Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Uebelstände der geburtshilflichen Klinik der k. k. Universi-
tät betreffen, dass z. B. durch die Sorglosigkeit der Oberheb-
amme N. N. nicht nur das Bettzeug der Wöchnerinnen selten
gewechselt, sondern sogar noch mit Blut besudeltes Bettzeug
verstorbener Wöchnerinnen den neuzugekommenen unterbrei-
tet wurde, in Folge dessen soll die Sterblichkeit zu Anfang
des heurigen Jahres einen so hohen Grad erreicht haben, dass
an einem Tage bis zu zehn Wöchnerinnen gestorben sind.

"Dieses Factum muss um so mehr auffallen, als im vori-
gen Jahre bei einer weit geringeren Sterblichkeit dieser Um-
stand sogleich vom Herrn Professor hieher zur Sprache ge-
bracht, und um eine reichere Dotirung mit Bettwäsche ange-
sucht wurde, welche auch sogleich in dem Masse bewilliget
worden ist, dass ein Vorrath von mehreren hundert Leintü-
chern über den Bedarf stets zur Verfügung steht. Auch wur-
den die Nachschaffungen an Bettfournituren und Leibwäsche
im ganzen Umfange, wie solche beantragt worden sind, wäh-
rend der Ferien passirt, so zwar, dass die Höhe der Anschaf-
fungskosten selbst dem hohen Ministerium für Cultus und Un-
terricht nicht entging.

"Der Herr k. k. Professor scheinen daher auch die Ueber-
zeugung mit den übrigen Personen, denen die Klinik zugän-
gig, zu theilen, dass es nicht mehr an dem Mangel an Wä-
sche, eben so wenig an der regelmässigen Ablieferung von
Seite der Wäscherin fehlte, sondern dass die unaufmerksame
und ungeregelte Handhabung des Wäschewechselns an den
vermehrten Krankheiten und Todesfällen die Schuld trage."

Hierauf erwiederte ich Folgendes: "Es ist allerdings
auch meine Ueberzeugung, so wie die der übrigen Personen,
denen die Klinik zugängig ist, dass die im Beginne des Schul-
jahres 1857/8 zu beobachtende grössere Sterblichkeit an der
hiesigen geburtshilflichen Klinik nicht mehr den Mangel an
Wäsche, noch der unregelmässigen Ablieferung derselben von
Seite der Wäscherin zuzuschreiben sei, sondern dass die un-
aufmerksame und ungeregelte Handhabung des Wäschewech-

Uebelstände der geburtshilflichen Klinik der k. k. Universi-
tät betreffen, dass z. B. durch die Sorglosigkeit der Oberheb-
amme N. N. nicht nur das Bettzeug der Wöchnerinnen selten
gewechselt, sondern sogar noch mit Blut besudeltes Bettzeug
verstorbener Wöchnerinnen den neuzugekommenen unterbrei-
tet wurde, in Folge dessen soll die Sterblichkeit zu Anfang
des heurigen Jahres einen so hohen Grad erreicht haben, dass
an einem Tage bis zu zehn Wöchnerinnen gestorben sind.

»Dieses Factum muss um so mehr auffallen, als im vori-
gen Jahre bei einer weit geringeren Sterblichkeit dieser Um-
stand sogleich vom Herrn Professor hieher zur Sprache ge-
bracht, und um eine reichere Dotirung mit Bettwäsche ange-
sucht wurde, welche auch sogleich in dem Masse bewilliget
worden ist, dass ein Vorrath von mehreren hundert Leintü-
chern über den Bedarf stets zur Verfügung steht. Auch wur-
den die Nachschaffungen an Bettfournituren und Leibwäsche
im ganzen Umfange, wie solche beantragt worden sind, wäh-
rend der Ferien passirt, so zwar, dass die Höhe der Anschaf-
fungskosten selbst dem hohen Ministerium für Cultus und Un-
terricht nicht entging.

»Der Herr k. k. Professor scheinen daher auch die Ueber-
zeugung mit den übrigen Personen, denen die Klinik zugän-
gig, zu theilen, dass es nicht mehr an dem Mangel an Wä-
sche, eben so wenig an der regelmässigen Ablieferung von
Seite der Wäscherin fehlte, sondern dass die unaufmerksame
und ungeregelte Handhabung des Wäschewechselns an den
vermehrten Krankheiten und Todesfällen die Schuld trage.«

Hierauf erwiederte ich Folgendes: »Es ist allerdings
auch meine Ueberzeugung, so wie die der übrigen Personen,
denen die Klinik zugängig ist, dass die im Beginne des Schul-
jahres 1857/8 zu beobachtende grössere Sterblichkeit an der
hiesigen geburtshilflichen Klinik nicht mehr den Mangel an
Wäsche, noch der unregelmässigen Ablieferung derselben von
Seite der Wäscherin zuzuschreiben sei, sondern dass die un-
aufmerksame und ungeregelte Handhabung des Wäschewech-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="96"/>
Uebelstände der geburtshilflichen Klinik der k. k. Universi-<lb/>
tät betreffen, dass z. B. durch die Sorglosigkeit der Oberheb-<lb/>
amme N. N. nicht nur das Bettzeug der Wöchnerinnen selten<lb/>
gewechselt, sondern sogar noch mit Blut besudeltes Bettzeug<lb/>
verstorbener Wöchnerinnen den neuzugekommenen unterbrei-<lb/>
tet wurde, in Folge dessen soll die Sterblichkeit zu Anfang<lb/>
des heurigen Jahres einen so hohen Grad erreicht haben, dass<lb/>
an einem Tage bis zu zehn Wöchnerinnen gestorben sind.</p><lb/>
        <p>»Dieses Factum muss um so mehr auffallen, als im vori-<lb/>
gen Jahre bei einer weit geringeren Sterblichkeit dieser Um-<lb/>
stand sogleich vom Herrn Professor hieher zur Sprache ge-<lb/>
bracht, und um eine reichere Dotirung mit Bettwäsche ange-<lb/>
sucht wurde, welche auch sogleich in dem Masse bewilliget<lb/>
worden ist, dass ein Vorrath von mehreren hundert Leintü-<lb/>
chern über den Bedarf stets zur Verfügung steht. Auch wur-<lb/>
den die Nachschaffungen an Bettfournituren und Leibwäsche<lb/>
im ganzen Umfange, wie solche beantragt worden sind, wäh-<lb/>
rend der Ferien passirt, so zwar, dass die Höhe der Anschaf-<lb/>
fungskosten selbst dem hohen Ministerium für Cultus und Un-<lb/>
terricht nicht entging.</p><lb/>
        <p>»Der Herr k. k. Professor scheinen daher auch die Ueber-<lb/>
zeugung mit den übrigen Personen, denen die Klinik zugän-<lb/>
gig, zu theilen, dass es nicht mehr an dem Mangel an Wä-<lb/>
sche, eben so wenig an der regelmässigen Ablieferung von<lb/>
Seite der Wäscherin fehlte, sondern dass die unaufmerksame<lb/>
und ungeregelte Handhabung des Wäschewechselns an den<lb/>
vermehrten Krankheiten und Todesfällen die Schuld trage.«</p><lb/>
        <p>Hierauf erwiederte ich Folgendes: »Es ist allerdings<lb/>
auch meine Ueberzeugung, so wie die der übrigen Personen,<lb/>
denen die Klinik zugängig ist, dass die im Beginne des Schul-<lb/>
jahres 1857/8 zu beobachtende grössere Sterblichkeit an der<lb/>
hiesigen geburtshilflichen Klinik nicht mehr den Mangel an<lb/>
Wäsche, noch der unregelmässigen Ablieferung derselben von<lb/>
Seite der Wäscherin zuzuschreiben sei, sondern dass die un-<lb/>
aufmerksame und ungeregelte Handhabung des Wäschewech-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0108] Uebelstände der geburtshilflichen Klinik der k. k. Universi- tät betreffen, dass z. B. durch die Sorglosigkeit der Oberheb- amme N. N. nicht nur das Bettzeug der Wöchnerinnen selten gewechselt, sondern sogar noch mit Blut besudeltes Bettzeug verstorbener Wöchnerinnen den neuzugekommenen unterbrei- tet wurde, in Folge dessen soll die Sterblichkeit zu Anfang des heurigen Jahres einen so hohen Grad erreicht haben, dass an einem Tage bis zu zehn Wöchnerinnen gestorben sind. »Dieses Factum muss um so mehr auffallen, als im vori- gen Jahre bei einer weit geringeren Sterblichkeit dieser Um- stand sogleich vom Herrn Professor hieher zur Sprache ge- bracht, und um eine reichere Dotirung mit Bettwäsche ange- sucht wurde, welche auch sogleich in dem Masse bewilliget worden ist, dass ein Vorrath von mehreren hundert Leintü- chern über den Bedarf stets zur Verfügung steht. Auch wur- den die Nachschaffungen an Bettfournituren und Leibwäsche im ganzen Umfange, wie solche beantragt worden sind, wäh- rend der Ferien passirt, so zwar, dass die Höhe der Anschaf- fungskosten selbst dem hohen Ministerium für Cultus und Un- terricht nicht entging. »Der Herr k. k. Professor scheinen daher auch die Ueber- zeugung mit den übrigen Personen, denen die Klinik zugän- gig, zu theilen, dass es nicht mehr an dem Mangel an Wä- sche, eben so wenig an der regelmässigen Ablieferung von Seite der Wäscherin fehlte, sondern dass die unaufmerksame und ungeregelte Handhabung des Wäschewechselns an den vermehrten Krankheiten und Todesfällen die Schuld trage.« Hierauf erwiederte ich Folgendes: »Es ist allerdings auch meine Ueberzeugung, so wie die der übrigen Personen, denen die Klinik zugängig ist, dass die im Beginne des Schul- jahres 1857/8 zu beobachtende grössere Sterblichkeit an der hiesigen geburtshilflichen Klinik nicht mehr den Mangel an Wäsche, noch der unregelmässigen Ablieferung derselben von Seite der Wäscherin zuzuschreiben sei, sondern dass die un- aufmerksame und ungeregelte Handhabung des Wäschewech-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/108
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/108>, abgerufen am 07.05.2024.