Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Fünfftes Buch. 87. Eins ist daß beste Buch. Viel Bücher viel beschwehr: Wer eines recht gelesen/ (Jch meine JEsum Christ)/ ist ewiglich genesen. 88. Du must dich über setzen. Der Leib muß sich in Geist/ der Geist in Gott erheben/ Wo du in Jhm mein Mensch wilt ewig seelig leben. 89. Du must es hier erwerben. Hier muß es sein gethan: Jch bilde mir nicht ein/ Daß der kein Reich erwirbt/ dort wird ein König sein. 90. Nichts zeitlichs ist in Gott. Ein Augenblik ist kurtz: Noch kan ich kühnlich sagen/ Daß Gott so lange nicht gewest vor Zeit und Tagen. 91. Jn welchem Jahr die Welt er- schaffen. Da Gott die Welt erschuf/ waß schrieb man vor ein Jahr? Kein andres nicht alß daß seins Urstands erstes war. 92. GOtt sieht nichts zuvor. * Gott siehet nichts zuvor: Drumb leugstu wenn du jhn Mit der Vorsehung mißt nach deinem blöden Sinn. * Jn Gott ist kein vor oder darnach sehen? sondern Er siehet von Ewigkeit alles gegenwertig für jhm/ wie es geschiehet/ nicht wie es geschehen wirdt oder geschehen ist. 93. GOtt kan nicht zörnen. GOtt zörnet nie mit unß/ wir dichtens jhm nur an: Unmöglich ist es jhm daß er je zörnen kan. 94. GOtt ist nicht beweglich. Wer saget daß sich Gott vom Sünder abewendt/ Der giebet klar an Tag daß er Gott noch nicht kennt. Merke. Gott wendet sich nicht ab/ sondern der Sün- der wendt sich von Gott. 95. Waß
Fuͤnfftes Buch. 87. Eins iſt daß beſte Buch. Viel Buͤcher viel beſchwehr: Wer eines recht geleſen/ (Jch meine JEſum Chriſt)/ iſt ewiglich geneſen. 88. Du muſt dich uͤber ſetzen. Der Leib muß ſich in Geiſt/ der Geiſt in Gott erhebẽ/ Wo du in Jhm mein Menſch wilt ewig ſeelig leben. 89. Du muſt es hier erwerben. Hier muß es ſein gethan: Jch bilde mir nicht ein/ Daß der kein Reich erwirbt/ dort wird ein Koͤnig ſein. 90. Nichts zeitlichs iſt in Gott. Ein Augenblik iſt kurtz: Noch kan ich kuͤhnlich ſagen/ Daß Gott ſo lange nicht geweſt vor Zeit und Tagen. 91. Jn welchem Jahr die Welt er- ſchaffen. Da Gott die Welt erſchuf/ waß ſchrieb man vor ein Jahr? Kein andres nicht alß daß ſeins Urſtands erſtes war. 92. GOtt ſieht nichts zuvor. * Gott ſiehet nichts zuvor: Drumb leugſtu weñ du jhn Mit der Vorſehung mißt nach deinem bloͤden Sinn. * Jn Gott iſt kein vor oder darnach ſehen? ſondern Er ſiehet von Ewigkeit alles gegenwertig fuͤr jhm/ wie es geſchiehet/ nicht wie es geſchehen wirdt oder geſchehen iſt. 93. GOtt kan nicht zoͤrnen. GOtt zoͤrnet nie mit unß/ wir dichtens jhm nur an: Unmoͤglich iſt es jhm daß er je zoͤrnen kan. 94. GOtt iſt nicht beweglich. Wer ſaget daß ſich Gott vom Suͤnder abewendt/ Der giebet klar an Tag daß er Gott noch nicht kennt. Merke. Gott wendet ſich nicht ab/ ſondern der Suͤn- der wendt ſich von Gott. 95. Waß
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Fuͤnfftes Buch.
87. Eins iſt daß beſte Buch.
Viel Buͤcher viel beſchwehr: Wer eines recht geleſen/
(Jch meine JEſum Chriſt)/ iſt ewiglich geneſen.
88. Du muſt dich uͤber ſetzen.
Der Leib muß ſich in Geiſt/ der Geiſt in Gott erhebẽ/
Wo du in Jhm mein Menſch wilt ewig ſeelig leben.
89. Du muſt es hier erwerben.
Hier muß es ſein gethan: Jch bilde mir nicht ein/
Daß der kein Reich erwirbt/ dort wird ein Koͤnig
ſein.
90. Nichts zeitlichs iſt in Gott.
Ein Augenblik iſt kurtz: Noch kan ich kuͤhnlich ſagen/
Daß Gott ſo lange nicht geweſt vor Zeit und Tagen.
91. Jn welchem Jahr die Welt er-
ſchaffen.
Da Gott die Welt erſchuf/ waß ſchrieb man vor ein
Jahr?
Kein andres nicht alß daß ſeins Urſtands erſtes war.
92. GOtt ſieht nichts zuvor.
* Gott ſiehet nichts zuvor: Drumb leugſtu weñ du jhn
Mit der Vorſehung mißt nach deinem bloͤden Sinn.
* Jn Gott iſt kein vor oder darnach ſehen? ſondern
Er ſiehet von Ewigkeit alles gegenwertig fuͤr jhm/
wie es geſchiehet/ nicht wie es geſchehen wirdt oder
geſchehen iſt.
93. GOtt kan nicht zoͤrnen.
GOtt zoͤrnet nie mit unß/ wir dichtens jhm nur an:
Unmoͤglich iſt es jhm daß er je zoͤrnen kan.
94. GOtt iſt nicht beweglich.
Wer ſaget daß ſich Gott vom Suͤnder abewendt/
Der giebet klar an Tag daß er Gott noch nicht kennt.
Merke. Gott wendet ſich nicht ab/ ſondern der Suͤn-
der wendt ſich von Gott.
95. Waß
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Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 159[157]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/163>, abgerufen am 01.12.2023. |