Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
alle Stege, Flüsse und Wege seit seinen 40 jährigen Rei-
sen in diesen Gebirgen auf das genaueste inne hatte,
diente mir zum Wegweiser. Von ihm lernte ich größ-
tentheils alle Arten, wie das sibirische Wild gefangen
wird, wovon ich weiter unten reden werde.

Ob schon die Thäler noch voller Eiß waren, so
blühete doch schon an erhabnen Orten Rheum undu-
latum Pall.
das hin und wieder anfing sich zu zeigen.
Ein Flüßchen Gornokowa, bey welchem wir auf einer
angenehmen Wiese mittagten, hat seinen Namen von
einem der ersten Russen, die in diesen Wildnissen gejagt
haben. Da er schon über 80 Jahre todt ist, so ist nur
bloß sein Name noch übrig. Er begab sich freywillig
hieher, und lebte von dem, was er an Wildpret erlegte,
und zu gewissen Zeiten Felle und Rauchwerk verkaufte.
Solche Liebhaber giebt es noch jetzt sehr viele, nur mit
dem Unterschiede, daß sie nur in der besten und ergie-
bigsten Jagdzeit die Gebirge bewohnen, und die übrige
Zeit in ihren Dörfen zubringen. Daher traf ich wäh-
rend meinem Zuge auf Jagdhütten, allerley Arten von
Fallen und Anstalten, um das Wild zu fangen. Je
weiter wir den mehrerwähnten Fluß Kunalei aufwärts
zogen, je gefährlicher wurde das Durchreiten; seine
schnelle Strömung und die vielen schlüpfrigen mit Con-
ferven überzogenen abgerundeten Granitblöcke machten,
daß man bey jedesmaligem Uebersetzen, und dies geschah
wenigstens 4 bis 5 mal im Tage, wo nicht Abschied
von dieser Welt, aber doch von Armen und Beinen
nehmen mußte. Jndessen die hiesigen Pferde sind der-

gleichen
D 2

aus Sibirien.
alle Stege, Fluͤſſe und Wege ſeit ſeinen 40 jaͤhrigen Rei-
ſen in dieſen Gebirgen auf das genaueſte inne hatte,
diente mir zum Wegweiſer. Von ihm lernte ich groͤß-
tentheils alle Arten, wie das ſibiriſche Wild gefangen
wird, wovon ich weiter unten reden werde.

Ob ſchon die Thaͤler noch voller Eiß waren, ſo
bluͤhete doch ſchon an erhabnen Orten Rheum undu-
latum Pall.
das hin und wieder anfing ſich zu zeigen.
Ein Fluͤßchen Gornokowa, bey welchem wir auf einer
angenehmen Wieſe mittagten, hat ſeinen Namen von
einem der erſten Ruſſen, die in dieſen Wildniſſen gejagt
haben. Da er ſchon uͤber 80 Jahre todt iſt, ſo iſt nur
bloß ſein Name noch uͤbrig. Er begab ſich freywillig
hieher, und lebte von dem, was er an Wildpret erlegte,
und zu gewiſſen Zeiten Felle und Rauchwerk verkaufte.
Solche Liebhaber giebt es noch jetzt ſehr viele, nur mit
dem Unterſchiede, daß ſie nur in der beſten und ergie-
bigſten Jagdzeit die Gebirge bewohnen, und die uͤbrige
Zeit in ihren Doͤrfen zubringen. Daher traf ich waͤh-
rend meinem Zuge auf Jagdhuͤtten, allerley Arten von
Fallen und Anſtalten, um das Wild zu fangen. Je
weiter wir den mehrerwaͤhnten Fluß Kunalei aufwaͤrts
zogen, je gefaͤhrlicher wurde das Durchreiten; ſeine
ſchnelle Stroͤmung und die vielen ſchluͤpfrigen mit Con-
ferven uͤberzogenen abgerundeten Granitbloͤcke machten,
daß man bey jedesmaligem Ueberſetzen, und dies geſchah
wenigſtens 4 bis 5 mal im Tage, wo nicht Abſchied
von dieſer Welt, aber doch von Armen und Beinen
nehmen mußte. Jndeſſen die hieſigen Pferde ſind der-

gleichen
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0059" n="51"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
alle Stege, Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Wege &#x017F;eit &#x017F;einen 40 ja&#x0364;hrigen Rei-<lb/>
&#x017F;en in die&#x017F;en Gebirgen auf das genaue&#x017F;te inne hatte,<lb/>
diente mir zum Wegwei&#x017F;er. Von ihm lernte ich gro&#x0364;ß-<lb/>
tentheils alle Arten, wie das &#x017F;ibiri&#x017F;che Wild gefangen<lb/>
wird, wovon ich weiter unten reden werde.</p><lb/>
            <p>Ob &#x017F;chon die Tha&#x0364;ler noch voller Eiß waren, &#x017F;o<lb/>
blu&#x0364;hete doch &#x017F;chon an erhabnen Orten <hi rendition="#aq">Rheum undu-<lb/>
latum Pall.</hi> das hin und wieder anfing &#x017F;ich zu zeigen.<lb/>
Ein Flu&#x0364;ßchen <hi rendition="#fr">Gornokowa,</hi> bey welchem wir auf einer<lb/>
angenehmen Wie&#x017F;e mittagten, hat &#x017F;einen Namen von<lb/>
einem der er&#x017F;ten Ru&#x017F;&#x017F;en, die in die&#x017F;en Wildni&#x017F;&#x017F;en gejagt<lb/>
haben. Da er &#x017F;chon u&#x0364;ber 80 Jahre todt i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t nur<lb/>
bloß &#x017F;ein Name noch u&#x0364;brig. Er begab &#x017F;ich freywillig<lb/>
hieher, und lebte von dem, was er an Wildpret erlegte,<lb/>
und zu gewi&#x017F;&#x017F;en Zeiten Felle und Rauchwerk verkaufte.<lb/>
Solche Liebhaber giebt es noch jetzt &#x017F;ehr viele, nur mit<lb/>
dem Unter&#x017F;chiede, daß &#x017F;ie nur in der be&#x017F;ten und ergie-<lb/>
big&#x017F;ten Jagdzeit die Gebirge bewohnen, und die u&#x0364;brige<lb/>
Zeit in ihren Do&#x0364;rfen zubringen. Daher traf ich wa&#x0364;h-<lb/>
rend meinem Zuge auf Jagdhu&#x0364;tten, allerley Arten von<lb/>
Fallen und An&#x017F;talten, um das Wild zu fangen. Je<lb/>
weiter wir den mehrerwa&#x0364;hnten Fluß Kunalei aufwa&#x0364;rts<lb/>
zogen, je gefa&#x0364;hrlicher wurde das Durchreiten; &#x017F;eine<lb/>
&#x017F;chnelle Stro&#x0364;mung und die vielen &#x017F;chlu&#x0364;pfrigen mit Con-<lb/>
ferven u&#x0364;berzogenen abgerundeten Granitblo&#x0364;cke machten,<lb/>
daß man bey jedesmaligem Ueber&#x017F;etzen, und dies ge&#x017F;chah<lb/>
wenig&#x017F;tens 4 bis 5 mal im Tage, wo nicht Ab&#x017F;chied<lb/>
von die&#x017F;er Welt, aber doch von Armen und Beinen<lb/>
nehmen mußte. Jnde&#x017F;&#x017F;en die hie&#x017F;igen Pferde &#x017F;ind der-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gleichen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0059] aus Sibirien. alle Stege, Fluͤſſe und Wege ſeit ſeinen 40 jaͤhrigen Rei- ſen in dieſen Gebirgen auf das genaueſte inne hatte, diente mir zum Wegweiſer. Von ihm lernte ich groͤß- tentheils alle Arten, wie das ſibiriſche Wild gefangen wird, wovon ich weiter unten reden werde. Ob ſchon die Thaͤler noch voller Eiß waren, ſo bluͤhete doch ſchon an erhabnen Orten Rheum undu- latum Pall. das hin und wieder anfing ſich zu zeigen. Ein Fluͤßchen Gornokowa, bey welchem wir auf einer angenehmen Wieſe mittagten, hat ſeinen Namen von einem der erſten Ruſſen, die in dieſen Wildniſſen gejagt haben. Da er ſchon uͤber 80 Jahre todt iſt, ſo iſt nur bloß ſein Name noch uͤbrig. Er begab ſich freywillig hieher, und lebte von dem, was er an Wildpret erlegte, und zu gewiſſen Zeiten Felle und Rauchwerk verkaufte. Solche Liebhaber giebt es noch jetzt ſehr viele, nur mit dem Unterſchiede, daß ſie nur in der beſten und ergie- bigſten Jagdzeit die Gebirge bewohnen, und die uͤbrige Zeit in ihren Doͤrfen zubringen. Daher traf ich waͤh- rend meinem Zuge auf Jagdhuͤtten, allerley Arten von Fallen und Anſtalten, um das Wild zu fangen. Je weiter wir den mehrerwaͤhnten Fluß Kunalei aufwaͤrts zogen, je gefaͤhrlicher wurde das Durchreiten; ſeine ſchnelle Stroͤmung und die vielen ſchluͤpfrigen mit Con- ferven uͤberzogenen abgerundeten Granitbloͤcke machten, daß man bey jedesmaligem Ueberſetzen, und dies geſchah wenigſtens 4 bis 5 mal im Tage, wo nicht Abſchied von dieſer Welt, aber doch von Armen und Beinen nehmen mußte. Jndeſſen die hieſigen Pferde ſind der- gleichen D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/59
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/59>, abgerufen am 27.04.2024.