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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

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bestimmte Arbeit gethan ist; ja, er kann nicht
einmal ein armseliges, erspartes Sümmchen
besitzen, ohne die Besorgniß, sein Herr möchte
es ihm abfordern oder abborgen; er kann in
seinen Feyerstunden nichts durch seinen Fleiß
hervorbringen, worauf sein Herr nicht An-
sprüche machen könnte; er hat gegen Grau-
samkeiten nicht den mindesten Schutz, denn
sein Beleidiger ist zugleich sein Richter; und
ein muthwilliger Todtschlag, an ihm begangen,
bleibt, obwohl ein neueres Gesetz da ist, das
den Kopf dafür verlangt, ungestraft, weil zu
viel zum Beweise gehört, weil der Thäter da-
bei ertappt seyn muß, weil der öffentliche An-
kläger leicht bestochen wird, und weil die Rich-
ter selbst, da sie mit ihren Bauern in gleichem
Verhältnisse stehen, nur zu sehr geneigt sind,
ihn gleichmäßig zu behandeln, um ihre eigenen
Rechte über ihn nicht zu untergraben.

Jn diesen Zustand hat sich der Bauer
begeben, um sich das Leben zu erhalten, und
diesen Zweck hat er auch wirklich erreicht.

beſtimmte Arbeit gethan iſt; ja, er kann nicht
einmal ein armſeliges, erſpartes Suͤmmchen
beſitzen, ohne die Beſorgniß, ſein Herr moͤchte
es ihm abfordern oder abborgen; er kann in
ſeinen Feyerſtunden nichts durch ſeinen Fleiß
hervorbringen, worauf ſein Herr nicht An-
ſpruͤche machen koͤnnte; er hat gegen Grau-
ſamkeiten nicht den mindeſten Schutz, denn
ſein Beleidiger iſt zugleich ſein Richter; und
ein muthwilliger Todtſchlag, an ihm begangen,
bleibt, obwohl ein neueres Geſetz da iſt, das
den Kopf dafuͤr verlangt, ungeſtraft, weil zu
viel zum Beweiſe gehoͤrt, weil der Thaͤter da-
bei ertappt ſeyn muß, weil der oͤffentliche An-
klaͤger leicht beſtochen wird, und weil die Rich-
ter ſelbſt, da ſie mit ihren Bauern in gleichem
Verhaͤltniſſe ſtehen, nur zu ſehr geneigt ſind,
ihn gleichmaͤßig zu behandeln, um ihre eigenen
Rechte uͤber ihn nicht zu untergraben.

Jn dieſen Zuſtand hat ſich der Bauer
begeben, um ſich das Leben zu erhalten, und
dieſen Zweck hat er auch wirklich erreicht.

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[93/0103] beſtimmte Arbeit gethan iſt; ja, er kann nicht einmal ein armſeliges, erſpartes Suͤmmchen beſitzen, ohne die Beſorgniß, ſein Herr moͤchte es ihm abfordern oder abborgen; er kann in ſeinen Feyerſtunden nichts durch ſeinen Fleiß hervorbringen, worauf ſein Herr nicht An- ſpruͤche machen koͤnnte; er hat gegen Grau- ſamkeiten nicht den mindeſten Schutz, denn ſein Beleidiger iſt zugleich ſein Richter; und ein muthwilliger Todtſchlag, an ihm begangen, bleibt, obwohl ein neueres Geſetz da iſt, das den Kopf dafuͤr verlangt, ungeſtraft, weil zu viel zum Beweiſe gehoͤrt, weil der Thaͤter da- bei ertappt ſeyn muß, weil der oͤffentliche An- klaͤger leicht beſtochen wird, und weil die Rich- ter ſelbſt, da ſie mit ihren Bauern in gleichem Verhaͤltniſſe ſtehen, nur zu ſehr geneigt ſind, ihn gleichmaͤßig zu behandeln, um ihre eigenen Rechte uͤber ihn nicht zu untergraben. Jn dieſen Zuſtand hat ſich der Bauer begeben, um ſich das Leben zu erhalten, und dieſen Zweck hat er auch wirklich erreicht.

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/103>, abgerufen am 16.05.2024.