weg daherkommen, der von Windschrot durch den Wald zum Forsthause heraufführte. Der alte Baron hatte es sich zu Nutze gemacht, daß sein Sohn die Behausung seiner Ahnen für die nächste Zeit in Miethe genommen: er wohnte in Windschrot und kam täglich um eine bestimmte Stunde, Leonoren zu besuchen. Diese war ihm jetzt entgegengegangen, er eilte rasch mit ihr heran und schon von Weitem rief er, mit einer so fröhlich lauten Stimme, als ob er alle Vögel des Waldes von ihren Zweigen aufschrecken wollte:

Sie sind ja ein ganz excellenter Mensch, Sie! Gott segne Sie, Wolfskron; ich willige mit allen Leibeskräften ein, ich gebe Euch meinen Segen zehntausendmal, meinen besten väterlichen Segen!

Nach diesen Worten umarmte er Philibert mit einer merkwürdigen Inbrunst und versicherte, er sei, so lange er denken könne, nicht so fröhlich gewesen, und jetzt solle ein Leben beginnen, wie bei den Engeln im Himmel!

Leonore stand blutroth vor Scham und Verlegenheit hinter dem alten Baron, während dieser so stürmisch seine rührende Freude an den Tag legte, einmal

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[0124] Er küßte ihre Hand, eine heiße Thräne fiel darauf; dann erhob er sich und ging. Die Stunde war verflossen. Philibert betrat den Garten wieder. Leonore war nicht da. Als er forschend sich umschaute, sah er sie am Arme ihres Vaters den Weg daherkommen, der von Windschrot durch den Wald zum Forsthause heraufführte. Der alte Baron hatte es sich zu Nutze gemacht, daß sein Sohn die Behausung seiner Ahnen für die nächste Zeit in Miethe genommen: er wohnte in Windschrot und kam täglich um eine bestimmte Stunde, Leonoren zu besuchen. Diese war ihm jetzt entgegengegangen, er eilte rasch mit ihr heran und schon von Weitem rief er, mit einer so fröhlich lauten Stimme, als ob er alle Vögel des Waldes von ihren Zweigen aufschrecken wollte: Sie sind ja ein ganz excellenter Mensch, Sie! Gott segne Sie, Wolfskron; ich willige mit allen Leibeskräften ein, ich gebe Euch meinen Segen zehntausendmal, meinen besten väterlichen Segen! Nach diesen Worten umarmte er Philibert mit einer merkwürdigen Inbrunst und versicherte, er sei, so lange er denken könne, nicht so fröhlich gewesen, und jetzt solle ein Leben beginnen, wie bei den Engeln im Himmel! Leonore stand blutroth vor Scham und Verlegenheit hinter dem alten Baron, während dieser so stürmisch seine rührende Freude an den Tag legte, einmal

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/124>, abgerufen am 28.04.2024.