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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. VI. SECT. XXII.
derseits bekantnüß/ bezeugung der reue und theure angelobung der besserung
zugelassen werden. Oder es wird von solchen geredet/ da starcker verdacht
gegen personen gehet/ und es nicht ohne scheinbare praesumtiones bleibet: in
solchem fall mag so wol der Prediger die obere insgemein zu auffsuchung und
abschaffung aller ärgernüß vermahnen/ als nach der sache bewandnüß dersel-
ben/ was zu verrichtung ihres amts nötig/ an die hand geben: Wo sie aber
die communion verlangen/ und ihres lasters nicht überzeuget sind/ hat ihnen
der Prediger ernstlich ins gewissen zu reden/ und sie von unwürdiger nissung
zu warnen: im fall sie aber gleichwol auff ihre unschuld beharren/ so stehet
ihm nicht zu/ durch versagung dessen/ worzu sonsten alle glieder der gemein-
de ein recht haben/ das urtheil über sie zusprechen.

Also auch was trunckenbold anlangt/ wirds schwer mit den leuten
zu handlen; dann sie werden 10. 20 mal auf zuspruch die zusage der besserung
widerholen/ hingegen bleibet sie allezeit aus. Jedoch stehets in des Predigers
macht nicht/ als lang sich der mensch/ wiederum busfertig erklähert/ ihm gar
abzuweisen; Wol aber die so offt gebrochene zusage beweglich vorzuhalten/
seine sorge/ daß es auff diesesmal nicht fester werde gehalten werden/ zu bezeu-
gen/ und daß er sich ja genug bedencken/ und nicht muthwillig göttl. gericht
ihm selbs über den hals ziehen solte/ fle hentl. und ernstl. zu warnen. Komts
aber dahin/ daß die hoffnung der besserung vollents gar dahin fället/ so ist die
sache billich im consistorio zu suchen/ und dessen entscheid zu begehren.

Wo nun in diesen schrancken verfahren wird/ läugne ich nicht/
daß nicht gleichwol das zarte gewissen eines Predigers manchmal darüber
doch noch seine schmertzen und ängsten fühlen werde/ ich hoffe aber/ es
solle auch dasselbige durch gebet/ fleißige erwegung dieser gantzen sache/
und zustands unsrer kirchen/ vermittels göttlicher gnade etwas beruhiget
werden.

Dahero wo besagtes alles recht reifflich erwogen wird/ hoffe
ich/ sollen die scrupel auch wegfallen/ oder doch ihre meiste krafft ver-

liehren.

ARTIC. VI. SECT. XXII.
derſeits bekantnuͤß/ bezeugung der reue und theure angelobung der beſſerung
zugelaſſen werden. Oder es wird von ſolchen geredet/ da ſtarcker verdacht
gegen perſonen gehet/ und es nicht ohne ſcheinbare præſumtiones bleibet: in
ſolchem fall mag ſo wol der Prediger die obere insgemein zu auffſuchung und
abſchaffung aller aͤrgernuͤß vermahnen/ als nach der ſache bewandnuͤß derſel-
ben/ was zu verrichtung ihres amts noͤtig/ an die hand geben: Wo ſie aber
die communion verlangen/ und ihres laſters nicht uͤberzeuget ſind/ hat ihnen
der Prediger ernſtlich ins gewiſſen zu reden/ und ſie von unwuͤrdiger niſſung
zu warnen: im fall ſie aber gleichwol auff ihre unſchuld beharren/ ſo ſtehet
ihm nicht zu/ durch verſagung deſſen/ worzu ſonſten alle glieder der gemein-
de ein recht haben/ das urtheil uͤber ſie zuſprechen.

Alſo auch was trunckenbold anlangt/ wirds ſchwer mit den leuten
zu handlen; dann ſie werden 10. 20 mal auf zuſpruch die zuſage der beſſerung
widerholen/ hingegen bleibet ſie allezeit aus. Jedoch ſtehets in des Predigers
macht nicht/ als lang ſich der menſch/ wiederum busfertig erklaͤhert/ ihm gar
abzuweiſen; Wol aber die ſo offt gebrochene zuſage beweglich vorzuhalten/
ſeine ſorge/ daß es auff dieſesmal nicht feſter werde gehalten werden/ zu bezeu-
gen/ und daß er ſich ja genug bedencken/ und nicht muthwillig goͤttl. gericht
ihm ſelbs uͤber den hals ziehen ſolte/ fle hentl. und ernſtl. zu warnen. Komts
aber dahin/ daß die hoffnung der beſſerung vollents gar dahin faͤllet/ ſo iſt die
ſache billich im conſiſtorio zu ſuchen/ und deſſen entſcheid zu begehren.

Wo nun in dieſen ſchrancken verfahren wird/ laͤugne ich nicht/
daß nicht gleichwol das zarte gewiſſen eines Predigers manchmal daruͤber
doch noch ſeine ſchmertzen und aͤngſten fuͤhlen werde/ ich hoffe aber/ es
ſolle auch daſſelbige durch gebet/ fleißige erwegung dieſer gantzen ſache/
und zuſtands unſrer kirchen/ vermittels goͤttlicher gnade etwas beruhiget
werden.

Dahero wo beſagtes alles recht reifflich erwogen wird/ hoffe
ich/ ſollen die ſcrupel auch wegfallen/ oder doch ihre meiſte krafft ver-

liehren.
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[263/1063] ARTIC. VI. SECT. XXII. derſeits bekantnuͤß/ bezeugung der reue und theure angelobung der beſſerung zugelaſſen werden. Oder es wird von ſolchen geredet/ da ſtarcker verdacht gegen perſonen gehet/ und es nicht ohne ſcheinbare præſumtiones bleibet: in ſolchem fall mag ſo wol der Prediger die obere insgemein zu auffſuchung und abſchaffung aller aͤrgernuͤß vermahnen/ als nach der ſache bewandnuͤß derſel- ben/ was zu verrichtung ihres amts noͤtig/ an die hand geben: Wo ſie aber die communion verlangen/ und ihres laſters nicht uͤberzeuget ſind/ hat ihnen der Prediger ernſtlich ins gewiſſen zu reden/ und ſie von unwuͤrdiger niſſung zu warnen: im fall ſie aber gleichwol auff ihre unſchuld beharren/ ſo ſtehet ihm nicht zu/ durch verſagung deſſen/ worzu ſonſten alle glieder der gemein- de ein recht haben/ das urtheil uͤber ſie zuſprechen. Alſo auch was trunckenbold anlangt/ wirds ſchwer mit den leuten zu handlen; dann ſie werden 10. 20 mal auf zuſpruch die zuſage der beſſerung widerholen/ hingegen bleibet ſie allezeit aus. Jedoch ſtehets in des Predigers macht nicht/ als lang ſich der menſch/ wiederum busfertig erklaͤhert/ ihm gar abzuweiſen; Wol aber die ſo offt gebrochene zuſage beweglich vorzuhalten/ ſeine ſorge/ daß es auff dieſesmal nicht feſter werde gehalten werden/ zu bezeu- gen/ und daß er ſich ja genug bedencken/ und nicht muthwillig goͤttl. gericht ihm ſelbs uͤber den hals ziehen ſolte/ fle hentl. und ernſtl. zu warnen. Komts aber dahin/ daß die hoffnung der beſſerung vollents gar dahin faͤllet/ ſo iſt die ſache billich im conſiſtorio zu ſuchen/ und deſſen entſcheid zu begehren. Wo nun in dieſen ſchrancken verfahren wird/ laͤugne ich nicht/ daß nicht gleichwol das zarte gewiſſen eines Predigers manchmal daruͤber doch noch ſeine ſchmertzen und aͤngſten fuͤhlen werde/ ich hoffe aber/ es ſolle auch daſſelbige durch gebet/ fleißige erwegung dieſer gantzen ſache/ und zuſtands unſrer kirchen/ vermittels goͤttlicher gnade etwas beruhiget werden. Dahero wo beſagtes alles recht reifflich erwogen wird/ hoffe ich/ ſollen die ſcrupel auch wegfallen/ oder doch ihre meiſte krafft ver- liehren.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1063>, abgerufen am 05.05.2024.