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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
vortrag der wahrheit immer fort gefahren/ über die lästerung mich wenig
und aufs glimpflichste (allein was mir mißdeutet worden war/ aufs
kläreste zu retten) beschweret/ ja es vielmehr vor einen mißverstand/ als
lästerung angeben/ was mir zu ohren gekommen meistens disimuliret/ und
nechst dem gebet durch gedult den meisten sieg erhalten: Jndem so wol die
lästerer selbs/ als von ihnen erst eingenommene/ wann ich mich wenig be-
weget/ sondern in einem tenor immer fortgefahren/ endlich allgemach selbs
überzeuget worden sind. Solche gedult/ sodann vorsichtigkeit in dem
elencho, worinnen alle worte wol überleget werden müssen/ recommen-
dir
e ich vor allen dingen. Hingegen rathe ich nicht/ sich der sache wegen an
das consistorium zu wenden/ vor welchem es mit dem zulänglichen erweiß
schwer werden möchte. So wird auch sehr im wege stehen/ daß geliebter
bruder mit dem Herrn collega nicht in erwünschlichem vertrauen stehet/
indem desselben zeugnüß wol von dem consistorio möchte erfordert wer-
den. Ja er wird je mehr und mehr erfahren/ wie wol es gerathen gewe-
sen/ wann ich gleich anfangs verlangt/ allen müglichen fleiß anzuwenden/
dessen liebe/ auch mit vielem weichen/ als lang es ohne verletzung des ge-
wissens geschehen könte/ zu gewinnen/ damit wo bey ihm allgemach und mit
vieler gedult ein gutes vertrauen erst gestifftet wäre/ nachmal mit seiner
beytretung das werck des HErrn mit mehr durchbruch getrieben werden
könte/ als wo man ihn gegen sich hat; Jndem dessen entziehung oder wi-
derstand zur hindernüß mehr thue/ als aller fleiß/ den man gebrauchte/ da-
gegen außrichten könte. Wie auch dieses das mittel gewesen/ als nach
Franckfurth am Mayn kam/ und ohne die übrige/ vier über 60. jährige
männer in dem ministerio fand/ denen ich als senior vorgesetzet worden/
durch GOttes gnade einen guten grund auf das künfftige zu legen/ daß
fast alles mein thun und lassen dahin ging/ solcher leute gemüther (und das-
selbe mit vielen weichen und gedult) zu gewinnen/ darzu auch der HErr se-
gen gegeben/ ich aber darnach mehr und mehr gelegenheit bekommen ohne
ihren widerstand manches nöthige anzufangen/ was ohne jene vorberei-
tung nicht durchgetrungen hätte. Doch nehme ich hiebey aus/ wo der
bürger einer lästerung gegen den heiligen Apostel Paulum mit tüchtigen
zeugen/ dann ohne dieselbe ist alles vergebens/ überzeuget werden kan/ daß
solches schrifftlich dem consistorio denunciiret werden müsse. Was end-
lich die böse nachrede anlanget bey den benachtbarten predigern/ dadurch
denn viele gegen denselben eingenommen seyen/ ist ein kräfftigers mittel
dargegen/ als beständiges anhalten in treuem amtsfleiß und emsiger lehr/
damit also das falsche durch die that selds am kräfftigsten und gewissesten
widerleget/ und wie der nebel durch der sonnen glantz vertrieben werde; wie

der-

Das ſiebende Capitel.
vortrag der wahrheit immer fort gefahren/ uͤber die laͤſterung mich wenig
und aufs glimpflichſte (allein was mir mißdeutet worden war/ aufs
klaͤreſte zu retten) beſchweret/ ja es vielmehr vor einen mißverſtand/ als
laͤſterung angeben/ was mir zu ohren gekommen meiſtens disimuliret/ und
nechſt dem gebet durch gedult den meiſten ſieg erhalten: Jndem ſo wol die
laͤſterer ſelbs/ als von ihnen erſt eingenommene/ wann ich mich wenig be-
weget/ ſondern in einem tenor immer fortgefahren/ endlich allgemach ſelbs
uͤberzeuget worden ſind. Solche gedult/ ſodann vorſichtigkeit in dem
elencho, worinnen alle worte wol uͤberleget werden muͤſſen/ recommen-
dir
e ich vor allen dingen. Hingegen rathe ich nicht/ ſich der ſache wegen an
das conſiſtorium zu wenden/ vor welchem es mit dem zulaͤnglichen erweiß
ſchwer werden moͤchte. So wird auch ſehr im wege ſtehen/ daß geliebter
bruder mit dem Herrn collega nicht in erwuͤnſchlichem vertrauen ſtehet/
indem deſſelben zeugnuͤß wol von dem conſiſtorio moͤchte erfordert wer-
den. Ja er wird je mehr und mehr erfahren/ wie wol es gerathen gewe-
ſen/ wann ich gleich anfangs verlangt/ allen muͤglichen fleiß anzuwenden/
deſſen liebe/ auch mit vielem weichen/ als lang es ohne verletzung des ge-
wiſſens geſchehen koͤnte/ zu gewinnen/ damit wo bey ihm allgemach und mit
vieler gedult ein gutes vertrauen erſt geſtifftet waͤre/ nachmal mit ſeiner
beytretung das werck des HErrn mit mehr durchbruch getrieben werden
koͤnte/ als wo man ihn gegen ſich hat; Jndem deſſen entziehung oder wi-
derſtand zur hindernuͤß mehr thue/ als aller fleiß/ den man gebrauchte/ da-
gegen außrichten koͤnte. Wie auch dieſes das mittel geweſen/ als nach
Franckfurth am Mayn kam/ und ohne die uͤbrige/ vier uͤber 60. jaͤhrige
maͤnner in dem miniſterio fand/ denen ich als ſenior vorgeſetzet worden/
durch GOttes gnade einen guten grund auf das kuͤnfftige zu legen/ daß
faſt alles mein thun und laſſen dahin ging/ ſolcher leute gemuͤther (und daſ-
ſelbe mit vielen weichen und gedult) zu gewinnen/ darzu auch der HErr ſe-
gen gegeben/ ich aber darnach mehr und mehr gelegenheit bekommen ohne
ihren widerſtand manches noͤthige anzufangen/ was ohne jene vorberei-
tung nicht durchgetrungen haͤtte. Doch nehme ich hiebey aus/ wo der
buͤrger einer laͤſterung gegen den heiligen Apoſtel Paulum mit tuͤchtigen
zeugen/ dann ohne dieſelbe iſt alles vergebens/ uͤberzeuget werden kan/ daß
ſolches ſchrifftlich dem conſiſtorio denunciiret werden muͤſſe. Was end-
lich die boͤſe nachrede anlanget bey den benachtbarten predigern/ dadurch
denn viele gegen denſelben eingenommen ſeyen/ iſt ein kraͤfftigers mittel
dargegen/ als beſtaͤndiges anhalten in treuem amtsfleiß und emſiger lehr/
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[316/0328] Das ſiebende Capitel. vortrag der wahrheit immer fort gefahren/ uͤber die laͤſterung mich wenig und aufs glimpflichſte (allein was mir mißdeutet worden war/ aufs klaͤreſte zu retten) beſchweret/ ja es vielmehr vor einen mißverſtand/ als laͤſterung angeben/ was mir zu ohren gekommen meiſtens disimuliret/ und nechſt dem gebet durch gedult den meiſten ſieg erhalten: Jndem ſo wol die laͤſterer ſelbs/ als von ihnen erſt eingenommene/ wann ich mich wenig be- weget/ ſondern in einem tenor immer fortgefahren/ endlich allgemach ſelbs uͤberzeuget worden ſind. Solche gedult/ ſodann vorſichtigkeit in dem elencho, worinnen alle worte wol uͤberleget werden muͤſſen/ recommen- dire ich vor allen dingen. Hingegen rathe ich nicht/ ſich der ſache wegen an das conſiſtorium zu wenden/ vor welchem es mit dem zulaͤnglichen erweiß ſchwer werden moͤchte. So wird auch ſehr im wege ſtehen/ daß geliebter bruder mit dem Herrn collega nicht in erwuͤnſchlichem vertrauen ſtehet/ indem deſſelben zeugnuͤß wol von dem conſiſtorio moͤchte erfordert wer- den. Ja er wird je mehr und mehr erfahren/ wie wol es gerathen gewe- ſen/ wann ich gleich anfangs verlangt/ allen muͤglichen fleiß anzuwenden/ deſſen liebe/ auch mit vielem weichen/ als lang es ohne verletzung des ge- wiſſens geſchehen koͤnte/ zu gewinnen/ damit wo bey ihm allgemach und mit vieler gedult ein gutes vertrauen erſt geſtifftet waͤre/ nachmal mit ſeiner beytretung das werck des HErrn mit mehr durchbruch getrieben werden koͤnte/ als wo man ihn gegen ſich hat; Jndem deſſen entziehung oder wi- derſtand zur hindernuͤß mehr thue/ als aller fleiß/ den man gebrauchte/ da- gegen außrichten koͤnte. Wie auch dieſes das mittel geweſen/ als nach Franckfurth am Mayn kam/ und ohne die uͤbrige/ vier uͤber 60. jaͤhrige maͤnner in dem miniſterio fand/ denen ich als ſenior vorgeſetzet worden/ durch GOttes gnade einen guten grund auf das kuͤnfftige zu legen/ daß faſt alles mein thun und laſſen dahin ging/ ſolcher leute gemuͤther (und daſ- ſelbe mit vielen weichen und gedult) zu gewinnen/ darzu auch der HErr ſe- gen gegeben/ ich aber darnach mehr und mehr gelegenheit bekommen ohne ihren widerſtand manches noͤthige anzufangen/ was ohne jene vorberei- tung nicht durchgetrungen haͤtte. Doch nehme ich hiebey aus/ wo der buͤrger einer laͤſterung gegen den heiligen Apoſtel Paulum mit tuͤchtigen zeugen/ dann ohne dieſelbe iſt alles vergebens/ uͤberzeuget werden kan/ daß ſolches ſchrifftlich dem conſiſtorio denunciiret werden muͤſſe. Was end- lich die boͤſe nachrede anlanget bey den benachtbarten predigern/ dadurch denn viele gegen denſelben eingenommen ſeyen/ iſt ein kraͤfftigers mittel dargegen/ als beſtaͤndiges anhalten in treuem amtsfleiß und emſiger lehr/ damit alſo das falſche durch die that ſelds am kraͤfftigſten und gewiſſeſten widerleget/ und wie der nebel durch der ſonnen glantz vertrieben werde; wie der-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/328>, abgerufen am 28.04.2024.