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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
wirckungen auch um die zeit bey uns gewahr werden können/ wenn die em-
pfindlichkeit am meisten noth leidet. Es bedarff aber nichts weiter hinzuzuse-
tzen/ nachdem ich weiß/ an eine person zu schreiben/ die von dem HErrn selbs
in unterschiedlicher seiner schul bißher mehr gelehret worden ist/ als ich zu
lehren vermöchte. Er walte noch ferner über dieselbe mit ewiger huld/ und
setze sie zum zeugnüß seiner herrlichen gnade: ja er heilige sie durch und durch/
und ihr geist gantz samt seel und leib müsse untadelich behalten werden biß
auff den tag JEsu Christi etc. 1687.

SECTIO XVII.
An einen Fürstlichen Minister, der über die zer-
streuung und hindernüß an dem geistlichen wegen seiner
vielen verrichtungen geklaget.

DEn eigenen zustand E. Exc. anlangend/ begreiffe ich leicht/ daß einer
seelen/ die nun was bessers geschmecket/ davon sie aber durch allzuvie-
le einflechtung in weitläufftige geschäfften mehr abgezogen wird/ sehr
beschwehrlich wird/ wo ihre verstreuungen vermehret/ und hingegen die gele-
genheit kräfftigen wachsthums gehindert wird: sie ergibet sich aber auch
willig in den gehorsam ihres GOttes und dessen regierung: verrichtet ihre
weltliche geschäffte so gut sie kan/ als stücke ihrer noch währenden dienstbar-
keit (wie die leibeigene knechte zu allen zeiten/ von denen Paulus fordert/ daß
sie mit gedult in ihrem beruff beharren 1. Cor. 7/ 21. biß ihnen GOtt frey zu
werden/ selbs eine thür öffnet) und richtet sie noch so viel als müglich ist zu ei-
nigem nutzen des nechsten: vermeidet die ihr gefährliche steine des anstosses/
in entziehung von unnöthiger gesellschafft/ als viel in ihrer macht stehet/ oder
wo sie an die gefahr muß/ wapnet sie sich desto stärcker mit gebet und hertzli-
chem vorsatz/ auch unter unschlachtigem geschlecht zu leuchten: und wo sie
endlich gewahr wird/ daß durch alle ihre arbeit wenig oder nichts gutes aus-
gerichtet worden/ demüthigt sie sich vor GOtt/ vor dem sie etwa nicht wür-
dig gewesen/ daß er viel durch sie ausgerichtet werden liesse/ auch sorget an
ihrem fleiß etwas ermangelt zu haben/ tröstet sich aber damit/ daß GOtt ih-
re treue und auffrichtigkeit ansehe/ und sich eines Davids guten vorsatz den
tempel zu bauen gefallen lasse/ ob wol die sache nicht zu wercke gerichtet wer-
den solle. Jch trage daher das gute vertrauen/ daß E. Exc. ihre seele in e-
ben solchemstand befinden/ aber sich auch damit auffrichten werde/ biß der
liebste Vater im himmel selbs seinen willen anders zeigen/ und da man in
dem frembden Luc. 16/ 12. sich treu erwiesen/ das eigene in so viel reicherer

maaß

Das fuͤnffte Capitel.
wirckungen auch um die zeit bey uns gewahr werden koͤnnen/ wenn die em-
pfindlichkeit am meiſten noth leidet. Es bedarff aber nichts weiter hinzuzuſe-
tzen/ nachdem ich weiß/ an eine perſon zu ſchreiben/ die von dem HErrn ſelbs
in unterſchiedlicher ſeiner ſchul bißher mehr gelehret worden iſt/ als ich zu
lehren vermoͤchte. Er walte noch ferner uͤber dieſelbe mit ewiger huld/ und
ſetze ſie zum zeugnuͤß ſeiner herrlichen gnade: ja er heilige ſie durch und durch/
und ihr geiſt gantz ſamt ſeel und leib muͤſſe untadelich behalten werden biß
auff den tag JEſu Chriſti ꝛc. 1687.

SECTIO XVII.
An einen Fuͤrſtlichen Miniſter, der uͤber die zer-
ſtreuung und hindernuͤß an dem geiſtlichen wegen ſeiner
vielen verrichtungen geklaget.

DEn eigenen zuſtand E. Exc. anlangend/ begreiffe ich leicht/ daß einer
ſeelen/ die nun was beſſers geſchmecket/ davon ſie aber durch allzuvie-
le einflechtung in weitlaͤufftige geſchaͤfften mehr abgezogen wird/ ſehr
beſchwehrlich wird/ wo ihre verſtreuungen vermehret/ und hingegen die gele-
genheit kraͤfftigen wachsthums gehindert wird: ſie ergibet ſich aber auch
willig in den gehorſam ihres GOttes und deſſen regierung: verrichtet ihre
weltliche geſchaͤffte ſo gut ſie kan/ als ſtuͤcke ihrer noch waͤhrenden dienſtbar-
keit (wie die leibeigene knechte zu allen zeiten/ von denen Paulus fordert/ daß
ſie mit gedult in ihrem beruff beharren 1. Cor. 7/ 21. biß ihnen GOtt frey zu
werden/ ſelbs eine thuͤr oͤffnet) und richtet ſie noch ſo viel als muͤglich iſt zu ei-
nigem nutzen des nechſten: vermeidet die ihr gefaͤhrliche ſteine des anſtoſſes/
in entziehung von unnoͤthiger geſellſchafft/ als viel in ihrer macht ſtehet/ oder
wo ſie an die gefahr muß/ wapnet ſie ſich deſto ſtaͤrcker mit gebet und hertzli-
chem vorſatz/ auch unter unſchlachtigem geſchlecht zu leuchten: und wo ſie
endlich gewahr wird/ daß durch alle ihre arbeit wenig oder nichts gutes aus-
gerichtet worden/ demuͤthigt ſie ſich vor GOtt/ vor dem ſie etwa nicht wuͤr-
dig geweſen/ daß er viel durch ſie ausgerichtet werden lieſſe/ auch ſorget an
ihrem fleiß etwas ermangelt zu haben/ troͤſtet ſich aber damit/ daß GOtt ih-
re treue und auffrichtigkeit anſehe/ und ſich eines Davids guten vorſatz den
tempel zu bauen gefallen laſſe/ ob wol die ſache nicht zu wercke gerichtet wer-
den ſolle. Jch trage daher das gute vertrauen/ daß E. Exc. ihre ſeele in e-
ben ſolchemſtand befinden/ aber ſich auch damit auffrichten werde/ biß der
liebſte Vater im himmel ſelbs ſeinen willen anders zeigen/ und da man in
dem frembden Luc. 16/ 12. ſich treu erwieſen/ das eigene in ſo viel reicherer

maaß
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[772/0780] Das fuͤnffte Capitel. wirckungen auch um die zeit bey uns gewahr werden koͤnnen/ wenn die em- pfindlichkeit am meiſten noth leidet. Es bedarff aber nichts weiter hinzuzuſe- tzen/ nachdem ich weiß/ an eine perſon zu ſchreiben/ die von dem HErrn ſelbs in unterſchiedlicher ſeiner ſchul bißher mehr gelehret worden iſt/ als ich zu lehren vermoͤchte. Er walte noch ferner uͤber dieſelbe mit ewiger huld/ und ſetze ſie zum zeugnuͤß ſeiner herrlichen gnade: ja er heilige ſie durch und durch/ und ihr geiſt gantz ſamt ſeel und leib muͤſſe untadelich behalten werden biß auff den tag JEſu Chriſti ꝛc. 1687. SECTIO XVII. An einen Fuͤrſtlichen Miniſter, der uͤber die zer- ſtreuung und hindernuͤß an dem geiſtlichen wegen ſeiner vielen verrichtungen geklaget. DEn eigenen zuſtand E. Exc. anlangend/ begreiffe ich leicht/ daß einer ſeelen/ die nun was beſſers geſchmecket/ davon ſie aber durch allzuvie- le einflechtung in weitlaͤufftige geſchaͤfften mehr abgezogen wird/ ſehr beſchwehrlich wird/ wo ihre verſtreuungen vermehret/ und hingegen die gele- genheit kraͤfftigen wachsthums gehindert wird: ſie ergibet ſich aber auch willig in den gehorſam ihres GOttes und deſſen regierung: verrichtet ihre weltliche geſchaͤffte ſo gut ſie kan/ als ſtuͤcke ihrer noch waͤhrenden dienſtbar- keit (wie die leibeigene knechte zu allen zeiten/ von denen Paulus fordert/ daß ſie mit gedult in ihrem beruff beharren 1. Cor. 7/ 21. biß ihnen GOtt frey zu werden/ ſelbs eine thuͤr oͤffnet) und richtet ſie noch ſo viel als muͤglich iſt zu ei- nigem nutzen des nechſten: vermeidet die ihr gefaͤhrliche ſteine des anſtoſſes/ in entziehung von unnoͤthiger geſellſchafft/ als viel in ihrer macht ſtehet/ oder wo ſie an die gefahr muß/ wapnet ſie ſich deſto ſtaͤrcker mit gebet und hertzli- chem vorſatz/ auch unter unſchlachtigem geſchlecht zu leuchten: und wo ſie endlich gewahr wird/ daß durch alle ihre arbeit wenig oder nichts gutes aus- gerichtet worden/ demuͤthigt ſie ſich vor GOtt/ vor dem ſie etwa nicht wuͤr- dig geweſen/ daß er viel durch ſie ausgerichtet werden lieſſe/ auch ſorget an ihrem fleiß etwas ermangelt zu haben/ troͤſtet ſich aber damit/ daß GOtt ih- re treue und auffrichtigkeit anſehe/ und ſich eines Davids guten vorſatz den tempel zu bauen gefallen laſſe/ ob wol die ſache nicht zu wercke gerichtet wer- den ſolle. Jch trage daher das gute vertrauen/ daß E. Exc. ihre ſeele in e- ben ſolchemſtand befinden/ aber ſich auch damit auffrichten werde/ biß der liebſte Vater im himmel ſelbs ſeinen willen anders zeigen/ und da man in dem frembden Luc. 16/ 12. ſich treu erwieſen/ das eigene in ſo viel reicherer maaß

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/780>, abgerufen am 30.04.2024.