sernen Kasten unvermerkt mit einem Rocke, der größere Sohn gieng später daran vorüber, und warf noch ein weißes Tuch darauf, welches er absichtlich von einem entfernten Stuhle holte. Mir fiel's anfangs sehr stark auf, da ich aber den ganzen Tag viel zu thun hatte, so kam mir's wie- der aus dem Sinne.
Der Balbier machte nun auf Verlangen des Kaufmanns eine genaue Beschreibung von der ei- sernen Kasse, welche er bei dem armen Vergolder gesehen hatte; Merkmale und Kennzeichen, welche er angab, trafen mit der gestohlnen vollkommen überein. Alle Anwesende riefen, daß dies die ent- wendete Kasse sei. Um sich ganz zu überzeugen, führte der Kaufmann den Balbier nach seiner Schreibstube, dort stand noch eine eiserne Kasse, sie war der Gestohlnen ganz ähnlich, von einem Meister und mit den nemlichen Zierrathen verfer- tigt worden. Der Balbier versicherte sogleich, daß er eben eine solche Kasse, von dieser Größe und Höhe, mit allem diesen Blumenwerke geziert, bei dem Vergolder gesehen habe, und diese Aussage mit gutem Gewissen jederzeit eidlich zu bestätigen bereit sei. Der Kaufmann machte sogleich die An- zeige bei Gerichte, und Friedrich ward mit seiner ganzen Familie in's Gefängniß geführt. Man durchsuchte überdies seine ganze Wohnung, fand aber weder Kasse noch Geld, nur in einer Komode ein und vierzig ganze Thaler, und drei Louisd'or.
ſernen Kaſten unvermerkt mit einem Rocke, der groͤßere Sohn gieng ſpaͤter daran voruͤber, und warf noch ein weißes Tuch darauf, welches er abſichtlich von einem entfernten Stuhle holte. Mir fiel's anfangs ſehr ſtark auf, da ich aber den ganzen Tag viel zu thun hatte, ſo kam mir's wie- der aus dem Sinne.
Der Balbier machte nun auf Verlangen des Kaufmanns eine genaue Beſchreibung von der ei- ſernen Kaſſe, welche er bei dem armen Vergolder geſehen hatte; Merkmale und Kennzeichen, welche er angab, trafen mit der geſtohlnen vollkommen uͤberein. Alle Anweſende riefen, daß dies die ent- wendete Kaſſe ſei. Um ſich ganz zu uͤberzeugen, fuͤhrte der Kaufmann den Balbier nach ſeiner Schreibſtube, dort ſtand noch eine eiſerne Kaſſe, ſie war der Geſtohlnen ganz aͤhnlich, von einem Meiſter und mit den nemlichen Zierrathen verfer- tigt worden. Der Balbier verſicherte ſogleich, daß er eben eine ſolche Kaſſe, von dieſer Groͤße und Hoͤhe, mit allem dieſen Blumenwerke geziert, bei dem Vergolder geſehen habe, und dieſe Ausſage mit gutem Gewiſſen jederzeit eidlich zu beſtaͤtigen bereit ſei. Der Kaufmann machte ſogleich die An- zeige bei Gerichte, und Friedrich ward mit ſeiner ganzen Familie in's Gefaͤngniß gefuͤhrt. Man durchſuchte uͤberdies ſeine ganze Wohnung, fand aber weder Kaſſe noch Geld, nur in einer Komode ein und vierzig ganze Thaler, und drei Louisd'or.
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ſernen Kaſten unvermerkt mit einem Rocke, der
groͤßere Sohn gieng ſpaͤter daran voruͤber, und
warf noch ein weißes Tuch darauf, welches er
abſichtlich von einem entfernten Stuhle holte.
Mir fiel's anfangs ſehr ſtark auf, da ich aber den
ganzen Tag viel zu thun hatte, ſo kam mir's wie-
der aus dem Sinne.
Der Balbier machte nun auf Verlangen des
Kaufmanns eine genaue Beſchreibung von der ei-
ſernen Kaſſe, welche er bei dem armen Vergolder
geſehen hatte; Merkmale und Kennzeichen, welche
er angab, trafen mit der geſtohlnen vollkommen
uͤberein. Alle Anweſende riefen, daß dies die ent-
wendete Kaſſe ſei. Um ſich ganz zu uͤberzeugen,
fuͤhrte der Kaufmann den Balbier nach ſeiner
Schreibſtube, dort ſtand noch eine eiſerne Kaſſe,
ſie war der Geſtohlnen ganz aͤhnlich, von einem
Meiſter und mit den nemlichen Zierrathen verfer-
tigt worden. Der Balbier verſicherte ſogleich, daß
er eben eine ſolche Kaſſe, von dieſer Groͤße und
Hoͤhe, mit allem dieſen Blumenwerke geziert, bei
dem Vergolder geſehen habe, und dieſe Ausſage
mit gutem Gewiſſen jederzeit eidlich zu beſtaͤtigen
bereit ſei. Der Kaufmann machte ſogleich die An-
zeige bei Gerichte, und Friedrich ward mit ſeiner
ganzen Familie in's Gefaͤngniß gefuͤhrt. Man
durchſuchte uͤberdies ſeine ganze Wohnung, fand
aber weder Kaſſe noch Geld, nur in einer Komode
ein und vierzig ganze Thaler, und drei Louisd'or.
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/139>, abgerufen am 17.06.2024.
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