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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECT. XXV.
aber billich ansehe, als eine tochter meines himmlischen vaters und miterbin
gleicher erbschafft, so bleibet kein anderer als der liebreiche schwestername,
weil uns ja GOTT samt allen übrigen seinen kindern insgemein in eine
gemeine brüder- und schwesterschafft gesetzet hat, daß also in demselben so
name als that beysammen ist. Und wird also meine wertheste schwester von
mir willig solchen namen an statt des anerbotenen tochter-tituls annehmen,
mich aber mit gleichem bruder-namen, es wäre dann sache, daß sie viel mehr
allein das amt ansehen, und um solches willen den der person nicht gehörigen
namen mir beylegen wolte, zu beehren belieben. Der HERR HERR,
der uns zu einerley lebendiger hoffnung und unvergänglichen erbe wiederge-
bohren hat, lasse das band der liebe und einigkeit des geistes, damit er alle sei-
ne kinder zu brüdern und schwestern unter einander verbunden hat, nicht nur
unzertrenlich allezeit bleiben, sondern aus solcher gemeinschafft und dero fleis-
siger übung so viel herrlichere früchten zu aller untereinander erbauung er-
wachsen, als etwa dergleichen mit vielem nachtheil der gesamten kirchen un-
terblieben ist, da an solche übung wenig gedacht, und mit dem erstlich unter
allen christen gemeinen, nachmal aber in abgang gekommenen, bruder- und
schwester-namen fast die sache selbs oder doch die übung der daran hafften-
den pflichten in vergeß gestellet worden. Wie ich offtmals mich fast nicht
genung habe verwundern können, wie der auch nur buchstäbliche verstand
der wort der gemeinschafft der heiligen, die wir in dem dritten articul be-
kennen, fast den meisten unbekant worden, so gar daß auch, was zuweilen
Theologi bey solcher gelegenheit melden, die sache nicht genugsam ausdru-
cket: daraus leichtlich abzunehmen, wie dann die sache selbs auch nicht so be-
kant und im schwang seyn muß, als sich geziehmete von einem so vornehmen
stück unserer allgemeinen bekäntnüß. Wir wollen uns hingegen immer mehr
gewehnen uns zu erfreuen über die gemeinschafft der geistlichen und ewigen
güter, dazu uns der himmlische vater in ein gemeines recht gesetzet, und die
darauf gegründete pflichten in heiliger liebe untereinander üben, durch gebet
und dancksagung für einander, und daß wir jedes gutes und wideriges, so ei-
nem widerfähret, mit einerley freude und mitleyden aufnehmen. Ach daß
ein solches sich mehr und mehr unter viele ausbreiten möchte, so möchte auch
dieses ein mittel seyn zu verbesserung vieles dinges, dessen mangel wir itzo be-
klagen müssen, und möchten alsdann die glieder eines leibes, fester in einan-
der gefüget, so viel stärcker seyn gegen alle gewalt, die sie angreifft, als auch
besser mit und neben einander an ihrem hochgelobten haupt zu des gantzen
leibes göttlicher grösse wachsen.

SECT.
IV. Theil. r

ARTIC. I. SECT. XXV.
aber billich anſehe, als eine tochter meines himmliſchen vaters und miterbin
gleicher erbſchafft, ſo bleibet kein anderer als der liebreiche ſchweſtername,
weil uns ja GOTT ſamt allen uͤbrigen ſeinen kindern insgemein in eine
gemeine bruͤder- und ſchweſterſchafft geſetzet hat, daß alſo in demſelben ſo
name als that beyſammen iſt. Und wird alſo meine wertheſte ſchweſter von
mir willig ſolchen namen an ſtatt des anerbotenen tochter-tituls annehmen,
mich aber mit gleichem bruder-namen, es waͤre dann ſache, daß ſie viel mehr
allein das amt anſehen, und um ſolches willen den der perſon nicht gehoͤrigen
namen mir beylegen wolte, zu beehren belieben. Der HERR HERR,
der uns zu einerley lebendiger hoffnung und unvergaͤnglichen erbe wiederge-
bohren hat, laſſe das band der liebe und einigkeit des geiſtes, damit er alle ſei-
ne kinder zu bruͤdern und ſchweſtern unter einander verbunden hat, nicht nur
unzertrenlich allezeit bleiben, ſondern aus ſolcher gemeinſchafft und dero fleiſ-
ſiger uͤbung ſo viel herrlichere fruͤchten zu aller untereinander erbauung er-
wachſen, als etwa dergleichen mit vielem nachtheil der geſamten kirchen un-
terblieben iſt, da an ſolche uͤbung wenig gedacht, und mit dem erſtlich unter
allen chriſten gemeinen, nachmal aber in abgang gekommenen, bruder- und
ſchweſter-namen faſt die ſache ſelbs oder doch die uͤbung der daran hafften-
den pflichten in vergeß geſtellet worden. Wie ich offtmals mich faſt nicht
genung habe verwundern koͤnnen, wie der auch nur buchſtaͤbliche verſtand
der wort der gemeinſchafft der heiligen, die wir in dem dritten articul be-
kennen, faſt den meiſten unbekant worden, ſo gar daß auch, was zuweilen
Theologi bey ſolcher gelegenheit melden, die ſache nicht genugſam ausdru-
cket: daraus leichtlich abzunehmen, wie dann die ſache ſelbs auch nicht ſo be-
kant und im ſchwang ſeyn muß, als ſich geziehmete von einem ſo vornehmen
ſtuͤck unſerer allgemeinen bekaͤntnuͤß. Wir wollen uns hingegen immer mehr
gewehnen uns zu erfreuen uͤber die gemeinſchafft der geiſtlichen und ewigen
guͤter, dazu uns der himmliſche vater in ein gemeines recht geſetzet, und die
darauf gegruͤndete pflichten in heiliger liebe untereinander uͤben, durch gebet
und danckſagung fuͤr einander, und daß wir jedes gutes und wideriges, ſo ei-
nem widerfaͤhret, mit einerley freude und mitleyden aufnehmen. Ach daß
ein ſolches ſich mehr und mehr unter viele ausbreiten moͤchte, ſo moͤchte auch
dieſes ein mittel ſeyn zu verbeſſerung vieles dinges, deſſen mangel wir itzo be-
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der gefuͤget, ſo viel ſtaͤrcker ſeyn gegen alle gewalt, die ſie angreifft, als auch
beſſer mit und neben einander an ihrem hochgelobten haupt zu des gantzen
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SECT.
IV. Theil. r
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[129/0141] ARTIC. I. SECT. XXV. aber billich anſehe, als eine tochter meines himmliſchen vaters und miterbin gleicher erbſchafft, ſo bleibet kein anderer als der liebreiche ſchweſtername, weil uns ja GOTT ſamt allen uͤbrigen ſeinen kindern insgemein in eine gemeine bruͤder- und ſchweſterſchafft geſetzet hat, daß alſo in demſelben ſo name als that beyſammen iſt. Und wird alſo meine wertheſte ſchweſter von mir willig ſolchen namen an ſtatt des anerbotenen tochter-tituls annehmen, mich aber mit gleichem bruder-namen, es waͤre dann ſache, daß ſie viel mehr allein das amt anſehen, und um ſolches willen den der perſon nicht gehoͤrigen namen mir beylegen wolte, zu beehren belieben. Der HERR HERR, der uns zu einerley lebendiger hoffnung und unvergaͤnglichen erbe wiederge- bohren hat, laſſe das band der liebe und einigkeit des geiſtes, damit er alle ſei- ne kinder zu bruͤdern und ſchweſtern unter einander verbunden hat, nicht nur unzertrenlich allezeit bleiben, ſondern aus ſolcher gemeinſchafft und dero fleiſ- ſiger uͤbung ſo viel herrlichere fruͤchten zu aller untereinander erbauung er- wachſen, als etwa dergleichen mit vielem nachtheil der geſamten kirchen un- terblieben iſt, da an ſolche uͤbung wenig gedacht, und mit dem erſtlich unter allen chriſten gemeinen, nachmal aber in abgang gekommenen, bruder- und ſchweſter-namen faſt die ſache ſelbs oder doch die uͤbung der daran hafften- den pflichten in vergeß geſtellet worden. Wie ich offtmals mich faſt nicht genung habe verwundern koͤnnen, wie der auch nur buchſtaͤbliche verſtand der wort der gemeinſchafft der heiligen, die wir in dem dritten articul be- kennen, faſt den meiſten unbekant worden, ſo gar daß auch, was zuweilen Theologi bey ſolcher gelegenheit melden, die ſache nicht genugſam ausdru- cket: daraus leichtlich abzunehmen, wie dann die ſache ſelbs auch nicht ſo be- kant und im ſchwang ſeyn muß, als ſich geziehmete von einem ſo vornehmen ſtuͤck unſerer allgemeinen bekaͤntnuͤß. Wir wollen uns hingegen immer mehr gewehnen uns zu erfreuen uͤber die gemeinſchafft der geiſtlichen und ewigen guͤter, dazu uns der himmliſche vater in ein gemeines recht geſetzet, und die darauf gegruͤndete pflichten in heiliger liebe untereinander uͤben, durch gebet und danckſagung fuͤr einander, und daß wir jedes gutes und wideriges, ſo ei- nem widerfaͤhret, mit einerley freude und mitleyden aufnehmen. Ach daß ein ſolches ſich mehr und mehr unter viele ausbreiten moͤchte, ſo moͤchte auch dieſes ein mittel ſeyn zu verbeſſerung vieles dinges, deſſen mangel wir itzo be- klagen muͤſſen, und moͤchten alsdann die glieder eines leibes, feſter in einan- der gefuͤget, ſo viel ſtaͤrcker ſeyn gegen alle gewalt, die ſie angreifft, als auch beſſer mit und neben einander an ihrem hochgelobten haupt zu des gantzen leibes goͤttlicher groͤſſe wachſen. 1681. SECT. IV. Theil. r

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/141>, abgerufen am 29.04.2024.