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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
tzigkeit werde behandlet werden: und erwarte sonderlich über das erste desselben
Christliche gedancken.

Ach wären wir einige zeit beysammen/ solte sich vieles mündlich reden lassen
wiewohl nunmehr eine freudige hoffnung habe/ demfelben nach gemachter vertrö-
stung hieroben zu sehen. Der HERR erfülle unsere hoffnung und ver-
langen/ und lasse es euch zu seinem preiß gereichen. Jch zehle die zeit und monathe
jetzo so viel fleißiger/ biß es auff den sommer gehen wird/ ob uns der liebste Vater die
freude geben wird/ uns hier untereinander zu ergötzen. Nun sein wille ge-
schehe.

Was des frommen Hoburgs schrifften anlanget/ ist mir lieb/ daß ich be-
richt habe von solcher nachfrage so nun hierauff geschiehet. Jch gestehe gern/ daß
ich sie hertzlich liebe/ und GOTT dancke/ der mir die lesung derselben nicht hat
unfruchtbar seyn lassen. Von seiner Postill wuste ich micht zu entsinnen/ daß ich
sie einem menschen recommandiret hätte/ zu kauffen/ wol aber wo einige gedach-
ten/ daß sie ihn hätten/ daß ich mag geantwortet haben/ daß sie sie nützlich lesen kön-
ten. So bin itzt nicht nur der meinung/ sondern sage öffentlich offt auff der Can-
tzel daß man keines einigen menschen schrifften anders als mit dem beding soll le-
sen/ wie sie mit der schrifft über einkommen/ und also keinen einigen glauben um sein
selbs willen/ massen auch nicht nur einmal in der predigt gemeldet/ ich begehrte nicht/
daß man mir in göttlichen dingen ein einig wort mir zugefallen/ oder in absicht
auff mich/ glauben solte/ sondern nichtes anders als sie meine lehr mit GOttes wort
übereinstimmend finden.

Also nehme ich Hoburgen aus solcher zahl nicht aus. Sonsten bekenne
gern/ daß ich davor halte/ daß gelehrte in solches mannes schrifften ein und auders
finden werden/ worinnen sie anstossen mögen/ und wo ich nicht schwehren will/ al-
lemahl das jenige zu behaupten/ was der liebe mann geredet. Aber von einem
einfältigen Christen/ der alles in einfalt auff das billigste verstehet/ hoffte ich
nicht/ daß er etwas in ihm solte antreffen/ daran er sich leicht stossen könte. Jn-
dessen werde gern von selbsten und auch um meines liebsten bruders erinnerung
willen mich seiner schrifften nicht mit sonderlicher angelegenheit annehmen/ son-
dern zu frieden seyn/ wo man nur um das liebe wort GOttes lässet. Wie ich
noch nicht lange an einem der fürnehmsten Theologorum, so im schreiben an
mich etwas davon gedacht/ geantwortet/ daß ich über ihn mit niemanden viel strei-
ten wolte/ hätte viel gutes in seinen schrifften erkennet/ aber wünschte sie mit der
gedult gelesen zu werden/ wie wir den rationibus ihres orts ziemlich harte fehler
zu gute halten.

Jedoch könte ich mich auch nicht darzu bringen lassen/ gegen den jenigen
mich zu declariren oder ihn zuverurtheilen/ durch den GOTT meiner seelen

einiges

Das ſechſte Capitel.
tzigkeit werde behandlet werden: und erwarte ſonderlich uͤber das eꝛſte deſſelben
Chriſtliche gedancken.

Ach waͤren wir einige zeit beyſammen/ ſolte ſich vieles muͤndlich reden laſſen
wiewohl nunmehr eine freudige hoffnung habe/ demfelben nach gemachteꝛ vertroͤ-
ſtung hieroben zu ſehen. Der HERR erfuͤlle unſere hoffnung und ver-
langen/ und laſſe es euch zu ſeinem preiß gereichen. Jch zehle die zeit und monathe
jetzo ſo viel fleißiger/ biß es auff den ſommer gehen wird/ ob uns der liebſte Vater die
freude geben wird/ uns hier untereinander zu ergoͤtzen. Nun ſein wille ge-
ſchehe.

Was des frommen Hoburgs ſchrifften anlanget/ iſt mir lieb/ daß ich be-
richt habe von ſolcher nachfrage ſo nun hierauff geſchiehet. Jch geſtehe gern/ daß
ich ſie hertzlich liebe/ und GOTT dancke/ der mir die leſung derſelben nicht hat
unfruchtbar ſeyn laſſen. Von ſeiner Poſtill wuſte ich micht zu entſinnen/ daß ich
ſie einem menſchen recommandiret haͤtte/ zu kauffen/ wol aber wo einige gedach-
ten/ daß ſie ihn haͤtten/ daß ich mag geantwortet haben/ daß ſie ſie nuͤtzlich leſen koͤn-
ten. So bin itzt nicht nur der meinung/ ſondern ſage oͤffentlich offt auff der Can-
tzel daß man keines einigen menſchen ſchrifften anders als mit dem beding ſoll le-
ſen/ wie ſie mit der ſchrifft uͤber einkommen/ und alſo keinen einigen glauben um ſein
ſelbs willen/ maſſen auch nicht nur einmal in der predigt gemeldet/ ich begehrte nicht/
daß man mir in goͤttlichen dingen ein einig wort mir zugefallen/ oder in abſicht
auff mich/ glauben ſolte/ ſondern nichtes anders als ſie meine lehr mit GOttes wort
uͤbereinſtimmend finden.

Alſo nehme ich Hoburgen aus ſolcher zahl nicht aus. Sonſten bekenne
gern/ daß ich davor halte/ daß gelehrte in ſolches mannes ſchrifften ein und auders
finden werden/ worinnen ſie anſtoſſen moͤgen/ und wo ich nicht ſchwehren will/ al-
lemahl das jenige zu behaupten/ was der liebe mann geredet. Aber von einem
einfaͤltigen Chriſten/ der alles in einfalt auff das billigſte verſtehet/ hoffte ich
nicht/ daß er etwas in ihm ſolte antreffen/ daran er ſich leicht ſtoſſen koͤnte. Jn-
deſſen werde gern von ſelbſten und auch um meines liebſten bruders erinnerung
willen mich ſeiner ſchrifften nicht mit ſonderlicher angelegenheit annehmen/ ſon-
dern zu frieden ſeyn/ wo man nur um das liebe wort GOttes laͤſſet. Wie ich
noch nicht lange an einem der fuͤrnehmſten Theologorum, ſo im ſchreiben an
mich etwas davon gedacht/ geantwortet/ daß ich uͤber ihn mit niemanden viel ſtrei-
ten wolte/ haͤtte viel gutes in ſeinen ſchrifften erkennet/ aber wuͤnſchte ſie mit der
gedult geleſen zu werden/ wie wiꝛ den rationibus ihres orts ziemlich harte fehler
zu gute halten.

Jedoch koͤnte ich mich auch nicht darzu bringen laſſen/ gegen den jenigen
mich zu declariren oder ihn zuverurtheilen/ durch den GOTT meiner ſeelen

einiges
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[638/0656] Das ſechſte Capitel. tzigkeit werde behandlet werden: und erwarte ſonderlich uͤber das eꝛſte deſſelben Chriſtliche gedancken. Ach waͤren wir einige zeit beyſammen/ ſolte ſich vieles muͤndlich reden laſſen wiewohl nunmehr eine freudige hoffnung habe/ demfelben nach gemachteꝛ vertroͤ- ſtung hieroben zu ſehen. Der HERR erfuͤlle unſere hoffnung und ver- langen/ und laſſe es euch zu ſeinem preiß gereichen. Jch zehle die zeit und monathe jetzo ſo viel fleißiger/ biß es auff den ſommer gehen wird/ ob uns der liebſte Vater die freude geben wird/ uns hier untereinander zu ergoͤtzen. Nun ſein wille ge- ſchehe. Was des frommen Hoburgs ſchrifften anlanget/ iſt mir lieb/ daß ich be- richt habe von ſolcher nachfrage ſo nun hierauff geſchiehet. Jch geſtehe gern/ daß ich ſie hertzlich liebe/ und GOTT dancke/ der mir die leſung derſelben nicht hat unfruchtbar ſeyn laſſen. Von ſeiner Poſtill wuſte ich micht zu entſinnen/ daß ich ſie einem menſchen recommandiret haͤtte/ zu kauffen/ wol aber wo einige gedach- ten/ daß ſie ihn haͤtten/ daß ich mag geantwortet haben/ daß ſie ſie nuͤtzlich leſen koͤn- ten. So bin itzt nicht nur der meinung/ ſondern ſage oͤffentlich offt auff der Can- tzel daß man keines einigen menſchen ſchrifften anders als mit dem beding ſoll le- ſen/ wie ſie mit der ſchrifft uͤber einkommen/ und alſo keinen einigen glauben um ſein ſelbs willen/ maſſen auch nicht nur einmal in der predigt gemeldet/ ich begehrte nicht/ daß man mir in goͤttlichen dingen ein einig wort mir zugefallen/ oder in abſicht auff mich/ glauben ſolte/ ſondern nichtes anders als ſie meine lehr mit GOttes wort uͤbereinſtimmend finden. Alſo nehme ich Hoburgen aus ſolcher zahl nicht aus. Sonſten bekenne gern/ daß ich davor halte/ daß gelehrte in ſolches mannes ſchrifften ein und auders finden werden/ worinnen ſie anſtoſſen moͤgen/ und wo ich nicht ſchwehren will/ al- lemahl das jenige zu behaupten/ was der liebe mann geredet. Aber von einem einfaͤltigen Chriſten/ der alles in einfalt auff das billigſte verſtehet/ hoffte ich nicht/ daß er etwas in ihm ſolte antreffen/ daran er ſich leicht ſtoſſen koͤnte. Jn- deſſen werde gern von ſelbſten und auch um meines liebſten bruders erinnerung willen mich ſeiner ſchrifften nicht mit ſonderlicher angelegenheit annehmen/ ſon- dern zu frieden ſeyn/ wo man nur um das liebe wort GOttes laͤſſet. Wie ich noch nicht lange an einem der fuͤrnehmſten Theologorum, ſo im ſchreiben an mich etwas davon gedacht/ geantwortet/ daß ich uͤber ihn mit niemanden viel ſtrei- ten wolte/ haͤtte viel gutes in ſeinen ſchrifften erkennet/ aber wuͤnſchte ſie mit der gedult geleſen zu werden/ wie wiꝛ den rationibus ihres orts ziemlich harte fehler zu gute halten. Jedoch koͤnte ich mich auch nicht darzu bringen laſſen/ gegen den jenigen mich zu declariren oder ihn zuverurtheilen/ durch den GOTT meiner ſeelen einiges

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/656>, abgerufen am 27.04.2024.