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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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det wurde. Meine Aussicht ist sehr schön nach dem
Hafen, und vielleicht ist es das nehmliche Zimmer, in
welchem das Unglück geschah. Die Geschichte ist
hier schon ziemlich vergessen.

Ich fand hier den Philologen Abraham Penzel,
der in Triest den Sprachmeister für die Italiäner
deutsch und für die Deutschen italiänisch macht. Die
Schicksale dieses sonderbaren Mannes würden eine
lehrreiche angenehme Unterhaltung gewähren, wenn
sie gut erzählt würden. Von Leipzig und Halle nach
Polen, von Polen nach Wien, von Wien nach Lay¬
bach, von Laybach nach Triest, und überall in genia¬
lischen Verbindungen. Der unglückliche Hang zum
Wein hat ihm manchen Streich gespielt und ihn zu¬
letzt genöthigt, seine Stelle in Laybach aufzugeben,
wo er Professor der Dichtkunst am Gymnasium war.
Er hat durch seine mannigfaltigen verflochtenen Schick¬
sale ein gewisses barockes Unterhaltungstalent gewon¬
nen, das den Mann nicht ohne Theilnahme lässt.
Per varios casus, per tot discrimina rerum tendimus
Tergestum
, sagte er mit vieler Drolerie, damit uns
hier, wie Winkelmann, der Teufel hole. Wir gin¬
gen zusammen aus, konnten aber Winkelmanns Grab
nicht finden. Niemand wusste etwas davon.

Das Haus eines Griechen, wenn ich mich nicht
irre ist sein Name Garciatti, ist das beste in der Stadt
und wirklich prächtig, ganz neu und in einem guten
Stil gebaut. Eine ganz eigene recht traurige Klage der
Triester ist über den Frieden. Mit christlicher Hu¬
manität bekümmern sie sich um die übrige Welt und
ihre Drangsale kein Jota und wünschen nur, dass ih¬

det wurde. Meine Aussicht ist sehr schön nach dem
Hafen, und vielleicht ist es das nehmliche Zimmer, in
welchem das Unglück geschah. Die Geschichte ist
hier schon ziemlich vergessen.

Ich fand hier den Philologen Abraham Penzel,
der in Triest den Sprachmeister für die Italiäner
deutsch und für die Deutschen italiänisch macht. Die
Schicksale dieses sonderbaren Mannes würden eine
lehrreiche angenehme Unterhaltung gewähren, wenn
sie gut erzählt würden. Von Leipzig und Halle nach
Polen, von Polen nach Wien, von Wien nach Lay¬
bach, von Laybach nach Triest, und überall in genia¬
lischen Verbindungen. Der unglückliche Hang zum
Wein hat ihm manchen Streich gespielt und ihn zu¬
letzt genöthigt, seine Stelle in Laybach aufzugeben,
wo er Professor der Dichtkunst am Gymnasium war.
Er hat durch seine mannigfaltigen verflochtenen Schick¬
sale ein gewisses barockes Unterhaltungstalent gewon¬
nen, das den Mann nicht ohne Theilnahme läſst.
Per varios casus, per tot discrimina rerum tendimus
Tergestum
, sagte er mit vieler Drolerie, damit uns
hier, wie Winkelmann, der Teufel hole. Wir gin¬
gen zusammen aus, konnten aber Winkelmanns Grab
nicht finden. Niemand wuſste etwas davon.

Das Haus eines Griechen, wenn ich mich nicht
irre ist sein Name Garciatti, ist das beste in der Stadt
und wirklich prächtig, ganz neu und in einem guten
Stil gebaut. Eine ganz eigene recht traurige Klage der
Triester ist über den Frieden. Mit christlicher Hu¬
manität bekümmern sie sich um die übrige Welt und
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[82/0108] det wurde. Meine Aussicht ist sehr schön nach dem Hafen, und vielleicht ist es das nehmliche Zimmer, in welchem das Unglück geschah. Die Geschichte ist hier schon ziemlich vergessen. Ich fand hier den Philologen Abraham Penzel, der in Triest den Sprachmeister für die Italiäner deutsch und für die Deutschen italiänisch macht. Die Schicksale dieses sonderbaren Mannes würden eine lehrreiche angenehme Unterhaltung gewähren, wenn sie gut erzählt würden. Von Leipzig und Halle nach Polen, von Polen nach Wien, von Wien nach Lay¬ bach, von Laybach nach Triest, und überall in genia¬ lischen Verbindungen. Der unglückliche Hang zum Wein hat ihm manchen Streich gespielt und ihn zu¬ letzt genöthigt, seine Stelle in Laybach aufzugeben, wo er Professor der Dichtkunst am Gymnasium war. Er hat durch seine mannigfaltigen verflochtenen Schick¬ sale ein gewisses barockes Unterhaltungstalent gewon¬ nen, das den Mann nicht ohne Theilnahme läſst. Per varios casus, per tot discrimina rerum tendimus Tergestum, sagte er mit vieler Drolerie, damit uns hier, wie Winkelmann, der Teufel hole. Wir gin¬ gen zusammen aus, konnten aber Winkelmanns Grab nicht finden. Niemand wuſste etwas davon. Das Haus eines Griechen, wenn ich mich nicht irre ist sein Name Garciatti, ist das beste in der Stadt und wirklich prächtig, ganz neu und in einem guten Stil gebaut. Eine ganz eigene recht traurige Klage der Triester ist über den Frieden. Mit christlicher Hu¬ manität bekümmern sie sich um die übrige Welt und ihre Drangsale kein Jota und wünschen nur, daſs ih¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/108>, abgerufen am 27.04.2024.