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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECT. XXXVI.
denselben hätten mercken müssen/ wo sie ihn nicht angegeben/ oder aufs
wenigste geheget. Da hingegen die eltern die sache immer behauptet/ das
mädgen so verstärcket als vertreten/ und alsbald sie gesehen/ daß die sache
offenbahr werden wolte/ ein ende daran gemacht/ aber wiederum auf ei-
ne fast alberne weise. Jhrer mitwissenschafft zeugnüß sind auch ihre un-
gleich lautende erzehlungen/ dahingegen wo etwas wahrhafftig vorge-
gangen/ und sie bey der wahrheit bleiben wollen/ die aussagen einstimmig
und beständig gewesen seyn würden. Diese gründe machen/ nicht allein
daß man der einmaligen ja wiederholten geständnüß der eltern mehr
glauben/ als der nachgefolgten verneinung/ beyzulegen hat/ sondern trei-
ben wol mehr schuld auf sie als sie gestanden: Dann worzu hätten sie/ wie
es gelautet/ nur etwas zusammen zu flicken gehabt/ den betrug des mäd-
gens/ vor welches sie doch keine andere/ als eine seinem alter gemäße züch-
tigung/ sorgen dürffen/ zu bedecken/ wo die schuld nicht sie mit betroffen
hätte?

Hierauf folget nun auch die antwort auf das aus der vorigen fra-
ge noch übergebliebene/ nemlich daß um würdiglich des heiligen abend-
mahls sich zu gebrauchen die eltern allerdings zur bekäntnüß und bereu-
ung ihres unrechts anzuhalten seyen: Hingegen hat man die beharrende
verleugnung vor ein starckes zeichen ihrer unbußfertigkeit anzusehen.

Die dritte frage.
Ob zu glauben, nachdem die leute sich anders zu bereden so lange
zeit gehabt, auch so wol vor der gnädigen herrschafft, als der
gantzen stadt nicht gern zu schanden werden wollen, und aber
künfftig bey verhör auf ihren vortheil etwas beständiger re-
den möchten, daß deßwegen ein gespenst da gewesen seyn müß-
te.

ES hat der leute voriges bezeugen/ und unbeständige aussage/
rechtswegen ihnen den credit also benommen/ daß weil von dem
vorigen/ was sie nemlich geredet und sich so vielfältig contradici-
r
et/ zwey zeugen vorhanden sind/ auch ohne zweiffel/ was auch aus ihrem
munde auf geschrieben worden/ noch gezeiget werden kan/ das jenige bey
rechtsch affenen leuten nicht mehr glauben finden wird/ was sie nun unter
sich mit einander sich beredet haben möchten/ sondern ihr vorige aussag ist
zustarck befestiget als durch eine geänderte auf gehoben zu werden: So
vielmehr/ da man sihet/ daß die erste von der warheit und noth ausgedru-
cket worden/ hingegen der änderung menschliche ursach aus interesse,
verständigen unter augen leuchtet.

Die
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ARTIC. I. SECT. XXXVI.
denſelben haͤtten mercken muͤſſen/ wo ſie ihn nicht angegeben/ oder aufs
wenigſte geheget. Da hingegen die eltern die ſache immer behauptet/ das
maͤdgen ſo verſtaͤrcket als vertreten/ und alsbald ſie geſehen/ daß die ſache
offenbahr werden wolte/ ein ende daran gemacht/ aber wiederum auf ei-
ne faſt alberne weiſe. Jhrer mitwiſſenſchafft zeugnuͤß ſind auch ihre un-
gleich lautende erzehlungen/ dahingegen wo etwas wahrhafftig vorge-
gangen/ und ſie bey der wahrheit bleiben wollen/ die auſſagen einſtimmig
und beſtaͤndig geweſen ſeyn wuͤrden. Dieſe gruͤnde machen/ nicht allein
daß man der einmaligen ja wiederholten geſtaͤndnuͤß der eltern mehr
glauben/ als der nachgefolgten verneinung/ beyzulegen hat/ ſondern trei-
ben wol mehr ſchuld auf ſie als ſie geſtanden: Dann worzu haͤtten ſie/ wie
es gelautet/ nur etwas zuſammen zu flicken gehabt/ den betrug des maͤd-
gens/ vor welches ſie doch keine andere/ als eine ſeinem alter gemaͤße zuͤch-
tigung/ ſorgen duͤrffen/ zu bedecken/ wo die ſchuld nicht ſie mit betroffen
haͤtte?

Hierauf folget nun auch die antwort auf das aus der vorigen fra-
ge noch uͤbergebliebene/ nemlich daß um wuͤrdiglich des heiligen abend-
mahls ſich zu gebrauchen die eltern allerdings zur bekaͤntnuͤß und bereu-
ung ihres unrechts anzuhalten ſeyen: Hingegen hat man die beharrende
verleugnung vor ein ſtarckes zeichen ihrer unbußfertigkeit anzuſehen.

Die dritte frage.
Ob zu glauben, nachdem die leute ſich anders zu bereden ſo lange
zeit gehabt, auch ſo wol vor der gnaͤdigen herrſchafft, als der
gantzen ſtadt nicht gern zu ſchanden werden wollen, und aber
kuͤnfftig bey verhoͤr auf ihren vortheil etwas beſtaͤndiger re-
den moͤchten, daß deßwegen ein geſpenſt da geweſen ſeyn muͤß-
te.

ES hat der leute voriges bezeugen/ und unbeſtaͤndige auſſage/
rechtswegen ihnen den credit alſo benommen/ daß weil von dem
vorigen/ was ſie nemlich geredet und ſich ſo vielfaͤltig contradici-
r
et/ zwey zeugen vorhanden ſind/ auch ohne zweiffel/ was auch aus ihrem
munde auf geſchrieben worden/ noch gezeiget werden kan/ das jenige bey
rechtſch affenen leuten nicht mehr glauben finden wird/ was ſie nun unter
ſich mit einander ſich beredet haben moͤchten/ ſondern ihr vorige auſſag iſt
zuſtarck befeſtiget als durch eine geaͤnderte auf gehoben zu werden: So
vielmehr/ da man ſihet/ daß die erſte von der warheit und noth ausgedru-
cket worden/ hingegen der aͤnderung menſchliche urſach aus intereſſe,
verſtaͤndigen unter augen leuchtet.

Die
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[171/0183] ARTIC. I. SECT. XXXVI. denſelben haͤtten mercken muͤſſen/ wo ſie ihn nicht angegeben/ oder aufs wenigſte geheget. Da hingegen die eltern die ſache immer behauptet/ das maͤdgen ſo verſtaͤrcket als vertreten/ und alsbald ſie geſehen/ daß die ſache offenbahr werden wolte/ ein ende daran gemacht/ aber wiederum auf ei- ne faſt alberne weiſe. Jhrer mitwiſſenſchafft zeugnuͤß ſind auch ihre un- gleich lautende erzehlungen/ dahingegen wo etwas wahrhafftig vorge- gangen/ und ſie bey der wahrheit bleiben wollen/ die auſſagen einſtimmig und beſtaͤndig geweſen ſeyn wuͤrden. Dieſe gruͤnde machen/ nicht allein daß man der einmaligen ja wiederholten geſtaͤndnuͤß der eltern mehr glauben/ als der nachgefolgten verneinung/ beyzulegen hat/ ſondern trei- ben wol mehr ſchuld auf ſie als ſie geſtanden: Dann worzu haͤtten ſie/ wie es gelautet/ nur etwas zuſammen zu flicken gehabt/ den betrug des maͤd- gens/ vor welches ſie doch keine andere/ als eine ſeinem alter gemaͤße zuͤch- tigung/ ſorgen duͤrffen/ zu bedecken/ wo die ſchuld nicht ſie mit betroffen haͤtte? Hierauf folget nun auch die antwort auf das aus der vorigen fra- ge noch uͤbergebliebene/ nemlich daß um wuͤrdiglich des heiligen abend- mahls ſich zu gebrauchen die eltern allerdings zur bekaͤntnuͤß und bereu- ung ihres unrechts anzuhalten ſeyen: Hingegen hat man die beharrende verleugnung vor ein ſtarckes zeichen ihrer unbußfertigkeit anzuſehen. Die dritte frage. Ob zu glauben, nachdem die leute ſich anders zu bereden ſo lange zeit gehabt, auch ſo wol vor der gnaͤdigen herrſchafft, als der gantzen ſtadt nicht gern zu ſchanden werden wollen, und aber kuͤnfftig bey verhoͤr auf ihren vortheil etwas beſtaͤndiger re- den moͤchten, daß deßwegen ein geſpenſt da geweſen ſeyn muͤß- te. ES hat der leute voriges bezeugen/ und unbeſtaͤndige auſſage/ rechtswegen ihnen den credit alſo benommen/ daß weil von dem vorigen/ was ſie nemlich geredet und ſich ſo vielfaͤltig contradici- ret/ zwey zeugen vorhanden ſind/ auch ohne zweiffel/ was auch aus ihrem munde auf geſchrieben worden/ noch gezeiget werden kan/ das jenige bey rechtſch affenen leuten nicht mehr glauben finden wird/ was ſie nun unter ſich mit einander ſich beredet haben moͤchten/ ſondern ihr vorige auſſag iſt zuſtarck befeſtiget als durch eine geaͤnderte auf gehoben zu werden: So vielmehr/ da man ſihet/ daß die erſte von der warheit und noth ausgedru- cket worden/ hingegen der aͤnderung menſchliche urſach aus intereſſe, verſtaͤndigen unter augen leuchtet. Die y 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/183>, abgerufen am 30.04.2024.