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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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"Eine sehr vornehme, sehr schöne und sehr reiche
Dame."

"Hm! und liebt sie mich auch?"

"Mehr, viel mehr, wie Du sie!"

"Und wo steckt denn da das Schlimme?"

"Viel, viel Schlimmes; denn Du kannst nicht treu
sein."

"Woher weißt Du das?"

Die Wahrsagerin zuckte mit den Achseln. Hier
steht noch eine Dame, und hier noch eine -- Du liebst
sie alle; das sollte nicht sein; bringt Dir kein Glück."

"Aber mit dem bunten Leben und dem frühen
Tode hat es doch seine Richtigkeit? Nun denn, so
kann ja auch das Unglück so groß nicht sein. Und
hier hast Du noch etwas zum Lohn für die gute Kunde."

"Danke, nehme nur für das Glück, das ich ver¬
künde, nichts für das Unglück."

"Da wundert es mich freilich nicht, daß Sie so
arm sind, gute Frau! So nehmen Sie's als Boten¬
lohn für den Cziko."

Die Zigeunerin nahm mit wirklichem oder nur ge¬
machtem Widerstreben das Geld und rief dem Knaben,
der während dieser Zeit fortwährend, in sich versunken,
auf seinem Instrumente leise phantasirt hatte, in ihrer
Sprache ein paar Worte zu. Das Kind sprang auf,

„Eine ſehr vornehme, ſehr ſchöne und ſehr reiche
Dame.“

„Hm! und liebt ſie mich auch?“

„Mehr, viel mehr, wie Du ſie!“

„Und wo ſteckt denn da das Schlimme?“

„Viel, viel Schlimmes; denn Du kannſt nicht treu
ſein.“

„Woher weißt Du das?“

Die Wahrſagerin zuckte mit den Achſeln. Hier
ſteht noch eine Dame, und hier noch eine — Du liebſt
ſie alle; das ſollte nicht ſein; bringt Dir kein Glück.“

„Aber mit dem bunten Leben und dem frühen
Tode hat es doch ſeine Richtigkeit? Nun denn, ſo
kann ja auch das Unglück ſo groß nicht ſein. Und
hier haſt Du noch etwas zum Lohn für die gute Kunde.“

„Danke, nehme nur für das Glück, das ich ver¬
künde, nichts für das Unglück.“

„Da wundert es mich freilich nicht, daß Sie ſo
arm ſind, gute Frau! So nehmen Sie's als Boten¬
lohn für den Cziko.“

Die Zigeunerin nahm mit wirklichem oder nur ge¬
machtem Widerſtreben das Geld und rief dem Knaben,
der während dieſer Zeit fortwährend, in ſich verſunken,
auf ſeinem Inſtrumente leiſe phantaſirt hatte, in ihrer
Sprache ein paar Worte zu. Das Kind ſprang auf,

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[142/0152] „Eine ſehr vornehme, ſehr ſchöne und ſehr reiche Dame.“ „Hm! und liebt ſie mich auch?“ „Mehr, viel mehr, wie Du ſie!“ „Und wo ſteckt denn da das Schlimme?“ „Viel, viel Schlimmes; denn Du kannſt nicht treu ſein.“ „Woher weißt Du das?“ Die Wahrſagerin zuckte mit den Achſeln. Hier ſteht noch eine Dame, und hier noch eine — Du liebſt ſie alle; das ſollte nicht ſein; bringt Dir kein Glück.“ „Aber mit dem bunten Leben und dem frühen Tode hat es doch ſeine Richtigkeit? Nun denn, ſo kann ja auch das Unglück ſo groß nicht ſein. Und hier haſt Du noch etwas zum Lohn für die gute Kunde.“ „Danke, nehme nur für das Glück, das ich ver¬ künde, nichts für das Unglück.“ „Da wundert es mich freilich nicht, daß Sie ſo arm ſind, gute Frau! So nehmen Sie's als Boten¬ lohn für den Cziko.“ Die Zigeunerin nahm mit wirklichem oder nur ge¬ machtem Widerſtreben das Geld und rief dem Knaben, der während dieſer Zeit fortwährend, in ſich verſunken, auf ſeinem Inſtrumente leiſe phantaſirt hatte, in ihrer Sprache ein paar Worte zu. Das Kind ſprang auf,

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/152>, abgerufen am 03.05.2024.