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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XVIII.
nen unter GOttes hand mit gedult demüthigen/ und diejenige nicht mehr für
die seinige erkennen/ welche sich selbs nun also von dem HErrn getrennet ha-
ben/ daß sie unter die zahl der seinigen nicht wiederum kommen. Jch beken-
ne/ es ist eine harte lection, und muß hierinnen der natur gleichsam gewalt
thun/ aber wie an jenem tage/ da wir das fleisch gantz abgeleget haben/ eltern
nicht mehr schwehr wird werden/ auch die ihrige von sich und GOTT ewig
geschieden zu sehen/ weil ihr wille nunmehr von dem göttlichen gantz durch-
drungen ist/ also will uns GOTT auch noch hier in der welt diese gnade thun/
daß wir in der krafft seines Geistes die natur überwinden/ und seiner gerech-
tigkeit diejenige/ welche wir geliebet/ wo es nicht mit freuden seyn kan/ dan-
noch mit gedult/ demuth und verleugnung unser selbs/ überlassen. Es ist die-
ses ein solcher todt unserer natur/ dadurch und daran sie nicht gern will; sich
aber auch wie in andern stücken von der weisen hand des Vaters/ so uns durch
manchen todt zum leben geführet/ führen lassen muß: in welcher schul ich mei-
ne geliebte Frau von GOTT lang bereits geübet zu seyn wol weiß/ und den-
selben hertzlich anruffe/ daß er sie in diesem und allem übrigen nach seinem rath
treulich leite/ und mit ehren annehme. Hiezu wird auch gehören/ da sie die-
jenige/ die von ihr entfernet/ und die meiste bande ziemlich zerrissen haben/
nicht selbs regieren kan/ sondern sie GOttes regierung mit hertzlichem gebet
lediglich überlassen muß: daß sie an den übrigen lieben ihrigen/ welche sie um
sich hat/ desto mehr treue erzeige/ und sie desto angelegenlicher und weißlicher
von aller welt-gemeinschafft zu dem HErrn führe. Ach der HErr segne auch
solchen fleiß/ und gebe ihren mütterlichen erinnerungen eine lebendige krafft
in die hertzen/ und schencke ihr/ (welches ich wol inniglich wünsche) auch derje-
nigen seelen/ welche sich fast muthwillig verderben haben wollen/ oder tröste
sie über diese so viel kräfftiger an den übrigen. Von mir wolle sie versichert
seyn/ daß nachdem ich zum zeugnüß einer danckbarkeit an ihr und ihrem hause
nichts zu thun vermag/ auffs wenigste nicht unterlassen werde/ wie oben be-
reits bezeuget/ ihre liebe person und anligen/ die ihrige insgesamt von dem
HErrn zu ihrer erhaltung zu erbitten/ dessen väterlichen güte vorzutragen.
Nun derselbe stärcke sie mit seinem Geist/ versichere sie in allem übrigen zu-
stande seiner gnade innerlich/ und erfreue ihre seele also/ daß nach dem ängstli-
chen ruffen auch freudiges dancken erfolge. Er weise ihr auch christliche freun-
de zu/ deren gottseliger zuspruch auch ihre seele ermuntere/ wozu meines orts
gern gelegenheit geben wolte. 1687.

SECTIO

ARTIC. II. SECTIO XVIII.
nen unter GOttes hand mit gedult demuͤthigen/ und diejenige nicht mehr fuͤr
die ſeinige erkennen/ welche ſich ſelbs nun alſo von dem HErrn getrennet ha-
ben/ daß ſie unter die zahl der ſeinigen nicht wiederum kommen. Jch beken-
ne/ es iſt eine harte lection, und muß hierinnen der natur gleichſam gewalt
thun/ aber wie an jenem tage/ da wir das fleiſch gantz abgeleget haben/ eltern
nicht mehr ſchwehr wird werden/ auch die ihrige von ſich und GOTT ewig
geſchieden zu ſehen/ weil ihr wille nunmehr von dem goͤttlichen gantz durch-
drungen iſt/ alſo will uns GOTT auch noch hier in der welt dieſe gnade thun/
daß wir in der krafft ſeines Geiſtes die natur uͤberwinden/ und ſeiner gerech-
tigkeit diejenige/ welche wir geliebet/ wo es nicht mit freuden ſeyn kan/ dan-
noch mit gedult/ demuth und verleugnung unſer ſelbs/ uͤberlaſſen. Es iſt die-
ſes ein ſolcher todt unſerer natur/ dadurch und daran ſie nicht gern will; ſich
aber auch wie in andern ſtuͤcken von der weiſen hand des Vaters/ ſo uns durch
manchen todt zum leben gefuͤhret/ fuͤhren laſſen muß: in welcher ſchul ich mei-
ne geliebte Frau von GOTT lang bereits geuͤbet zu ſeyn wol weiß/ und den-
ſelben hertzlich anruffe/ daß er ſie in dieſem und allem uͤbrigen nach ſeinem rath
treulich leite/ und mit ehren annehme. Hiezu wird auch gehoͤren/ da ſie die-
jenige/ die von ihr entfernet/ und die meiſte bande ziemlich zerriſſen haben/
nicht ſelbs regieren kan/ ſondern ſie GOttes regierung mit hertzlichem gebet
lediglich uͤberlaſſen muß: daß ſie an den uͤbrigen lieben ihrigen/ welche ſie um
ſich hat/ deſto mehr treue erzeige/ und ſie deſto angelegenlicher und weißlicher
von aller welt-gemeinſchafft zu dem HErrn fuͤhre. Ach der HErꝛ ſegne auch
ſolchen fleiß/ und gebe ihren muͤtterlichen erinnerungen eine lebendige krafft
in die hertzen/ und ſchencke ihr/ (welches ich wol inniglich wuͤnſche) auch derje-
nigen ſeelen/ welche ſich faſt muthwillig verderben haben wollen/ oder troͤſte
ſie uͤber dieſe ſo viel kraͤfftiger an den uͤbrigen. Von mir wolle ſie verſichert
ſeyn/ daß nachdem ich zum zeugnuͤß einer danckbarkeit an ihr und ihrem hauſe
nichts zu thun vermag/ auffs wenigſte nicht unterlaſſen werde/ wie oben be-
reits bezeuget/ ihre liebe perſon und anligen/ die ihrige insgeſamt von dem
HErrn zu ihrer erhaltung zu erbitten/ deſſen vaͤterlichen guͤte vorzutragen.
Nun derſelbe ſtaͤrcke ſie mit ſeinem Geiſt/ verſichere ſie in allem uͤbrigen zu-
ſtande ſeiner gnade innerlich/ und erfreue ihre ſeele alſo/ daß nach dem aͤngſtli-
chen ruffen auch freudiges dancken erfolge. Er weiſe ihr auch chriſtliche freun-
de zu/ deren gottſeliger zuſpruch auch ihre ſeele ermuntere/ wozu meines orts
gern gelegenheit geben wolte. 1687.

SECTIO
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[255/0263] ARTIC. II. SECTIO XVIII. nen unter GOttes hand mit gedult demuͤthigen/ und diejenige nicht mehr fuͤr die ſeinige erkennen/ welche ſich ſelbs nun alſo von dem HErrn getrennet ha- ben/ daß ſie unter die zahl der ſeinigen nicht wiederum kommen. Jch beken- ne/ es iſt eine harte lection, und muß hierinnen der natur gleichſam gewalt thun/ aber wie an jenem tage/ da wir das fleiſch gantz abgeleget haben/ eltern nicht mehr ſchwehr wird werden/ auch die ihrige von ſich und GOTT ewig geſchieden zu ſehen/ weil ihr wille nunmehr von dem goͤttlichen gantz durch- drungen iſt/ alſo will uns GOTT auch noch hier in der welt dieſe gnade thun/ daß wir in der krafft ſeines Geiſtes die natur uͤberwinden/ und ſeiner gerech- tigkeit diejenige/ welche wir geliebet/ wo es nicht mit freuden ſeyn kan/ dan- noch mit gedult/ demuth und verleugnung unſer ſelbs/ uͤberlaſſen. Es iſt die- ſes ein ſolcher todt unſerer natur/ dadurch und daran ſie nicht gern will; ſich aber auch wie in andern ſtuͤcken von der weiſen hand des Vaters/ ſo uns durch manchen todt zum leben gefuͤhret/ fuͤhren laſſen muß: in welcher ſchul ich mei- ne geliebte Frau von GOTT lang bereits geuͤbet zu ſeyn wol weiß/ und den- ſelben hertzlich anruffe/ daß er ſie in dieſem und allem uͤbrigen nach ſeinem rath treulich leite/ und mit ehren annehme. Hiezu wird auch gehoͤren/ da ſie die- jenige/ die von ihr entfernet/ und die meiſte bande ziemlich zerriſſen haben/ nicht ſelbs regieren kan/ ſondern ſie GOttes regierung mit hertzlichem gebet lediglich uͤberlaſſen muß: daß ſie an den uͤbrigen lieben ihrigen/ welche ſie um ſich hat/ deſto mehr treue erzeige/ und ſie deſto angelegenlicher und weißlicher von aller welt-gemeinſchafft zu dem HErrn fuͤhre. Ach der HErꝛ ſegne auch ſolchen fleiß/ und gebe ihren muͤtterlichen erinnerungen eine lebendige krafft in die hertzen/ und ſchencke ihr/ (welches ich wol inniglich wuͤnſche) auch derje- nigen ſeelen/ welche ſich faſt muthwillig verderben haben wollen/ oder troͤſte ſie uͤber dieſe ſo viel kraͤfftiger an den uͤbrigen. Von mir wolle ſie verſichert ſeyn/ daß nachdem ich zum zeugnuͤß einer danckbarkeit an ihr und ihrem hauſe nichts zu thun vermag/ auffs wenigſte nicht unterlaſſen werde/ wie oben be- reits bezeuget/ ihre liebe perſon und anligen/ die ihrige insgeſamt von dem HErrn zu ihrer erhaltung zu erbitten/ deſſen vaͤterlichen guͤte vorzutragen. Nun derſelbe ſtaͤrcke ſie mit ſeinem Geiſt/ verſichere ſie in allem uͤbrigen zu- ſtande ſeiner gnade innerlich/ und erfreue ihre ſeele alſo/ daß nach dem aͤngſtli- chen ruffen auch freudiges dancken erfolge. Er weiſe ihr auch chriſtliche freun- de zu/ deren gottſeliger zuſpruch auch ihre ſeele ermuntere/ wozu meines orts gern gelegenheit geben wolte. 1687. SECTIO

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/263>, abgerufen am 29.04.2024.