Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

den Civilisten; daß sie in der Periode, wo sie anfangen
sollten, sich als Mitglieder eines großen Ganzen, als
angehende Bürger zu fühlen, anfangen, einen Staat
im Staate zu errichten: so haben Sie wahrlich bei¬
sammen, was einem mir halbwegs verständigen Jüng¬
ling den Geschmack an solchem albernen Studenten¬
treiben gründlich verleiden könnte."

"Ja," sagte Bemperlein," und es ist ganz auf¬
fallend, wie lange der Rausch, den sich die jungen
Leute während ihrer glorreichen Studentenzeit trinken,
anhält. Da ist hier in der Nähe unser Landrath --
ein Herr von Sylow, ein Mann von vierzig Jahren
-- der seit mindestens zehn Jahren verheirathet ist.
Gestern nun, als ich mit Julius dort meinen Ab¬
schiedsbesuch machte -- die Kinder sind von jeher sehr
viel zusammen gewesen -- kam der Landrath nach dem
Abendessen auf seine Universitätszeit zu sprechen, und
gab uns, das heißt seinem Hauslehrer und mir, einen
Abriß seiner studentischen Heldenthaten. Glücklicher¬
weise war mein College seiner Zeit ein flotter Bursch
in Halle gewesen, und konnte dem Landrath auf seine
Fragen über den heutigen Stand des Comments die
nöthige Auskunft geben. Und nun hätten Sie den
edlen Herrn sich sollen ereifern hören über die Ver¬
sunkenheit des heutigen Studentenlebens, über die ge¬

F. Spielhagen, Problematische Naturen. I. 16

den Civiliſten; daß ſie in der Periode, wo ſie anfangen
ſollten, ſich als Mitglieder eines großen Ganzen, als
angehende Bürger zu fühlen, anfangen, einen Staat
im Staate zu errichten: ſo haben Sie wahrlich bei¬
ſammen, was einem mir halbwegs verſtändigen Jüng¬
ling den Geſchmack an ſolchem albernen Studenten¬
treiben gründlich verleiden könnte.“

„Ja,“ ſagte Bemperlein,“ und es iſt ganz auf¬
fallend, wie lange der Rauſch, den ſich die jungen
Leute während ihrer glorreichen Studentenzeit trinken,
anhält. Da iſt hier in der Nähe unſer Landrath —
ein Herr von Sylow, ein Mann von vierzig Jahren
— der ſeit mindeſtens zehn Jahren verheirathet iſt.
Geſtern nun, als ich mit Julius dort meinen Ab¬
ſchiedsbeſuch machte — die Kinder ſind von jeher ſehr
viel zuſammen geweſen — kam der Landrath nach dem
Abendeſſen auf ſeine Univerſitätszeit zu ſprechen, und
gab uns, das heißt ſeinem Hauslehrer und mir, einen
Abriß ſeiner ſtudentiſchen Heldenthaten. Glücklicher¬
weiſe war mein College ſeiner Zeit ein flotter Burſch
in Halle geweſen, und konnte dem Landrath auf ſeine
Fragen über den heutigen Stand des Comments die
nöthige Auskunft geben. Und nun hätten Sie den
edlen Herrn ſich ſollen ereifern hören über die Ver¬
ſunkenheit des heutigen Studentenlebens, über die ge¬

F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. I. 16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0251" n="241"/>
den Civili&#x017F;ten; daß &#x017F;ie in der Periode, wo &#x017F;ie anfangen<lb/>
&#x017F;ollten, &#x017F;ich als Mitglieder eines großen Ganzen, als<lb/>
angehende Bürger zu fühlen, anfangen, einen Staat<lb/>
im Staate zu errichten: &#x017F;o haben Sie wahrlich bei¬<lb/>
&#x017F;ammen, was einem mir halbwegs ver&#x017F;tändigen Jüng¬<lb/>
ling den Ge&#x017F;chmack an &#x017F;olchem albernen Studenten¬<lb/>
treiben gründlich verleiden könnte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja,&#x201C; &#x017F;agte Bemperlein,&#x201C; und es i&#x017F;t ganz auf¬<lb/>
fallend, wie lange der Rau&#x017F;ch, den &#x017F;ich die jungen<lb/>
Leute während ihrer glorreichen Studentenzeit trinken,<lb/>
anhält. Da i&#x017F;t hier in der Nähe un&#x017F;er Landrath &#x2014;<lb/>
ein Herr von Sylow, ein Mann von vierzig Jahren<lb/>
&#x2014; der &#x017F;eit minde&#x017F;tens zehn Jahren verheirathet i&#x017F;t.<lb/>
Ge&#x017F;tern nun, als ich mit Julius dort meinen Ab¬<lb/>
&#x017F;chiedsbe&#x017F;uch machte &#x2014; die Kinder &#x017F;ind von jeher &#x017F;ehr<lb/>
viel zu&#x017F;ammen gewe&#x017F;en &#x2014; kam der Landrath nach dem<lb/>
Abende&#x017F;&#x017F;en auf &#x017F;eine Univer&#x017F;itätszeit zu &#x017F;prechen, und<lb/>
gab uns, das heißt &#x017F;einem Hauslehrer und mir, einen<lb/>
Abriß &#x017F;einer &#x017F;tudenti&#x017F;chen Heldenthaten. Glücklicher¬<lb/>
wei&#x017F;e war mein College &#x017F;einer Zeit ein flotter Bur&#x017F;ch<lb/>
in Halle gewe&#x017F;en, und konnte dem Landrath auf &#x017F;eine<lb/>
Fragen über den heutigen Stand des Comments die<lb/>
nöthige Auskunft geben. Und nun hätten Sie den<lb/>
edlen Herrn &#x017F;ich &#x017F;ollen ereifern hören über die Ver¬<lb/>
&#x017F;unkenheit des heutigen Studentenlebens, über die ge¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F. Spielhagen, Problemati&#x017F;che Naturen. <hi rendition="#aq">I.</hi> 16<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0251] den Civiliſten; daß ſie in der Periode, wo ſie anfangen ſollten, ſich als Mitglieder eines großen Ganzen, als angehende Bürger zu fühlen, anfangen, einen Staat im Staate zu errichten: ſo haben Sie wahrlich bei¬ ſammen, was einem mir halbwegs verſtändigen Jüng¬ ling den Geſchmack an ſolchem albernen Studenten¬ treiben gründlich verleiden könnte.“ „Ja,“ ſagte Bemperlein,“ und es iſt ganz auf¬ fallend, wie lange der Rauſch, den ſich die jungen Leute während ihrer glorreichen Studentenzeit trinken, anhält. Da iſt hier in der Nähe unſer Landrath — ein Herr von Sylow, ein Mann von vierzig Jahren — der ſeit mindeſtens zehn Jahren verheirathet iſt. Geſtern nun, als ich mit Julius dort meinen Ab¬ ſchiedsbeſuch machte — die Kinder ſind von jeher ſehr viel zuſammen geweſen — kam der Landrath nach dem Abendeſſen auf ſeine Univerſitätszeit zu ſprechen, und gab uns, das heißt ſeinem Hauslehrer und mir, einen Abriß ſeiner ſtudentiſchen Heldenthaten. Glücklicher¬ weiſe war mein College ſeiner Zeit ein flotter Burſch in Halle geweſen, und konnte dem Landrath auf ſeine Fragen über den heutigen Stand des Comments die nöthige Auskunft geben. Und nun hätten Sie den edlen Herrn ſich ſollen ereifern hören über die Ver¬ ſunkenheit des heutigen Studentenlebens, über die ge¬ F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. I. 16

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/251
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/251>, abgerufen am 09.05.2024.