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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881.

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emporstiegen und nach entsprechender Druckverminderung in
Dampfform übergingen, so kann dieser Uebergang niemals plötz-
lich sein, da der Druck sich nur langsam mit der abnehmenden
Tiefe vermindert und da das Wasser, um in Dampfform über-
zugehen, latente Wärme aufnehmen muss, wodurch dasselbe sowie
die umgebende Lava abgekühlt, also die Ursache der Dampf-
bildung so lange aufgehoben wird, bis die durch den entstan-
denen Dampf bewirkte Abkühlung durch Wärmezuleitung von
den entfernteren Lavatheilen ersetzt ist.

Noch eine andere scheinbare Möglichkeit der plötzlichen
Entwickelung einer überwiegenden Dampfspannung möge hier
erörtert werden. Bei sehr hoher Temperatur werden die Bestand-
theile des Wassers wie die anderer chemischen Verbindungen
bekanntlich dissociirt. Man könnte nun annehmen, dass im Magma
nicht Wasser, sondern die dissociirten Bestandtheile desselben,
also verdichtetes Knallgas enthalten wäre und dass dasselbe
wieder zu Wasser verbrennt, wenn die Temperatur durch Ver-
minderung der Drucksäule, und damit der Compression des
Magma, auf einen gewissen Grad herabgesunken wäre. Es ist
aber einmal im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass auch unter
dem gewaltigen Drucke, den die starre Erdkruste auf das Magma
ausübt, eine Dissociation des Wassers eintreten kann, da der
Druck die Verbindung der Gase zu dem dichteren Wasser be-
günstigt. Frühere Versuche haben mir gezeigt, dass bei einem
sehr hohen Drucke kaltes Knallgas explodirt und in Wasserdampf
verwandelt wird1). Wollte man aber auch annehmen, dass die

1) Ich stellte den Versuch folgendermassen an: Etwa 50 cm lange
Glasröhren von ca. 11/2 mm innerem und 4 bis 5 mm äusserem Durchmesser
wurden an einem Ende zugeschmolzen und zum grössten Theile mit ange-
säuertem Wasser gefüllt. In das offene Ende wurden dann 2 stark um-
sponnene Platindrähte von etwa 15 cm Länge gesteckt, das aufrecht
stehende Rohr an diesem Ende mit einer Papierhülle umgeben, welche mit
dem bekannten, aus Kolophonium und Wachs zusammengeschmolzenen
Mechaniker-Kitt vollgegossen wurde, nachdem die Luft im offenen Ende
des Rohres durch Erwärmung desselben etwas ausgedehnt war. Der Kitt
zog sich dann beim Erkalten einige Centimeter in das Rohr hinein und
bildete einen vollkommenen Verschluss desselben. Wurde nun das Rohr
in etwas schiefer Lage, so dass die Flüssigkeit die Platinadrähte vollständig
umgab, in einen Holzkasten gebracht, und dann eine galvanische Kette

emporstiegen und nach entsprechender Druckverminderung in
Dampfform übergingen, so kann dieser Uebergang niemals plötz-
lich sein, da der Druck sich nur langsam mit der abnehmenden
Tiefe vermindert und da das Wasser, um in Dampfform über-
zugehen, latente Wärme aufnehmen muss, wodurch dasselbe sowie
die umgebende Lava abgekühlt, also die Ursache der Dampf-
bildung so lange aufgehoben wird, bis die durch den entstan-
denen Dampf bewirkte Abkühlung durch Wärmezuleitung von
den entfernteren Lavatheilen ersetzt ist.

Noch eine andere scheinbare Möglichkeit der plötzlichen
Entwickelung einer überwiegenden Dampfspannung möge hier
erörtert werden. Bei sehr hoher Temperatur werden die Bestand-
theile des Wassers wie die anderer chemischen Verbindungen
bekanntlich dissociirt. Man könnte nun annehmen, dass im Magma
nicht Wasser, sondern die dissociirten Bestandtheile desselben,
also verdichtetes Knallgas enthalten wäre und dass dasselbe
wieder zu Wasser verbrennt, wenn die Temperatur durch Ver-
minderung der Drucksäule, und damit der Compression des
Magma, auf einen gewissen Grad herabgesunken wäre. Es ist
aber einmal im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass auch unter
dem gewaltigen Drucke, den die starre Erdkruste auf das Magma
ausübt, eine Dissociation des Wassers eintreten kann, da der
Druck die Verbindung der Gase zu dem dichteren Wasser be-
günstigt. Frühere Versuche haben mir gezeigt, dass bei einem
sehr hohen Drucke kaltes Knallgas explodirt und in Wasserdampf
verwandelt wird1). Wollte man aber auch annehmen, dass die

1) Ich stellte den Versuch folgendermassen an: Etwa 50 cm lange
Glasröhren von ca. 1½ mm innerem und 4 bis 5 mm äusserem Durchmesser
wurden an einem Ende zugeschmolzen und zum grössten Theile mit ange-
säuertem Wasser gefüllt. In das offene Ende wurden dann 2 stark um-
sponnene Platindrähte von etwa 15 cm Länge gesteckt, das aufrecht
stehende Rohr an diesem Ende mit einer Papierhülle umgeben, welche mit
dem bekannten, aus Kolophonium und Wachs zusammengeschmolzenen
Mechaniker-Kitt vollgegossen wurde, nachdem die Luft im offenen Ende
des Rohres durch Erwärmung desselben etwas ausgedehnt war. Der Kitt
zog sich dann beim Erkalten einige Centimeter in das Rohr hinein und
bildete einen vollkommenen Verschluss desselben. Wurde nun das Rohr
in etwas schiefer Lage, so dass die Flüssigkeit die Platinadrähte vollständig
umgab, in einen Holzkasten gebracht, und dann eine galvanische Kette
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[445/0467] emporstiegen und nach entsprechender Druckverminderung in Dampfform übergingen, so kann dieser Uebergang niemals plötz- lich sein, da der Druck sich nur langsam mit der abnehmenden Tiefe vermindert und da das Wasser, um in Dampfform über- zugehen, latente Wärme aufnehmen muss, wodurch dasselbe sowie die umgebende Lava abgekühlt, also die Ursache der Dampf- bildung so lange aufgehoben wird, bis die durch den entstan- denen Dampf bewirkte Abkühlung durch Wärmezuleitung von den entfernteren Lavatheilen ersetzt ist. Noch eine andere scheinbare Möglichkeit der plötzlichen Entwickelung einer überwiegenden Dampfspannung möge hier erörtert werden. Bei sehr hoher Temperatur werden die Bestand- theile des Wassers wie die anderer chemischen Verbindungen bekanntlich dissociirt. Man könnte nun annehmen, dass im Magma nicht Wasser, sondern die dissociirten Bestandtheile desselben, also verdichtetes Knallgas enthalten wäre und dass dasselbe wieder zu Wasser verbrennt, wenn die Temperatur durch Ver- minderung der Drucksäule, und damit der Compression des Magma, auf einen gewissen Grad herabgesunken wäre. Es ist aber einmal im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass auch unter dem gewaltigen Drucke, den die starre Erdkruste auf das Magma ausübt, eine Dissociation des Wassers eintreten kann, da der Druck die Verbindung der Gase zu dem dichteren Wasser be- günstigt. Frühere Versuche haben mir gezeigt, dass bei einem sehr hohen Drucke kaltes Knallgas explodirt und in Wasserdampf verwandelt wird 1). Wollte man aber auch annehmen, dass die 1) Ich stellte den Versuch folgendermassen an: Etwa 50 cm lange Glasröhren von ca. 1½ mm innerem und 4 bis 5 mm äusserem Durchmesser wurden an einem Ende zugeschmolzen und zum grössten Theile mit ange- säuertem Wasser gefüllt. In das offene Ende wurden dann 2 stark um- sponnene Platindrähte von etwa 15 cm Länge gesteckt, das aufrecht stehende Rohr an diesem Ende mit einer Papierhülle umgeben, welche mit dem bekannten, aus Kolophonium und Wachs zusammengeschmolzenen Mechaniker-Kitt vollgegossen wurde, nachdem die Luft im offenen Ende des Rohres durch Erwärmung desselben etwas ausgedehnt war. Der Kitt zog sich dann beim Erkalten einige Centimeter in das Rohr hinein und bildete einen vollkommenen Verschluss desselben. Wurde nun das Rohr in etwas schiefer Lage, so dass die Flüssigkeit die Platinadrähte vollständig umgab, in einen Holzkasten gebracht, und dann eine galvanische Kette

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Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/467>, abgerufen am 29.04.2024.