Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Johannis Angeli 202. Der Mensch ist groß für GOtt. Wie groß sind wir gesehn! die hohen Seraphim Verdekken sich für GOtt: wir dürffen bloß zu Jhm. 203. Man acht daß Ewge nicht. Ach weh! umb eitle Lust verschertzt man Gutt und Blutt: Und umb die Ewige fast niemand werben thut! 204. Der allerverliebste der Allerheiligste. Wer ist der heiligste? der mehr verliebet ist: Die Liebe machts das man für heilig wird erkiest. 205. Vom Gewissen. Ein gutt Gewissen ruht/ ein böses beist und billt: Jst wie ein Kettenhund/ der schwerlich wird gestillt. 206. Vom wissen. Viel wissen ist zwar fein: doch gibts nicht solche Lust/ Als jhm von Kindheit an nichts böses seyn bewust. 207. Deß Weisen Goldmachung. Der Weise machet Gold/ verändert Ertz und Stein/ Wann er die Tugend pflantzt/ und unß macht Eng- lisch seyn. 208. GOtt ist mein Himmelbrodt. Jch habe nichts so gern in meiuem Mund' als Gott: Er schmäkt mir wie ich wil: Er ist mein Himmelbrodt. 209. Du must geübet werden. Freund habe doch geduld: wer für dem HErrn sol stehn/ Der muß vor Viertzig Jahr in der Versuchung gehn. 210. Die Gliedmassen der Seele. Die Seel sieht mit Verstand/ geht mit begierden fort/ Mit Andacht redet sie/ kombt mit Verharrn an Port. 211. Daß
Johannis Angeli 202. Der Menſch iſt groß fuͤr GOtt. Wie groß ſind wir geſehn! die hohen Seraphim Verdekken ſich fuͤr GOtt: wir duͤrffen bloß zu Jhm. 203. Man acht daß Ewge nicht. Ach weh! umb eitle Luſt verſchertzt man Gutt und Blutt: Und umb die Ewige faſt niemand werben thut! 204. Der allerverliebſte der Allerheiligſte. Wer iſt der heiligſte? der mehr verliebet iſt: Die Liebe machts das man fuͤr heilig wird erkieſt. 205. Vom Gewiſſen. Ein gutt Gewiſſen ruht/ ein boͤſes beiſt und billt: Jſt wie ein Kettenhund/ der ſchwerlich wird geſtillt. 206. Vom wiſſen. Viel wiſſen iſt zwar fein: doch gibts nicht ſolche Luſt/ Als jhm von Kindheit an nichts boͤſes ſeyn bewuſt. 207. Deß Weiſen Goldmachung. Der Weiſe machet Gold/ veraͤndert Ertz und Stein/ Wann er die Tugend pflantzt/ und unß macht Eng- liſch ſeyn. 208. GOtt iſt mein Himmelbrodt. Jch habe nichts ſo gern in meiuem Mund’ als Gott: Er ſchmaͤkt mir wie ich wil: Er iſt mein Him̃elbrodt. 209. Du muſt geuͤbet werden. Freund habe doch geduld: wer fuͤr dem HErꝛn ſol ſtehn/ Der muß vor Viertzig Jahr in der Verſuchung gehn. 210. Die Gliedmaſſen der Seele. Die Seel ſieht mit Verſtand/ geht mit begierden fort/ Mit Andacht redet ſie/ kombt mit Verharꝛn an Port. 211. Daß
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Johannis Angeli
202. Der Menſch iſt groß fuͤr GOtt.
Wie groß ſind wir geſehn! die hohen Seraphim
Verdekken ſich fuͤr GOtt: wir duͤrffen bloß zu Jhm.
203. Man acht daß Ewge nicht.
Ach weh! umb eitle Luſt verſchertzt man Gutt und
Blutt:
Und umb die Ewige faſt niemand werben thut!
204. Der allerverliebſte der Allerheiligſte.
Wer iſt der heiligſte? der mehr verliebet iſt:
Die Liebe machts das man fuͤr heilig wird erkieſt.
205. Vom Gewiſſen.
Ein gutt Gewiſſen ruht/ ein boͤſes beiſt und billt:
Jſt wie ein Kettenhund/ der ſchwerlich wird geſtillt.
206. Vom wiſſen.
Viel wiſſen iſt zwar fein: doch gibts nicht ſolche Luſt/
Als jhm von Kindheit an nichts boͤſes ſeyn bewuſt.
207. Deß Weiſen Goldmachung.
Der Weiſe machet Gold/ veraͤndert Ertz und Stein/
Wann er die Tugend pflantzt/ und unß macht Eng-
liſch ſeyn.
208. GOtt iſt mein Himmelbrodt.
Jch habe nichts ſo gern in meiuem Mund’ als Gott:
Er ſchmaͤkt mir wie ich wil: Er iſt mein Him̃elbrodt.
209. Du muſt geuͤbet werden.
Freund habe doch geduld: wer fuͤr dem HErꝛn ſol
ſtehn/
Der muß vor Viertzig Jahr in der Verſuchung gehn.
210. Die Gliedmaſſen der Seele.
Die Seel ſieht mit Verſtand/ geht mit begierden fort/
Mit Andacht redet ſie/ kombt mit Verharꝛn an Port.
211. Daß
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Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 114[112]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/118>, abgerufen am 01.12.2023. |