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Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686.

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vertrauen zu GOTT. Wo aber kein
rechter grund in diesem articul gefaßt wor-
den/ sondern man den guten wercken noch
einigen platz lässet/ daß wir durch diesel-
bige die seeligkeit erwerben müßten/ da ist
stäte forcht und angst/ weil wir niemal/
ob der wercke gnug/ auch dieselbe rein
genug seyen/ gantz versichert wären: wel-
che ungewißheit aber allen frieden schreck-
lich stöhret. Daher wir sehen/ wie leider
in dem Papstum/ weil man die seeligkeit
nicht will bloß als ein geschenck dem glau-
ben geschehen annehmen/ sondern es auch
zum theil den wercken oder tugenden zu-
schreibt/ dadurch man sie erwerben müste/
keine rechtschaffene gewißheit der seeligkeit
ist/ noch seyn kan: weswegen sie auch/ wo
man eine gewißheit lehret/ solches vor eine
vermessenheit verdammen. Daher geschi-
het aber/ daß die gewissen keine ruhe noch
beständigen friede in sich haben können/
da fucht man bald dieses bald jenes werck/
walfahrt/ gelübd/ oder wol gar das clo-
ster-leben/ damit das hertz etwas sich zu-
frieden gebe: aber die ruhe ist bey jedem
gar kurtz/ und zeiget das gewissen bald die
nichtigkeit dessen vor GOttes gericht: da-

mit

vertrauen zu GOTT. Wo aber kein
rechter grund in dieſem articul gefaßt wor-
den/ ſondern man den guten wercken noch
einigen platz laͤſſet/ daß wir durch dieſel-
bige die ſeeligkeit erwerben muͤßten/ da iſt
ſtaͤte forcht und angſt/ weil wir niemal/
ob der wercke gnug/ auch dieſelbe rein
genug ſeyen/ gantz verſichert waͤren: wel-
che ungewißheit aber allen frieden ſchreck-
lich ſtoͤhret. Daher wir ſehen/ wie leider
in dem Papſtum/ weil man die ſeeligkeit
nicht will bloß als ein geſchenck dem glau-
ben geſchehen annehmen/ ſondern es auch
zum theil den wercken oder tugenden zu-
ſchreibt/ dadurch man ſie erwerben muͤſte/
keine rechtſchaffene gewißheit der ſeeligkeit
iſt/ noch ſeyn kan: weswegen ſie auch/ wo
man eine gewißheit lehret/ ſolches vor eine
vermeſſenheit verdammen. Daher geſchi-
het aber/ daß die gewiſſen keine ruhe noch
beſtaͤndigen friede in ſich haben koͤnnen/
da fucht man bald dieſes bald jenes werck/
walfahrt/ geluͤbd/ oder wol gar das clo-
ſter-leben/ damit das hertz etwas ſich zu-
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[64/0076] vertrauen zu GOTT. Wo aber kein rechter grund in dieſem articul gefaßt wor- den/ ſondern man den guten wercken noch einigen platz laͤſſet/ daß wir durch dieſel- bige die ſeeligkeit erwerben muͤßten/ da iſt ſtaͤte forcht und angſt/ weil wir niemal/ ob der wercke gnug/ auch dieſelbe rein genug ſeyen/ gantz verſichert waͤren: wel- che ungewißheit aber allen frieden ſchreck- lich ſtoͤhret. Daher wir ſehen/ wie leider in dem Papſtum/ weil man die ſeeligkeit nicht will bloß als ein geſchenck dem glau- ben geſchehen annehmen/ ſondern es auch zum theil den wercken oder tugenden zu- ſchreibt/ dadurch man ſie erwerben muͤſte/ keine rechtſchaffene gewißheit der ſeeligkeit iſt/ noch ſeyn kan: weswegen ſie auch/ wo man eine gewißheit lehret/ ſolches vor eine vermeſſenheit verdammen. Daher geſchi- het aber/ daß die gewiſſen keine ruhe noch beſtaͤndigen friede in ſich haben koͤnnen/ da fucht man bald dieſes bald jenes werck/ walfahrt/ geluͤbd/ oder wol gar das clo- ſter-leben/ damit das hertz etwas ſich zu- frieden gebe: aber die ruhe iſt bey jedem gar kurtz/ und zeiget das gewiſſen bald die nichtigkeit deſſen vor GOttes gericht: da- mit

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_friede_1686/76>, abgerufen am 29.04.2024.