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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
Meissen und Sachsen das übel so starck einrisse/ sahe ich dasselbe stracks als ein
solches gericht an/ mit welchem GOTT vermuthlich unser gantzes Teutsch-
land heimsuchen würde/ die wir wol alle in gleicher schuld stünden.

Nachdem aber der barmhertzige Vater vermittels eines so ausserordent-
lichen hefftigen winters an den hart heimgesuchten orten wiederum seine gnade er-
zeiget/ daß sie der plage befreyet/ auch in dem warmen anfang dieses frühjahrs
in dem Aprilem nichts desto weniger ein beystand der befreyung gespüret wor-
den/ so habe mich verwundert der göttlichen barmhertzigkeit/ die uns wiederum
eine neue frist zur busse gegeben und das angedrohete abgewendet habe. Daher
nach dem wir eine ziemliche zeit die vorbitte vor die unter solcher ruthen ander-
wertlich seufftzenden mit-brüder in offendlicher versammlungen zu thun gepfleget/
solche samt einer dancksagung auff verordnen unserer Herrn und Oberen auff
Pfingsten geschlossen worden.

Kaum war solches geschehen/ so kommt erstlich ein ungewiß gerüchte/ bald aber
völlige nachricht/ vondem auffs neue hin und wieder angehenden feuers. Da-
her wir bereits von einiger zeit verlangt/ daß die öffentliche vorbitte wiederum ge-
schehen/ aber von unseren Herren die verordnung noch nicht haben erlangen kön-
nen/ sondern dero noch warten. Nunmehralso kan ichs nicht anders ansehen/ als
wie meine erste gedancken gewesen/ der HERR HERR möge beschlossen ha-
ben/ unser gantzes reich damit durchzugehen/ wo etwa kein unterscheid seyen wird/
als das einige früher andere später an dieser reyhe kommen sollen. Da also
GOTT sein gericht noch mit dieser barmhertzigkeit mildert/ in dem er den mei-
sten noch so eine zimliche zeit das jenige/ was ihnen vorstehet/ vor her an andern von
ferne ansehen lässet/ ob wir uns solches bewegen lassen wolten/ zu so viel hertzli-
cher buß/ und zu rechter beobachtung seines heiligsten raths auch in diesem stück.
Wie wohl ich leider an unsern orten sehe/ und von andern höre/ daß solches an-
sehen wenig oder nichts verfange/ daher es der gerechte GOTT auch etwa
nicht bey dieser plage allein bleiben lassen/ sondern noch härter über uns verhen-
gen möchte.

Lasset uns nur auch dießmahl unser wahrnehmen/ daß wir uns in die zeit
schicken/ und so wol den rath unsers GOTTES erkennen lernen/ als uns dem-
selben gehorsamlich unterwerffen. Wir müssen einmahl lernen glauben/ daß
auch in dieser aller erbärmlichesten plage göttliche nicht nur gerechtigkeit sondern
liebe und gnade sich zeige/ dann seine gerichte in dieser zeit sind alle voller barmher-
tzigkeit/ was vor ein schreckliches ansehen sie auch hie vor den augen der vernunfft
haben. Und wie kan etwasanders als gutes von dem so guten GOTT/ der
nichts als gutes ist/ herkommen? Jch bin versichert/ es erkennet seine weißheit

noch

Das ſechſte Capitel.
Meiſſen und Sachſen das uͤbel ſo ſtarck einriſſe/ ſahe ich daſſelbe ſtracks als ein
ſolches gericht an/ mit welchem GOTT vermuthlich unſer gantzes Teutſch-
land heimſuchen wuͤrde/ die wir wol alle in gleicher ſchuld ſtuͤnden.

Nachdem aber der barmhertzige Vater vermittels eines ſo auſſerordent-
lichen hefftigen winters an den hart heimgeſuchten orten wiederum ſeine gnade er-
zeiget/ daß ſie der plage befreyet/ auch in dem warmen anfang dieſes fruͤhjahrs
in dem Aprilem nichts deſto weniger ein beyſtand deꝛ befreyung geſpuͤret wor-
den/ ſo habe mich verwundert der goͤttlichen barmhertzigkeit/ die uns wiederum
eine neue friſt zur buſſe gegeben und das angedrohete abgewendet habe. Daher
nach dem wir eine ziemliche zeit die vorbitte vor die unter ſolcher ꝛuthen ander-
wertlich ſeufftzenden mit-bruͤder in offendlicher verſammlungen zu thun gepfleget/
ſolche ſamt einer danckſagung auff verordnen unſerer Herrn und Oberen auff
Pfingſten geſchloſſen worden.

Kaum war ſolches geſchehen/ ſo kommt erſtlich ein ungewiß geruͤchte/ bald aber
voͤllige nachricht/ vondem auffs neue hin und wieder angehenden feuers. Da-
her wir bereits von einiger zeit verlangt/ daß die oͤffentliche vorbitte wiederum ge-
ſchehen/ aber von unſeren Herren die verordnung noch nicht haben erlangen koͤn-
nen/ ſondern dero noch warten. Nunmehralſo kan ichs nicht anders anſehen/ als
wie meine erſte gedancken geweſen/ der HERR HERR moͤge beſchloſſen ha-
ben/ unſer gantzes reich damit durchzugehen/ wo etwa kein unterſcheid ſeyen wird/
als das einige fruͤher andere ſpaͤter an dieſer reyhe kommen ſollen. Da alſo
GOTT ſein gericht noch mit dieſer barmhertzigkeit mildert/ in dem er den mei-
ſten noch ſo eine zimliche zeit das jenige/ was ihnen vorſtehet/ vor her an andern von
ferne anſehen laͤſſet/ ob wir uns ſolches bewegen laſſen wolten/ zu ſo viel hertzli-
cher buß/ und zu rechter beobachtung ſeines heiligſten raths auch in dieſem ſtuͤck.
Wie wohl ich leider an unſern orten ſehe/ und von andern hoͤre/ daß ſolches an-
ſehen wenig oder nichts verfange/ daher es der gerechte GOTT auch etwa
nicht bey dieſer plage allein bleiben laſſen/ ſondern noch haͤrter uͤber uns verhen-
gen moͤchte.

Laſſet uns nur auch dießmahl unſer wahrnehmen/ daß wir uns in die zeit
ſchicken/ und ſo wol den rath unſers GOTTES erkennen lernen/ als uns dem-
ſelben gehoꝛſamlich unterwerffen. Wir muͤſſen einmahl lernen glauben/ daß
auch in dieſer aller erbaͤrmlicheſten plage goͤttliche nicht nur gerechtigkeit ſondern
liebe und gnade ſich zeige/ dann ſeine gerichte in dieſer zeit ſind alle voller barmher-
tzigkeit/ was vor ein ſchreckliches anſehen ſie auch hie vor den augen der vernunfft
haben. Und wie kan etwasanders als gutes von dem ſo guten GOTT/ der
nichts als gutes iſt/ herkommen? Jch bin veꝛſichert/ es erkennet ſeine weißheit

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[640/0658] Das ſechſte Capitel. Meiſſen und Sachſen das uͤbel ſo ſtarck einriſſe/ ſahe ich daſſelbe ſtracks als ein ſolches gericht an/ mit welchem GOTT vermuthlich unſer gantzes Teutſch- land heimſuchen wuͤrde/ die wir wol alle in gleicher ſchuld ſtuͤnden. Nachdem aber der barmhertzige Vater vermittels eines ſo auſſerordent- lichen hefftigen winters an den hart heimgeſuchten orten wiederum ſeine gnade er- zeiget/ daß ſie der plage befreyet/ auch in dem warmen anfang dieſes fruͤhjahrs in dem Aprilem nichts deſto weniger ein beyſtand deꝛ befreyung geſpuͤret wor- den/ ſo habe mich verwundert der goͤttlichen barmhertzigkeit/ die uns wiederum eine neue friſt zur buſſe gegeben und das angedrohete abgewendet habe. Daher nach dem wir eine ziemliche zeit die vorbitte vor die unter ſolcher ꝛuthen ander- wertlich ſeufftzenden mit-bruͤder in offendlicher verſammlungen zu thun gepfleget/ ſolche ſamt einer danckſagung auff verordnen unſerer Herrn und Oberen auff Pfingſten geſchloſſen worden. Kaum war ſolches geſchehen/ ſo kommt erſtlich ein ungewiß geruͤchte/ bald aber voͤllige nachricht/ vondem auffs neue hin und wieder angehenden feuers. Da- her wir bereits von einiger zeit verlangt/ daß die oͤffentliche vorbitte wiederum ge- ſchehen/ aber von unſeren Herren die verordnung noch nicht haben erlangen koͤn- nen/ ſondern dero noch warten. Nunmehralſo kan ichs nicht anders anſehen/ als wie meine erſte gedancken geweſen/ der HERR HERR moͤge beſchloſſen ha- ben/ unſer gantzes reich damit durchzugehen/ wo etwa kein unterſcheid ſeyen wird/ als das einige fruͤher andere ſpaͤter an dieſer reyhe kommen ſollen. Da alſo GOTT ſein gericht noch mit dieſer barmhertzigkeit mildert/ in dem er den mei- ſten noch ſo eine zimliche zeit das jenige/ was ihnen vorſtehet/ vor her an andern von ferne anſehen laͤſſet/ ob wir uns ſolches bewegen laſſen wolten/ zu ſo viel hertzli- cher buß/ und zu rechter beobachtung ſeines heiligſten raths auch in dieſem ſtuͤck. Wie wohl ich leider an unſern orten ſehe/ und von andern hoͤre/ daß ſolches an- ſehen wenig oder nichts verfange/ daher es der gerechte GOTT auch etwa nicht bey dieſer plage allein bleiben laſſen/ ſondern noch haͤrter uͤber uns verhen- gen moͤchte. Laſſet uns nur auch dießmahl unſer wahrnehmen/ daß wir uns in die zeit ſchicken/ und ſo wol den rath unſers GOTTES erkennen lernen/ als uns dem- ſelben gehoꝛſamlich unterwerffen. Wir muͤſſen einmahl lernen glauben/ daß auch in dieſer aller erbaͤrmlicheſten plage goͤttliche nicht nur gerechtigkeit ſondern liebe und gnade ſich zeige/ dann ſeine gerichte in dieſer zeit ſind alle voller barmher- tzigkeit/ was vor ein ſchreckliches anſehen ſie auch hie vor den augen der vernunfft haben. Und wie kan etwasanders als gutes von dem ſo guten GOTT/ der nichts als gutes iſt/ herkommen? Jch bin veꝛſichert/ es erkennet ſeine weißheit noch

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/658>, abgerufen am 28.04.2024.