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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Die Hyperinose, die Hydrämie, die Plethora, die durch
den schwangeren Uterus veranlassten Störungen, Stauun-
gen und Stockungen der Circulation, die Inopexie, der
Geburtsact selbst, der durch die Entleerung des Uterus
aufgehobene Druck, die lange Dauer der Geburt, die Ver-
wundung der inneren Fläche des Uterus durch den Ge-
burtsact, die mangelhaften Contractionen und die fehler-
hafte Involution des Uterus im Wochenbette, die mangel-
hafte und aufgehobene Se- und Excretion der Lochien, die
Unterdrückung der Milchsecretion, todte Früchte, die In-
dividualität der Wöchnerinnen sind Ursachen, so viel oder so
wenig Einfluss man ihnen auch auf die Hervorbringung des
Kindbettfiebers zuschreiben mag, müssen auf beiden Abthei-
lungen entweder gleich schädlich oder unschädlich sein, und
können nicht zur Erklärung einer so auffallenden Differenz
in den Mortalitätsverhältnissen zweier Abtheilungen benützt
werden.

Nebst dem, dass ich für das Plus der Sterblichkeit an der
ersten geburtshilflichen Klinik keine Erklärung finden konnte,
trugen sich an der ersten geburtshilflichen Klinik noch an-
dere Dinge zu, für welche die Erklärung fehlte.

Alle Kreissenden, bei welchen die Eröffnungsperiode so
zögernd verlief, dass sie 24, 48 Stunden und darüber dauerte,
erkrankten beinahe ohne Ausnahme sämmtlich entweder schon
während der Dauer der Geburt, oder in den ersten 24 und 36
Stunden nach der Geburt und starben am rasch verlaufenden
Kindbettfieber. Ein eben so zögernder Verlauf der Eröffnungs-
periode an der zweiten Klinik war ungefährlich.

Da ein so zögernder Verlauf der Eröffnungsperiode in der
Regel nur bei Erstgebärenden vorkommt, so waren es in der
Regel Erstgebärende, welche auf diese Weise zu Grunde gin-
gen. Ich habe meine Schüler oft und oft aufmerksam gemacht,
dass dieses blühende, junge, vor Gesundheit strotzende Mäd-
chen, weil die Eröffnungsperiode bei ihr zögere, werde ent-
weder schon während der Geburt, oder kurz nach der Geburt

Die Hyperinose, die Hydrämie, die Plethora, die durch
den schwangeren Uterus veranlassten Störungen, Stauun-
gen und Stockungen der Circulation, die Inopexie, der
Geburtsact selbst, der durch die Entleerung des Uterus
aufgehobene Druck, die lange Dauer der Geburt, die Ver-
wundung der inneren Fläche des Uterus durch den Ge-
burtsact, die mangelhaften Contractionen und die fehler-
hafte Involution des Uterus im Wochenbette, die mangel-
hafte und aufgehobene Se- und Excretion der Lochien, die
Unterdrückung der Milchsecretion, todte Früchte, die In-
dividualität der Wöchnerinnen sind Ursachen, so viel oder so
wenig Einfluss man ihnen auch auf die Hervorbringung des
Kindbettfiebers zuschreiben mag, müssen auf beiden Abthei-
lungen entweder gleich schädlich oder unschädlich sein, und
können nicht zur Erklärung einer so auffallenden Differenz
in den Mortalitätsverhältnissen zweier Abtheilungen benützt
werden.

Nebst dem, dass ich für das Plus der Sterblichkeit an der
ersten geburtshilflichen Klinik keine Erklärung finden konnte,
trugen sich an der ersten geburtshilflichen Klinik noch an-
dere Dinge zu, für welche die Erklärung fehlte.

Alle Kreissenden, bei welchen die Eröffnungsperiode so
zögernd verlief, dass sie 24, 48 Stunden und darüber dauerte,
erkrankten beinahe ohne Ausnahme sämmtlich entweder schon
während der Dauer der Geburt, oder in den ersten 24 und 36
Stunden nach der Geburt und starben am rasch verlaufenden
Kindbettfieber. Ein eben so zögernder Verlauf der Eröffnungs-
periode an der zweiten Klinik war ungefährlich.

Da ein so zögernder Verlauf der Eröffnungsperiode in der
Regel nur bei Erstgebärenden vorkommt, so waren es in der
Regel Erstgebärende, welche auf diese Weise zu Grunde gin-
gen. Ich habe meine Schüler oft und oft aufmerksam gemacht,
dass dieses blühende, junge, vor Gesundheit strotzende Mäd-
chen, weil die Eröffnungsperiode bei ihr zögere, werde ent-
weder schon während der Geburt, oder kurz nach der Geburt

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[39/0051] Die Hyperinose, die Hydrämie, die Plethora, die durch den schwangeren Uterus veranlassten Störungen, Stauun- gen und Stockungen der Circulation, die Inopexie, der Geburtsact selbst, der durch die Entleerung des Uterus aufgehobene Druck, die lange Dauer der Geburt, die Ver- wundung der inneren Fläche des Uterus durch den Ge- burtsact, die mangelhaften Contractionen und die fehler- hafte Involution des Uterus im Wochenbette, die mangel- hafte und aufgehobene Se- und Excretion der Lochien, die Unterdrückung der Milchsecretion, todte Früchte, die In- dividualität der Wöchnerinnen sind Ursachen, so viel oder so wenig Einfluss man ihnen auch auf die Hervorbringung des Kindbettfiebers zuschreiben mag, müssen auf beiden Abthei- lungen entweder gleich schädlich oder unschädlich sein, und können nicht zur Erklärung einer so auffallenden Differenz in den Mortalitätsverhältnissen zweier Abtheilungen benützt werden. Nebst dem, dass ich für das Plus der Sterblichkeit an der ersten geburtshilflichen Klinik keine Erklärung finden konnte, trugen sich an der ersten geburtshilflichen Klinik noch an- dere Dinge zu, für welche die Erklärung fehlte. Alle Kreissenden, bei welchen die Eröffnungsperiode so zögernd verlief, dass sie 24, 48 Stunden und darüber dauerte, erkrankten beinahe ohne Ausnahme sämmtlich entweder schon während der Dauer der Geburt, oder in den ersten 24 und 36 Stunden nach der Geburt und starben am rasch verlaufenden Kindbettfieber. Ein eben so zögernder Verlauf der Eröffnungs- periode an der zweiten Klinik war ungefährlich. Da ein so zögernder Verlauf der Eröffnungsperiode in der Regel nur bei Erstgebärenden vorkommt, so waren es in der Regel Erstgebärende, welche auf diese Weise zu Grunde gin- gen. Ich habe meine Schüler oft und oft aufmerksam gemacht, dass dieses blühende, junge, vor Gesundheit strotzende Mäd- chen, weil die Eröffnungsperiode bei ihr zögere, werde ent- weder schon während der Geburt, oder kurz nach der Geburt

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/51>, abgerufen am 29.04.2024.