Das Thier bäumte sich, streckte seine Vorderhufen in die Lüfte, schüttelte den Reiter ab, und deckte ihn fallend mit dem Rücken. Ein Schrei stieg aus den beiden Hee¬ ren gen Himmel. Aeneas aber flog herbei, riß das Schwert aus der Scheide, und rief höhnend: "Wo ist nun der wilde Mezentius, wohin hat sich der Trotzende verkrochen?" "Grausamer," seufzte der Gefallene vom Boden empor, "spottest du mein im Tode noch? sterb' ich doch den edeln Tod in der Schlacht! Nur um Eine Gunst bitte ich dich; gönne meinem Leib die Decke des Bodens; du weißest, daß mich wilder Haß alter Unter¬ thanen umringt: wehre ihre Wuth von mir ab, gönne mir Ein Grab mit meinem Kind!" So sprach er und reichte den Hals dem Schwerte des Feindes dar, sein Blut strömte auf die Rüstung und sein Leben war dahin.
Schwab, das klass. Alterthum. 26
Das Thier bäumte ſich, ſtreckte ſeine Vorderhufen in die Lüfte, ſchüttelte den Reiter ab, und deckte ihn fallend mit dem Rücken. Ein Schrei ſtieg aus den beiden Hee¬ ren gen Himmel. Aeneas aber flog herbei, riß das Schwert aus der Scheide, und rief höhnend: „Wo iſt nun der wilde Mezentius, wohin hat ſich der Trotzende verkrochen?“ „Grauſamer,“ ſeufzte der Gefallene vom Boden empor, „ſpotteſt du mein im Tode noch? ſterb' ich doch den edeln Tod in der Schlacht! Nur um Eine Gunſt bitte ich dich; gönne meinem Leib die Decke des Bodens; du weißeſt, daß mich wilder Haß alter Unter¬ thanen umringt: wehre ihre Wuth von mir ab, gönne mir Ein Grab mit meinem Kind!“ So ſprach er und reichte den Hals dem Schwerte des Feindes dar, ſein Blut ſtrömte auf die Rüſtung und ſein Leben war dahin.
Schwab, das klaſſ. Alterthum. 26
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Das Thier bäumte ſich, ſtreckte ſeine Vorderhufen in die
Lüfte, ſchüttelte den Reiter ab, und deckte ihn fallend
mit dem Rücken. Ein Schrei ſtieg aus den beiden Hee¬
ren gen Himmel. Aeneas aber flog herbei, riß das
Schwert aus der Scheide, und rief höhnend: „Wo iſt
nun der wilde Mezentius, wohin hat ſich der Trotzende
verkrochen?“ „Grauſamer,“ ſeufzte der Gefallene vom
Boden empor, „ſpotteſt du mein im Tode noch? ſterb'
ich doch den edeln Tod in der Schlacht! Nur um Eine
Gunſt bitte ich dich; gönne meinem Leib die Decke des
Bodens; du weißeſt, daß mich wilder Haß alter Unter¬
thanen umringt: wehre ihre Wuth von mir ab, gönne
mir Ein Grab mit meinem Kind!“ So ſprach er und
reichte den Hals dem Schwerte des Feindes dar, ſein
Blut ſtrömte auf die Rüſtung und ſein Leben war dahin.
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/423>, abgerufen am 07.05.2024.
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