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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Lychnis.

1. Die Saftdrüse ist der ringförmige Körper, welcher die
Filamente und die Nägel der Kronenblätter trägt, und auf einem
länglichten walzenförmigen Körper sitzt. Er ist inwendig, wo er
eigentlich den Saft absondert, gelb.

2. Der Saft ist theils über der Saftdrüse zwischen den Fi-
lamenten befindlich, theils, wenn er sich anhäuft, fließt er zwi-
schen dieselben und die Nägel der Kronenblätter hindurch, und in
den Grund des Kelch hinab.

3. Der Saft ist gegen den Regen völlig gesichert. Der Kelch
ist oben enge, verursacht also, daß auch die Oeffnung der Röhre,
welche die Nägel der Kronenblätter bilden, enge ist. Um diese
Oeffnung herum bilden die doppelten Ansätze, mit welchen die
Kronenblätter versehen sind, einen Kranz. Dieser macht mit den
Kronenblättern einen Winkel. In diesem Winkel bleibt jeder Re-
gentropfen stehen, welcher auf die innere Oberfläche der Kronen-
blätter gefallen ist, und kann folglich nicht in die Oeffnung der
Röhre hineinfließen. Ferner sind die Nägel der Kronenblätter
breit, und haben oben an beiden Seiten noch einen Fortsatz.
Tab. XIV. 37. zeigt, wie dieselben zum Theil auf einander Uegen,
und wie der rechte Fortsatz eines jeden Kronenblatts an der äuße-
ren Seite des rechter Hand befindlichen nächsten Kronenblatts,
und folglich sein linker Fortsatz an der inneren Seite des linker
Hand befindlichen nächsten Kronenblatts dicht anliegt. Auf solche
Art bilden die Nägel der Kronenblätter eine enge Röhre. Endlich
sind die Filamente unterwärts haaricht, Fig. 38. 40., damit,
wenn ja ein Regentropfen in die Röhre sollte gekommen seyn,
derselbe doch nicht zum Saft gelangen könne.

Die weibliche Blume.

1. Die Saftdrüse ist der ringförmige Körper, welcher auf
dem Rande die Nägel der Kronenblätter, in der Mitte aber den
Fruchtknoten trägt. Derselbe ist inwendig, wo er eigentlich den
Saft absondert, spiegelglatt und gelblich. Soweit die Nägel der
Kronenblätter am Fruchtknoten anliegen, hat dieser ein anderes
Ansehen, als oberwärts, Tab. XIV. 42. 34.; denn er ist schön
dunkelgrün, und glänzt wie Oel, c b, da er oberwärts, b a,
mattgrün und ohne Glanz ist. Dadurch könnte man sich leicht
verleiten lassen, den untersten Theil des Fruchtknotens für die
Saftdrüse zu halten, weil, wenn der unterste Theil eines Frucht-
knotens die Saftdrüse ist, derselbe ein anderes Ansehen zu haben
pflegt, als der oberste. Dieses andere Ansehen verursacht hier
bloß der Saft.

2. Der Saft steigt theils zwischen dem Fruchtknoten und
den Nägeln der Kronenbiätter in die Höhe, theils fließt er
zwischen die letzteren hindurch und in den Grund des Kelchs
hinab.

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Lychnis.

3. Zur Beschützung des Safts vor dem Regen ist hier
eben dieselbe Anstalt getroffen worden, welche bey der männlichen
Blume angezeigt worden ist, den einzigen Umstand ausgenom-
men, daß hier keine haarichte Filamente sind. Zur Erreichung
dieses Endzwecks dient bey beyderley Blumen noch dies, daß die-
selben, da sie sonst aufrecht stehen, bey anhaltendem Regen sich
herabneigen, weil sie von den auf ihnen haftenden Regentropfen
herabgedrückt werden. Am Abend eines Tages, an welchem es
ununterbrochen geregnet hatte, fand ich alle Blumen in einer
solchen Stellung, daß sie die Krone beynahe völlig der Erde zu-
kehrten, und die äußere Oberfläche der Krone war zwar mit Re-
gentropfen benetzt, keinesweges aber die innere.

4. Beiderley Blumen sind Nachtblumen; denn sie fangen
des Abends an zu blühen. Ihre Krone mußte also theils von
einer ansehnlichen Grösse, theils von heller Farbe seyn, damit
sie in der Dunkelheit der Nacht von den Insekten bemerkt würde.
Sie ist also schneeweiß. Ein Saftmaal würde unnütz seyn; da-
her ist keines vorhanden.

Merkwürdig ist noch das Rudiment des Fruchtknotens, wel-
ches die männliche, und die Rudimente der Filamente, welche die
weibliche Blume hat. Ersteres, Tab. XIV. 40. 31., ist ein dün-
ner Stift, welcher in der Mitte der Saftdrüse sitzt, und letztere,
Fig. 34. 42. 31*., sind kleine Zähne, welche auf dem Rande der
Saftdrüse sitzen. Diese Rudimente lehren, daß die Pflanze ei-
gentlich Zwitterblumen haben sollte, da die natürliche Gattung,
zu welcher sie gehört, Zwitterblumen hat. Dergleichen Rudi-
mente von Staubgefäßen hat auch Saluia pratensis und offici-
nalis, Tab. I.
27. 31. 42. und Tab. III. 4. 6. Sie sehen wie
der oberste Theil einer Stecknadel aus, und sind hinter den Fila-
menten befindlich. Da die Saluia zu der Familie gehört, zu
welcher die in der Didynamia gymnospermia vorkommenden
Pflanzen gehören, so sollte sie eigentlich vier Staubgefäße ha-
ben. Dies lehren die Rudimente. Es fragt sich also, ob die
Natur dergleichen Rudimente zu dem Ende hervorgebracht hat,
daß man an denselben erkenne, zu welcher natürlichen Gattung
oder Familie die Pflanzen eigentlich gehören.

5. Für welche Nachtinsekten die Blumen eigentlich be-
stimmt sind, weiß ich nicht. Schwarze Blattläuse fand ich
einmal in den männlichen Blumen. Einige derselben fand ich
in dem Winkel, den die Ansätze der Kronenblätter mit densel-
ben machen. Wäre ich nun meiner Sache nicht gewiß gewe-
sen, so hätten mich vielleicht diese Thierchen irre geführt, und
ich hätte, wie Linne, diese Ansätze für Saftdrüsen gehalten.
Als ich aber den Kelch öffnete, so fand ich den Grund dessel-
ben ganz voll von Blattläusen. Diese wußten also besser Be-

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Lychnis.

1. Die Saftdruͤſe iſt der ringfoͤrmige Koͤrper, welcher die
Filamente und die Naͤgel der Kronenblaͤtter traͤgt, und auf einem
laͤnglichten walzenfoͤrmigen Koͤrper ſitzt. Er iſt inwendig, wo er
eigentlich den Saft abſondert, gelb.

2. Der Saft iſt theils uͤber der Saftdruͤſe zwiſchen den Fi-
lamenten befindlich, theils, wenn er ſich anhaͤuft, fließt er zwi-
ſchen dieſelben und die Naͤgel der Kronenblaͤtter hindurch, und in
den Grund des Kelch hinab.

3. Der Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert. Der Kelch
iſt oben enge, verurſacht alſo, daß auch die Oeffnung der Roͤhre,
welche die Naͤgel der Kronenblaͤtter bilden, enge iſt. Um dieſe
Oeffnung herum bilden die doppelten Anſaͤtze, mit welchen die
Kronenblaͤtter verſehen ſind, einen Kranz. Dieſer macht mit den
Kronenblaͤttern einen Winkel. In dieſem Winkel bleibt jeder Re-
gentropfen ſtehen, welcher auf die innere Oberflaͤche der Kronen-
blaͤtter gefallen iſt, und kann folglich nicht in die Oeffnung der
Roͤhre hineinfließen. Ferner ſind die Naͤgel der Kronenblaͤtter
breit, und haben oben an beiden Seiten noch einen Fortſatz.
Tab. XIV. 37. zeigt, wie dieſelben zum Theil auf einander Uegen,
und wie der rechte Fortſatz eines jeden Kronenblatts an der aͤuße-
ren Seite des rechter Hand befindlichen naͤchſten Kronenblatts,
und folglich ſein linker Fortſatz an der inneren Seite des linker
Hand befindlichen naͤchſten Kronenblatts dicht anliegt. Auf ſolche
Art bilden die Naͤgel der Kronenblaͤtter eine enge Roͤhre. Endlich
ſind die Filamente unterwaͤrts haaricht, Fig. 38. 40., damit,
wenn ja ein Regentropfen in die Roͤhre ſollte gekommen ſeyn,
derſelbe doch nicht zum Saft gelangen koͤnne.

Die weibliche Blume.

1. Die Saftdruͤſe iſt der ringfoͤrmige Koͤrper, welcher auf
dem Rande die Naͤgel der Kronenblaͤtter, in der Mitte aber den
Fruchtknoten traͤgt. Derſelbe iſt inwendig, wo er eigentlich den
Saft abſondert, ſpiegelglatt und gelblich. Soweit die Naͤgel der
Kronenblaͤtter am Fruchtknoten anliegen, hat dieſer ein anderes
Anſehen, als oberwaͤrts, Tab. XIV. 42. 34.; denn er iſt ſchoͤn
dunkelgruͤn, und glaͤnzt wie Oel, c b, da er oberwaͤrts, b a,
mattgruͤn und ohne Glanz iſt. Dadurch koͤnnte man ſich leicht
verleiten laſſen, den unterſten Theil des Fruchtknotens fuͤr die
Saftdruͤſe zu halten, weil, wenn der unterſte Theil eines Frucht-
knotens die Saftdruͤſe iſt, derſelbe ein anderes Anſehen zu haben
pflegt, als der oberſte. Dieſes andere Anſehen verurſacht hier
bloß der Saft.

2. Der Saft ſteigt theils zwiſchen dem Fruchtknoten und
den Naͤgeln der Kronenbiaͤtter in die Hoͤhe, theils fließt er
zwiſchen die letzteren hindurch und in den Grund des Kelchs
hinab.

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Lychnis.

3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen iſt hier
eben dieſelbe Anſtalt getroffen worden, welche bey der maͤnnlichen
Blume angezeigt worden iſt, den einzigen Umſtand ausgenom-
men, daß hier keine haarichte Filamente ſind. Zur Erreichung
dieſes Endzwecks dient bey beyderley Blumen noch dies, daß die-
ſelben, da ſie ſonſt aufrecht ſtehen, bey anhaltendem Regen ſich
herabneigen, weil ſie von den auf ihnen haftenden Regentropfen
herabgedruͤckt werden. Am Abend eines Tages, an welchem es
ununterbrochen geregnet hatte, fand ich alle Blumen in einer
ſolchen Stellung, daß ſie die Krone beynahe voͤllig der Erde zu-
kehrten, und die aͤußere Oberflaͤche der Krone war zwar mit Re-
gentropfen benetzt, keinesweges aber die innere.

4. Beiderley Blumen ſind Nachtblumen; denn ſie fangen
des Abends an zu bluͤhen. Ihre Krone mußte alſo theils von
einer anſehnlichen Groͤſſe, theils von heller Farbe ſeyn, damit
ſie in der Dunkelheit der Nacht von den Inſekten bemerkt wuͤrde.
Sie iſt alſo ſchneeweiß. Ein Saftmaal wuͤrde unnuͤtz ſeyn; da-
her iſt keines vorhanden.

Merkwuͤrdig iſt noch das Rudiment des Fruchtknotens, wel-
ches die maͤnnliche, und die Rudimente der Filamente, welche die
weibliche Blume hat. Erſteres, Tab. XIV. 40. 31., iſt ein duͤn-
ner Stift, welcher in der Mitte der Saftdruͤſe ſitzt, und letztere,
Fig. 34. 42. 31*., ſind kleine Zaͤhne, welche auf dem Rande der
Saftdruͤſe ſitzen. Dieſe Rudimente lehren, daß die Pflanze ei-
gentlich Zwitterblumen haben ſollte, da die natuͤrliche Gattung,
zu welcher ſie gehoͤrt, Zwitterblumen hat. Dergleichen Rudi-
mente von Staubgefaͤßen hat auch Saluia pratenſis und offici-
nalis, Tab. I.
27. 31. 42. und Tab. III. 4. 6. Sie ſehen wie
der oberſte Theil einer Stecknadel aus, und ſind hinter den Fila-
menten befindlich. Da die Saluia zu der Familie gehoͤrt, zu
welcher die in der Didynamia gymnoſpermia vorkommenden
Pflanzen gehoͤren, ſo ſollte ſie eigentlich vier Staubgefaͤße ha-
ben. Dies lehren die Rudimente. Es fragt ſich alſo, ob die
Natur dergleichen Rudimente zu dem Ende hervorgebracht hat,
daß man an denſelben erkenne, zu welcher natuͤrlichen Gattung
oder Familie die Pflanzen eigentlich gehoͤren.

5. Fuͤr welche Nachtinſekten die Blumen eigentlich be-
ſtimmt ſind, weiß ich nicht. Schwarze Blattlaͤuſe fand ich
einmal in den maͤnnlichen Blumen. Einige derſelben fand ich
in dem Winkel, den die Anſaͤtze der Kronenblaͤtter mit denſel-
ben machen. Waͤre ich nun meiner Sache nicht gewiß gewe-
ſen, ſo haͤtten mich vielleicht dieſe Thierchen irre gefuͤhrt, und
ich haͤtte, wie Linné, dieſe Anſaͤtze fuͤr Saftdruͤſen gehalten.
Als ich aber den Kelch oͤffnete, ſo fand ich den Grund deſſel-
ben ganz voll von Blattlaͤuſen. Dieſe wußten alſo beſſer Be-

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In dieſem Winkel bleibt jeder Re- gentropfen ſtehen, welcher auf die innere Oberflaͤche der Kronen- blaͤtter gefallen iſt, und kann folglich nicht in die Oeffnung der Roͤhre hineinfließen. Ferner ſind die Naͤgel der Kronenblaͤtter breit, und haben oben an beiden Seiten noch einen Fortſatz. Tab. XIV. 37. zeigt, wie dieſelben zum Theil auf einander Uegen, und wie der rechte Fortſatz eines jeden Kronenblatts an der aͤuße- ren Seite des rechter Hand befindlichen naͤchſten Kronenblatts, und folglich ſein linker Fortſatz an der inneren Seite des linker Hand befindlichen naͤchſten Kronenblatts dicht anliegt. Auf ſolche Art bilden die Naͤgel der Kronenblaͤtter eine enge Roͤhre. Endlich ſind die Filamente unterwaͤrts haaricht, Fig. 38. 40., damit, wenn ja ein Regentropfen in die Roͤhre ſollte gekommen ſeyn, derſelbe doch nicht zum Saft gelangen koͤnne. Die weibliche Blume. 1. Die Saftdruͤſe iſt der ringfoͤrmige Koͤrper, welcher auf dem Rande die Naͤgel der Kronenblaͤtter, in der Mitte aber den Fruchtknoten traͤgt. Derſelbe iſt inwendig, wo er eigentlich den Saft abſondert, ſpiegelglatt und gelblich. Soweit die Naͤgel der Kronenblaͤtter am Fruchtknoten anliegen, hat dieſer ein anderes Anſehen, als oberwaͤrts, Tab. XIV. 42. 34.; denn er iſt ſchoͤn dunkelgruͤn, und glaͤnzt wie Oel, c b, da er oberwaͤrts, b a, mattgruͤn und ohne Glanz iſt. Dadurch koͤnnte man ſich leicht verleiten laſſen, den unterſten Theil des Fruchtknotens fuͤr die Saftdruͤſe zu halten, weil, wenn der unterſte Theil eines Frucht- knotens die Saftdruͤſe iſt, derſelbe ein anderes Anſehen zu haben pflegt, als der oberſte. Dieſes andere Anſehen verurſacht hier bloß der Saft. 2. Der Saft ſteigt theils zwiſchen dem Fruchtknoten und den Naͤgeln der Kronenbiaͤtter in die Hoͤhe, theils fließt er zwiſchen die letzteren hindurch und in den Grund des Kelchs hinab. 3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen iſt hier eben dieſelbe Anſtalt getroffen worden, welche bey der maͤnnlichen Blume angezeigt worden iſt, den einzigen Umſtand ausgenom- men, daß hier keine haarichte Filamente ſind. Zur Erreichung dieſes Endzwecks dient bey beyderley Blumen noch dies, daß die- ſelben, da ſie ſonſt aufrecht ſtehen, bey anhaltendem Regen ſich herabneigen, weil ſie von den auf ihnen haftenden Regentropfen herabgedruͤckt werden. Am Abend eines Tages, an welchem es ununterbrochen geregnet hatte, fand ich alle Blumen in einer ſolchen Stellung, daß ſie die Krone beynahe voͤllig der Erde zu- kehrten, und die aͤußere Oberflaͤche der Krone war zwar mit Re- gentropfen benetzt, keinesweges aber die innere. 4. Beiderley Blumen ſind Nachtblumen; denn ſie fangen des Abends an zu bluͤhen. Ihre Krone mußte alſo theils von einer anſehnlichen Groͤſſe, theils von heller Farbe ſeyn, damit ſie in der Dunkelheit der Nacht von den Inſekten bemerkt wuͤrde. Sie iſt alſo ſchneeweiß. Ein Saftmaal wuͤrde unnuͤtz ſeyn; da- her iſt keines vorhanden. Merkwuͤrdig iſt noch das Rudiment des Fruchtknotens, wel- ches die maͤnnliche, und die Rudimente der Filamente, welche die weibliche Blume hat. Erſteres, Tab. XIV. 40. 31., iſt ein duͤn- ner Stift, welcher in der Mitte der Saftdruͤſe ſitzt, und letztere, Fig. 34. 42. 31*., ſind kleine Zaͤhne, welche auf dem Rande der Saftdruͤſe ſitzen. Dieſe Rudimente lehren, daß die Pflanze ei- gentlich Zwitterblumen haben ſollte, da die natuͤrliche Gattung, zu welcher ſie gehoͤrt, Zwitterblumen hat. Dergleichen Rudi- mente von Staubgefaͤßen hat auch Saluia pratenſis und offici- nalis, Tab. I. 27. 31. 42. und Tab. III. 4. 6. Sie ſehen wie der oberſte Theil einer Stecknadel aus, und ſind hinter den Fila- menten befindlich. Da die Saluia zu der Familie gehoͤrt, zu welcher die in der Didynamia gymnoſpermia vorkommenden Pflanzen gehoͤren, ſo ſollte ſie eigentlich vier Staubgefaͤße ha- ben. Dies lehren die Rudimente. Es fragt ſich alſo, ob die Natur dergleichen Rudimente zu dem Ende hervorgebracht hat, daß man an denſelben erkenne, zu welcher natuͤrlichen Gattung oder Familie die Pflanzen eigentlich gehoͤren. 5. Fuͤr welche Nachtinſekten die Blumen eigentlich be- ſtimmt ſind, weiß ich nicht. Schwarze Blattlaͤuſe fand ich einmal in den maͤnnlichen Blumen. Einige derſelben fand ich in dem Winkel, den die Anſaͤtze der Kronenblaͤtter mit denſel- ben machen. Waͤre ich nun meiner Sache nicht gewiß gewe- ſen, ſo haͤtten mich vielleicht dieſe Thierchen irre gefuͤhrt, und ich haͤtte, wie Linné, dieſe Anſaͤtze fuͤr Saftdruͤſen gehalten. Als ich aber den Kelch oͤffnete, ſo fand ich den Grund deſſel- ben ganz voll von Blattlaͤuſen. Dieſe wußten alſo beſſer Be- R

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [141]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/141>, abgerufen am 27.04.2024.