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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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weilig Verführerischste dar; und alles dies ist von um so unheim-
licherer Gefährlichkeit, als das Geld, so lange es wirklich bloss als
Geld in unseren Händen ist, das indifferenteste und unschuldigste Ding
von der Welt ist. So wird es für asketische Empfindungsweisen das
richtige Symbol des Teufels, der uns in der Maske der Harmlosigkeit
und Unbefangenheit verführt; so dass dem Teufel wie dem Gelde
gegenüber die einzige Sicherung im absoluten Fernhalten liegt, in der
Ablehnung jeglicher Beziehung, wie ungefährlich sie auch scheine. In
der frühesten Gemeinde Buddhas ist dies zum prinzipiellen Ausdruck
gekommen. Der Mönch, der in die Gemeinde eintritt, giebt eben da-
mit seinen Besitz überhaupt auf, wie er seine Familienbeziehungen
und seine Gattin aufgiebt, und darf, gelegentliche Ausnahmen ab-
gerechnet, nichts weiteres als die kleinen Gegenstände des täglichen
Bedarfs besitzen, und auch diese eigentlich nur, wenn sie ihm als Al-
mosen zufliessen. Wie fundamental diese Bestimmung war, zeigt der
Name, mit dem sich die Mönche bezeichneten: die Gemeinde der
Bettler. Indem sie täglich erbettelten -- und nicht einmal durch aus-
gesprochene Bitten, sondern das Almosen stillschweigend erwartend --
was sie täglich bedurften, war die Bindung an jegliches Eigentum so-
weit gelöst, wie es überhaupt möglich war. Wie es bei gewissen ara-
bischen Nomadenstämmen durch Gesetz verboten war, Getreide zu
säen, ein Haus zu bauen und Ähnliches, damit keine Verführung zur
Sesshaftigkeit den Einzelnen den Lebensbedingungen des Stammes
untreu mache, so galt dasselbe in innerlicher Wendung von den bud-
dhistischen Mönchen. Sie, die sich den Vögeln vergleichen, die nichts
mit sich tragen, als die Flügel, wohin sie auch fliegen, dürfen kein
Ackerland, kein Vieh, keine Sklaven zum Geschenk nehmen. Am
strengsten ist nun dies Verbot in Bezug auf Gold und Silber. Der
Wohlthäter, der den Mönchen ein Geldgeschenk zugedacht hat, darf
es nicht ihnen geben, sondern einem Handwerker oder Händler, der
dann den Mönchen dafür die Naturalien liefert, die sie annehmen
dürfen. Hat aber dennoch ein Bruder Gold oder Silber angenommen,
so muss er vor der Gemeinde Busse thun und das Geld wird, wenn
ein gutgesonnener Laie in der Nähe ist, diesem zum Einkauf von
Lebensmitteln gegeben; selbst darf kein Mönch dies besorgen. Ist
aber keiner gleich zur Hand, so wird das Geld einem Mönch zum
Fortwerfen überliefert und zwar einem, "der frei ist von Begehren,
frei ist von Hass, frei von Verblendung" -- und der so die Garantie
giebt, dass er es auch wirklich wegwirft. Hier ist -- wenn auch mit
der eigentümlichen anämischen Gedämpftheit dieser gleichsam in einem
Gedanken erstarrten Seelen -- das Geld zu einem Gegenstand der

weilig Verführerischste dar; und alles dies ist von um so unheim-
licherer Gefährlichkeit, als das Geld, so lange es wirklich bloſs als
Geld in unseren Händen ist, das indifferenteste und unschuldigste Ding
von der Welt ist. So wird es für asketische Empfindungsweisen das
richtige Symbol des Teufels, der uns in der Maske der Harmlosigkeit
und Unbefangenheit verführt; so daſs dem Teufel wie dem Gelde
gegenüber die einzige Sicherung im absoluten Fernhalten liegt, in der
Ablehnung jeglicher Beziehung, wie ungefährlich sie auch scheine. In
der frühesten Gemeinde Buddhas ist dies zum prinzipiellen Ausdruck
gekommen. Der Mönch, der in die Gemeinde eintritt, giebt eben da-
mit seinen Besitz überhaupt auf, wie er seine Familienbeziehungen
und seine Gattin aufgiebt, und darf, gelegentliche Ausnahmen ab-
gerechnet, nichts weiteres als die kleinen Gegenstände des täglichen
Bedarfs besitzen, und auch diese eigentlich nur, wenn sie ihm als Al-
mosen zuflieſsen. Wie fundamental diese Bestimmung war, zeigt der
Name, mit dem sich die Mönche bezeichneten: die Gemeinde der
Bettler. Indem sie täglich erbettelten — und nicht einmal durch aus-
gesprochene Bitten, sondern das Almosen stillschweigend erwartend —
was sie täglich bedurften, war die Bindung an jegliches Eigentum so-
weit gelöst, wie es überhaupt möglich war. Wie es bei gewissen ara-
bischen Nomadenstämmen durch Gesetz verboten war, Getreide zu
säen, ein Haus zu bauen und Ähnliches, damit keine Verführung zur
Seſshaftigkeit den Einzelnen den Lebensbedingungen des Stammes
untreu mache, so galt dasselbe in innerlicher Wendung von den bud-
dhistischen Mönchen. Sie, die sich den Vögeln vergleichen, die nichts
mit sich tragen, als die Flügel, wohin sie auch fliegen, dürfen kein
Ackerland, kein Vieh, keine Sklaven zum Geschenk nehmen. Am
strengsten ist nun dies Verbot in Bezug auf Gold und Silber. Der
Wohlthäter, der den Mönchen ein Geldgeschenk zugedacht hat, darf
es nicht ihnen geben, sondern einem Handwerker oder Händler, der
dann den Mönchen dafür die Naturalien liefert, die sie annehmen
dürfen. Hat aber dennoch ein Bruder Gold oder Silber angenommen,
so muſs er vor der Gemeinde Buſse thun und das Geld wird, wenn
ein gutgesonnener Laie in der Nähe ist, diesem zum Einkauf von
Lebensmitteln gegeben; selbst darf kein Mönch dies besorgen. Ist
aber keiner gleich zur Hand, so wird das Geld einem Mönch zum
Fortwerfen überliefert und zwar einem, „der frei ist von Begehren,
frei ist von Haſs, frei von Verblendung“ — und der so die Garantie
giebt, daſs er es auch wirklich wegwirft. Hier ist — wenn auch mit
der eigentümlichen anämischen Gedämpftheit dieser gleichsam in einem
Gedanken erstarrten Seelen — das Geld zu einem Gegenstand der

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[244/0268] weilig Verführerischste dar; und alles dies ist von um so unheim- licherer Gefährlichkeit, als das Geld, so lange es wirklich bloſs als Geld in unseren Händen ist, das indifferenteste und unschuldigste Ding von der Welt ist. So wird es für asketische Empfindungsweisen das richtige Symbol des Teufels, der uns in der Maske der Harmlosigkeit und Unbefangenheit verführt; so daſs dem Teufel wie dem Gelde gegenüber die einzige Sicherung im absoluten Fernhalten liegt, in der Ablehnung jeglicher Beziehung, wie ungefährlich sie auch scheine. In der frühesten Gemeinde Buddhas ist dies zum prinzipiellen Ausdruck gekommen. Der Mönch, der in die Gemeinde eintritt, giebt eben da- mit seinen Besitz überhaupt auf, wie er seine Familienbeziehungen und seine Gattin aufgiebt, und darf, gelegentliche Ausnahmen ab- gerechnet, nichts weiteres als die kleinen Gegenstände des täglichen Bedarfs besitzen, und auch diese eigentlich nur, wenn sie ihm als Al- mosen zuflieſsen. Wie fundamental diese Bestimmung war, zeigt der Name, mit dem sich die Mönche bezeichneten: die Gemeinde der Bettler. Indem sie täglich erbettelten — und nicht einmal durch aus- gesprochene Bitten, sondern das Almosen stillschweigend erwartend — was sie täglich bedurften, war die Bindung an jegliches Eigentum so- weit gelöst, wie es überhaupt möglich war. Wie es bei gewissen ara- bischen Nomadenstämmen durch Gesetz verboten war, Getreide zu säen, ein Haus zu bauen und Ähnliches, damit keine Verführung zur Seſshaftigkeit den Einzelnen den Lebensbedingungen des Stammes untreu mache, so galt dasselbe in innerlicher Wendung von den bud- dhistischen Mönchen. Sie, die sich den Vögeln vergleichen, die nichts mit sich tragen, als die Flügel, wohin sie auch fliegen, dürfen kein Ackerland, kein Vieh, keine Sklaven zum Geschenk nehmen. Am strengsten ist nun dies Verbot in Bezug auf Gold und Silber. Der Wohlthäter, der den Mönchen ein Geldgeschenk zugedacht hat, darf es nicht ihnen geben, sondern einem Handwerker oder Händler, der dann den Mönchen dafür die Naturalien liefert, die sie annehmen dürfen. Hat aber dennoch ein Bruder Gold oder Silber angenommen, so muſs er vor der Gemeinde Buſse thun und das Geld wird, wenn ein gutgesonnener Laie in der Nähe ist, diesem zum Einkauf von Lebensmitteln gegeben; selbst darf kein Mönch dies besorgen. Ist aber keiner gleich zur Hand, so wird das Geld einem Mönch zum Fortwerfen überliefert und zwar einem, „der frei ist von Begehren, frei ist von Haſs, frei von Verblendung“ — und der so die Garantie giebt, daſs er es auch wirklich wegwirft. Hier ist — wenn auch mit der eigentümlichen anämischen Gedämpftheit dieser gleichsam in einem Gedanken erstarrten Seelen — das Geld zu einem Gegenstand der

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/268>, abgerufen am 14.05.2024.