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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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Vorurtheile gegen diese Kunst noch nicht ganz
abgelegt hätten, und sich innerlich immer noch
ein wenig albern schämten, sich ihren Wir-
kungen unbefangen, frey und offen hinzugeben.

Mit Botzen hatte ich das Ziel meiner Reise
erreicht, und die Meilen hatten die bezweckte
Wirkung auf meine Gesundheit gethan. Ich
fühlte keines der Uebel mehr, die mich bey meiner
Abreise von Riga beunruhigten. Der Strom der
frischen Luft, und die Bewegung und Zerstreuung
hatten mich wiedergeboren. Das Botzener Thal,
worin ich mich befand, athmete schon die Luft
Italiens; es hielt mir das Bild der schönsten Ge-
genden dieses Landes vor, und fü[ll]te meine Brust
mit einer Sehnsucht, die den schwachen Wall, den
eine hypochondrische Angst vor Aerger, zwischen
mir und Hesperien aufgeworfen hatte, darnieder
riß. Neapel schien mir ein würdiger Ziel für eine
große Reise, und nach drey Tagen ging ich mit
einem Freunde, dessen Wille mein Wille ist,
wirklich dahin ab.



Vorurtheile gegen dieſe Kunſt noch nicht ganz
abgelegt haͤtten, und ſich innerlich immer noch
ein wenig albern ſchaͤmten, ſich ihren Wir-
kungen unbefangen, frey und offen hinzugeben.

Mit Botzen hatte ich das Ziel meiner Reiſe
erreicht, und die Meilen hatten die bezweckte
Wirkung auf meine Geſundheit gethan. Ich
fuͤhlte keines der Uebel mehr, die mich bey meiner
Abreiſe von Riga beunruhigten. Der Strom der
friſchen Luft, und die Bewegung und Zerſtreuung
hatten mich wiedergeboren. Das Botzener Thal,
worin ich mich befand, athmete ſchon die Luft
Italiens; es hielt mir das Bild der ſchoͤnſten Ge-
genden dieſes Landes vor, und fuͤ[ll]te meine Bruſt
mit einer Sehnſucht, die den ſchwachen Wall, den
eine hypochondriſche Angſt vor Aerger, zwiſchen
mir und Heſperien aufgeworfen hatte, darnieder
riß. Neapel ſchien mir ein wuͤrdiger Ziel fuͤr eine
große Reiſe, und nach drey Tagen ging ich mit
einem Freunde, deſſen Wille mein Wille iſt,
wirklich dahin ab.



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[306/0578] Vorurtheile gegen dieſe Kunſt noch nicht ganz abgelegt haͤtten, und ſich innerlich immer noch ein wenig albern ſchaͤmten, ſich ihren Wir- kungen unbefangen, frey und offen hinzugeben. Mit Botzen hatte ich das Ziel meiner Reiſe erreicht, und die Meilen hatten die bezweckte Wirkung auf meine Geſundheit gethan. Ich fuͤhlte keines der Uebel mehr, die mich bey meiner Abreiſe von Riga beunruhigten. Der Strom der friſchen Luft, und die Bewegung und Zerſtreuung hatten mich wiedergeboren. Das Botzener Thal, worin ich mich befand, athmete ſchon die Luft Italiens; es hielt mir das Bild der ſchoͤnſten Ge- genden dieſes Landes vor, und fuͤllte meine Bruſt mit einer Sehnſucht, die den ſchwachen Wall, den eine hypochondriſche Angſt vor Aerger, zwiſchen mir und Heſperien aufgeworfen hatte, darnieder riß. Neapel ſchien mir ein wuͤrdiger Ziel fuͤr eine große Reiſe, und nach drey Tagen ging ich mit einem Freunde, deſſen Wille mein Wille iſt, wirklich dahin ab.

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/578>, abgerufen am 27.04.2024.