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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. IV. SECTIO XXIII.
aber mit einem willigen weichen/ wenn andere einerley massen ziemliche ursachen
entgegen gehalten werden.

SECTIO XXIII.
Als eines theologi hauß-frau in schwere geistli-
che anfechtung gerathen. Dero frucht.

HErr D. betrübtes wegen seiner Fr. Eheliebsten habe mitleidig ver-
standen/ zweiffele aber nicht/ daß derselbe nach seiner theologischen erfah-
rung auch den heilsamen rath GOttes in solcher sache erkennen/ und in
dem/ was dem natürlichen menschen schwer vorkommet/ einige ursachen des prei-
ses seines GOttes finden werde. Es haben solche zustände sonderlich in den be-
deuteten umständen ihre vornehmste ursach in den leiblichen/ und sind also des lei-
bes schwachheiten/ wie aber seel und leib so genau mit einander vereiniget/ so muß
jene alsobalden mit diesen zugleich leiden. Sind nun es leute/ die sich sonsten ihr
christenthum haben rechtschaffen lassen angelegen/ und ihre inniglichste sorge seyn/
so ist nichts gemeiner/ als daß in solcher ihrer seelen durch die leibes-disposition ver-
ursachter unordnung geistliche anfechtungen dazu schlagen/ und weil man in sol-
cher bewandnüß der seelen den glauben nicht wie zu vorigen ruhigen zeiten bey sich
fühlet/ so ist die tentatio de inexistentiafidei ihre gemeine aber gewißlich recht
höllische/ marter. Wie aber solches eben deswegen ein zeugnüß ihrer aufrichtig-
keit und ernstes in dem christenthum zu seyn pfleget/ also ist auch gewiß/ daß der
himmlische Vater es gantz getreu mit ihnen meinet/ und in solcher schul sie offt meh-
rers lernen lässet/ als sie ihr lebetag gemeinet/ wo sie sich solcher gelegenheit recht
gebrauchen/ und weislich von denen/ die um sie sind/ angewiesen werden. Ach
was vor eine gründliche erkäntnüß des eigenen nichts; niederschlagung aller von
sich und seiner eigenen heiligkeit gehabter einbildung/ practische erlernung des ar-
ticuls von der gnaden-rechtfertigung/ verleidung der eitelkeit der welt/ reinigung
des gewissens und dessen sorgfältiger verwahrung/ sanfftmuth und gedult gegen
die gebrechen des nechsten/ inneres hertzens gebet/ (da sie klagen/ sie beteten nicht/
und könten nicht beten) erfahrung der wege GOTTES und seiner treuen füh-
rung/ und anders dergleichen/ wird durch diese heilige übung gewircket/ und recht
erfüllet/ was der liebe apostel Heb. 12/ 11. rühmet. Jch habe durch GOTTES
gnaden dergleichen viele exempel gesehen/ und ist wircklich eines mir jetzo auch bey
uns bekant/ einer gottseligen weibs-person/ so in gleicher probe stehet/ und ihrem
GOtt dergleichen jetzo aushalten muß/ der aber GOtt auch gewißlich beystehen
wird. Wie auch ihres orts an gleicher gnade und seligem ausgang nicht zweiflen

will/
IV. Theil. n n n

ARTIC. IV. SECTIO XXIII.
aber mit einem willigen weichen/ wenn andere einerley maſſen ziemliche urſachen
entgegen gehalten werden.

SECTIO XXIII.
Als eines theologi hauß-frau in ſchwere geiſtli-
che anfechtung gerathen. Dero frucht.

HErr D. betruͤbtes wegen ſeiner Fr. Eheliebſten habe mitleidig ver-
ſtanden/ zweiffele aber nicht/ daß derſelbe nach ſeiner theologiſchen erfah-
rung auch den heilſamen rath GOttes in ſolcher ſache erkennen/ und in
dem/ was dem natuͤrlichen menſchen ſchwer vorkommet/ einige urſachen des prei-
ſes ſeines GOttes finden werde. Es haben ſolche zuſtaͤnde ſonderlich in den be-
deuteten umſtaͤnden ihre vornehmſte urſach in den leiblichen/ und ſind alſo des lei-
bes ſchwachheiten/ wie aber ſeel und leib ſo genau mit einander vereiniget/ ſo muß
jene alſobalden mit dieſen zugleich leiden. Sind nun es leute/ die ſich ſonſten ihr
chriſtenthum haben rechtſchaffen laſſen angelegen/ und ihre inniglichſte ſorge ſeyn/
ſo iſt nichts gemeiner/ als daß in ſolcher ihrer ſeelen durch die leibes-diſpoſition ver-
urſachter unordnung geiſtliche anfechtungen dazu ſchlagen/ und weil man in ſol-
cher bewandnuͤß der ſeelen den glauben nicht wie zu vorigen ruhigen zeiten bey ſich
fuͤhlet/ ſo iſt die tentatio de inexiſtentiafidei ihre gemeine aber gewißlich recht
hoͤlliſche/ marter. Wie aber ſolches eben deswegen ein zeugnuͤß ihrer aufrichtig-
keit und ernſtes in dem chriſtenthum zu ſeyn pfleget/ alſo iſt auch gewiß/ daß der
himmliſche Vater es gantz getreu mit ihnen meinet/ und in ſolcher ſchul ſie offt meh-
rers lernen laͤſſet/ als ſie ihr lebetag gemeinet/ wo ſie ſich ſolcher gelegenheit recht
gebrauchen/ und weislich von denen/ die um ſie ſind/ angewieſen werden. Ach
was vor eine gruͤndliche erkaͤntnuͤß des eigenen nichts; niederſchlagung aller von
ſich und ſeiner eigenen heiligkeit gehabter einbildung/ practiſche erlernung des ar-
ticuls von der gnaden-rechtfertigung/ verleidung der eitelkeit der welt/ reinigung
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die gebrechen des nechſten/ inneres hertzens gebet/ (da ſie klagen/ ſie beteten nicht/
und koͤnten nicht beten) erfahrung der wege GOTTES und ſeiner treuen fuͤh-
rung/ und anders dergleichen/ wird durch dieſe heilige uͤbung gewircket/ und recht
erfuͤllet/ was der liebe apoſtel Heb. 12/ 11. ruͤhmet. Jch habe durch GOTTES
gnaden dergleichen viele exempel geſehen/ und iſt wircklich eines mir jetzo auch bey
uns bekant/ einer gottſeligen weibs-perſon/ ſo in gleicher probe ſtehet/ und ihrem
GOtt dergleichen jetzo aushalten muß/ der aber GOtt auch gewißlich beyſtehen
wird. Wie auch ihres orts an gleicher gnade und ſeligem ausgang nicht zweiflen

will/
IV. Theil. n n n
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[465/0477] ARTIC. IV. SECTIO XXIII. aber mit einem willigen weichen/ wenn andere einerley maſſen ziemliche urſachen entgegen gehalten werden. 14. Decembr. 1682. SECTIO XXIII. Als eines theologi hauß-frau in ſchwere geiſtli- che anfechtung gerathen. Dero frucht. HErr D. betruͤbtes wegen ſeiner Fr. Eheliebſten habe mitleidig ver- ſtanden/ zweiffele aber nicht/ daß derſelbe nach ſeiner theologiſchen erfah- rung auch den heilſamen rath GOttes in ſolcher ſache erkennen/ und in dem/ was dem natuͤrlichen menſchen ſchwer vorkommet/ einige urſachen des prei- ſes ſeines GOttes finden werde. Es haben ſolche zuſtaͤnde ſonderlich in den be- deuteten umſtaͤnden ihre vornehmſte urſach in den leiblichen/ und ſind alſo des lei- bes ſchwachheiten/ wie aber ſeel und leib ſo genau mit einander vereiniget/ ſo muß jene alſobalden mit dieſen zugleich leiden. Sind nun es leute/ die ſich ſonſten ihr chriſtenthum haben rechtſchaffen laſſen angelegen/ und ihre inniglichſte ſorge ſeyn/ ſo iſt nichts gemeiner/ als daß in ſolcher ihrer ſeelen durch die leibes-diſpoſition ver- urſachter unordnung geiſtliche anfechtungen dazu ſchlagen/ und weil man in ſol- cher bewandnuͤß der ſeelen den glauben nicht wie zu vorigen ruhigen zeiten bey ſich fuͤhlet/ ſo iſt die tentatio de inexiſtentiafidei ihre gemeine aber gewißlich recht hoͤlliſche/ marter. Wie aber ſolches eben deswegen ein zeugnuͤß ihrer aufrichtig- keit und ernſtes in dem chriſtenthum zu ſeyn pfleget/ alſo iſt auch gewiß/ daß der himmliſche Vater es gantz getreu mit ihnen meinet/ und in ſolcher ſchul ſie offt meh- rers lernen laͤſſet/ als ſie ihr lebetag gemeinet/ wo ſie ſich ſolcher gelegenheit recht gebrauchen/ und weislich von denen/ die um ſie ſind/ angewieſen werden. Ach was vor eine gruͤndliche erkaͤntnuͤß des eigenen nichts; niederſchlagung aller von ſich und ſeiner eigenen heiligkeit gehabter einbildung/ practiſche erlernung des ar- ticuls von der gnaden-rechtfertigung/ verleidung der eitelkeit der welt/ reinigung des gewiſſens und deſſen ſorgfaͤltiger verwahrung/ ſanfftmuth und gedult gegen die gebrechen des nechſten/ inneres hertzens gebet/ (da ſie klagen/ ſie beteten nicht/ und koͤnten nicht beten) erfahrung der wege GOTTES und ſeiner treuen fuͤh- rung/ und anders dergleichen/ wird durch dieſe heilige uͤbung gewircket/ und recht erfuͤllet/ was der liebe apoſtel Heb. 12/ 11. ruͤhmet. Jch habe durch GOTTES gnaden dergleichen viele exempel geſehen/ und iſt wircklich eines mir jetzo auch bey uns bekant/ einer gottſeligen weibs-perſon/ ſo in gleicher probe ſtehet/ und ihrem GOtt dergleichen jetzo aushalten muß/ der aber GOtt auch gewißlich beyſtehen wird. Wie auch ihres orts an gleicher gnade und ſeligem ausgang nicht zweiflen will/ IV. Theil. n n n

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/477>, abgerufen am 30.04.2024.