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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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"Und bis dahin," sagte Melitta in ihrem gewöhn¬
lichen schalkischen Ton, Oswald das Haar aus der
Stirn streichend, "bis dahin, Du träumerischer Träu¬
mer und unverbesserlicher Weltverbesserer, wollen wir
die kurzen Augenblicke genießen, und deshalb mußt Du
morgen nach Barnewitz kommen. Bitte, bitte, lieber
Oswald, ich will auch nur mit Dir sprechen, nur mit Dir
tanzen -- ich muß in diese eine Gesellschaft gehen,
um das Recht zu gewinnen, zehn andere auszuschlagen,
in denen ich -- in denen ich -- mich weniger frei
fühlen würde, wie gerade in dieser. Und ohne Dich
habe ich nicht den mindesten Genuß davon, im Gegen¬
theil, ich werde traurig sein, wie ein Vögelchen, das
man der Freiheit beraubt und in ein enges Bauer
gesteckt hat. Wenn Du aber da bist, liebes Herz, so
will ich fröhlich sein, und tanzen und -- singen --
nein, singen nicht, aber hübsch will ich sein -- sehr
hübsch, und Alles Dir zu Ehren; soll ich weiß ge¬
hen? mit einer Camelie im Haar, oder einer Rose?
Du hast mir noch gar nicht gesagt, wie Du mich
am liebsten siehst? Gott, welch' hölzerner Ritter
Du bist."

Am nächsten Tage, es war ein Sonntag, Nach¬
mittags um 5 Uhr, hielt der Staatswagen vor dem
Portale des Schlosses in Grenwitz. Die schwerfälligen

„Und bis dahin,“ ſagte Melitta in ihrem gewöhn¬
lichen ſchalkiſchen Ton, Oswald das Haar aus der
Stirn ſtreichend, „bis dahin, Du träumeriſcher Träu¬
mer und unverbeſſerlicher Weltverbeſſerer, wollen wir
die kurzen Augenblicke genießen, und deshalb mußt Du
morgen nach Barnewitz kommen. Bitte, bitte, lieber
Oswald, ich will auch nur mit Dir ſprechen, nur mit Dir
tanzen — ich muß in dieſe eine Geſellſchaft gehen,
um das Recht zu gewinnen, zehn andere auszuſchlagen,
in denen ich — in denen ich — mich weniger frei
fühlen würde, wie gerade in dieſer. Und ohne Dich
habe ich nicht den mindeſten Genuß davon, im Gegen¬
theil, ich werde traurig ſein, wie ein Vögelchen, das
man der Freiheit beraubt und in ein enges Bauer
geſteckt hat. Wenn Du aber da biſt, liebes Herz, ſo
will ich fröhlich ſein, und tanzen und — ſingen —
nein, ſingen nicht, aber hübſch will ich ſein — ſehr
hübſch, und Alles Dir zu Ehren; ſoll ich weiß ge¬
hen? mit einer Camelie im Haar, oder einer Roſe?
Du haſt mir noch gar nicht geſagt, wie Du mich
am liebſten ſiehſt? Gott, welch' hölzerner Ritter
Du biſt.“

Am nächſten Tage, es war ein Sonntag, Nach¬
mittags um 5 Uhr, hielt der Staatswagen vor dem
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[6/0016] „Und bis dahin,“ ſagte Melitta in ihrem gewöhn¬ lichen ſchalkiſchen Ton, Oswald das Haar aus der Stirn ſtreichend, „bis dahin, Du träumeriſcher Träu¬ mer und unverbeſſerlicher Weltverbeſſerer, wollen wir die kurzen Augenblicke genießen, und deshalb mußt Du morgen nach Barnewitz kommen. Bitte, bitte, lieber Oswald, ich will auch nur mit Dir ſprechen, nur mit Dir tanzen — ich muß in dieſe eine Geſellſchaft gehen, um das Recht zu gewinnen, zehn andere auszuſchlagen, in denen ich — in denen ich — mich weniger frei fühlen würde, wie gerade in dieſer. Und ohne Dich habe ich nicht den mindeſten Genuß davon, im Gegen¬ theil, ich werde traurig ſein, wie ein Vögelchen, das man der Freiheit beraubt und in ein enges Bauer geſteckt hat. Wenn Du aber da biſt, liebes Herz, ſo will ich fröhlich ſein, und tanzen und — ſingen — nein, ſingen nicht, aber hübſch will ich ſein — ſehr hübſch, und Alles Dir zu Ehren; ſoll ich weiß ge¬ hen? mit einer Camelie im Haar, oder einer Roſe? Du haſt mir noch gar nicht geſagt, wie Du mich am liebſten ſiehſt? Gott, welch' hölzerner Ritter Du biſt.“ Am nächſten Tage, es war ein Sonntag, Nach¬ mittags um 5 Uhr, hielt der Staatswagen vor dem Portale des Schloſſes in Grenwitz. Die ſchwerfälligen

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/16>, abgerufen am 26.04.2024.