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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Tussilago.

3. Diese Blume (ich meine den Blumenknauf) ist eine me-
teorische Tagesblume, indem sie nur bey Tage geöffnet ist, und
nicht zu einer bestimmten Zeit sich öffnet, sondern alsdann, wann
sie von der Sonne beschienen wird. Denn Blumen, welche
Morgens um 7 Uhr von der Sonne beschienen werden, öffnen
sich, da andere, welche im Schatten stehen, noch geschlossen
bleiben, und, wenn sie nicht eher als um 10 Uhr den Sonnen-
strahlen ausgesetzt sind, auch nicht eher sich öffnen. Bey Regen-
wetter hingegen bleiben die Blumen den ganzen Tag lang geschlos-
sen. Der Blumenknauf schließt sich aber so, daß er die oberste
Hälfte der Kelchschuppen und die am Rande stehenden weiblichen
Blumen, welche vorher wagerecht standen, in die Höhe biegt.
Die weiblichen Blumen bilden also alsdenn eine enge Röhre, in
deren Oeffnung nicht leicht Regentropfen hineinfallen können,
Fig. 20. Dies ist der erste Vortheil, den die weiblichen Blumen
verschaffen.

4. Die Blume mußte so gebauet, und alles so eingerichtet
werden, daß sie den Insekten, welchen ihr Saft zur Nahrung
bestimmt ist, in die Augen fiele, und zwar um so viel mehr, da
sie eine von den ersten Frühlingsblumen ist. Dazu dienen 1) die
langen weiblichen Blumen, welche den breiten Rand des Knaufs
ausmachen, ohne welchen die Scheibe nicht sonderlich in die Au-
gen fallen würde. Wenn die Sonne in der Mittagsstunde sehr
warm auf den Blumenknauf scheint, so biegen sich die Plätt-
chen der weiblichen Blumen noch etwas unter die Horizon-
tallinie herab, Fig. 24. Alsdenn werfen sie das Sonnenlicht
da, wo sie sich zurückbiegen, stark zurück. Hierdurch entsteht um
die Zwitterblumen herum ein glänzender Ring, welcher das An-
sehen und die Bemerkbarkeit des Blumenknaufs vergrössert. Und
dies ist der zweyte Nutzen, den die weiblichen Blumen verschaf-
fen. 2) Kämen die Blätter, wie gewöhnlich, eher hervor, als
die Blumen, so würden sie, da sie sehr groß sind, dieselben be-
decken, und den Insekten unbemerkbar machen. Es mußte also
hier eine Ausnahme von der Regel gemacht werden, und die
Blumen zeigen sich in ihrer größten Schönheit, wann von den
Blättern noch nicht eine Spur zu sehen ist. 3) Weil die Blu-
men so früh blühen, so können sie auch von den benachbarten
Pflanzen nicht sonderlich verdeckt werden, weil diese alsdenn erst
anfangen zu wachsen.

5. Ich fand auf einem Blumenknauf eine Biene, welche zu-
erst das Stigma einer Zwitterblume beleckte, und hernach den
Saugerüssel in den Safthalter steckte, und so eine nach der an-
dern ausleerte. Eine Fliege aber holte bloß den Saft aus den
Blumen, ohne das Stigma zu berühren.

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Tussilago.

Wann die Blume abgeblühet hat, so schließt der Knauf den
Kelch, und neigt sich, Fig. 40. Letzteres geschieht vermuthlich
zu dem Ende, damit der Fruchtboden, aus welchem die jungen
Samenkörner unmittelbar ihre Nahrung erlangen, den Sonnen-
strahlen ausgesetzt sey, und dadurch das Reifen jener befördert
werde. Unterdessen wächst der Stengel immer fort, bis er end-
lich, wann die Samen reif sind, über Einen Fuß lang ist. Als-
denn richtet er sich wieder grade in die Höhe, Fig. 33. Die Ur-
sache hievon ist leicht einzusehen. Denn 1) je höher die Samen
stehen, desto mehr sind sie dem Winde ausgesetzt, und desto wei-
ter werden sie von demselben fortgeführt, desto gewisser wird also
die Art allenthalben fortgepflanzt. 2) Die Sonne soll nun nicht
mehr auf den Fruchtboden würken, denn dies wäre, da die Sa-
men reif sind, von keinem Nutzen; aber auf die Haarkrone der
Samen soll sie würken, damit dieselben, durch ihre Strahlen
getrocknet und elastisch gemacht, sich aus einander breiten, eine
gegen die andere drücke, die am Rande befindlichen Samen von
den in der Mitte stehenden, und von jenen wieder die Kelchschup-
pen aus- und abwärts gedrückt werden, Fig. 33., so daß die Sa-
men zusammen eine kugelförmige Gestalt erhalten, Fig. 46, und
man nun eben so wenig den Kelch, sondern bloß den Samen,
sieht, als man vorher die Samen, sondern bloß den Kelch,
sahe. Nachdem nun die Sonne die Samen so weit gebracht,
und das Ihrige gethan hat, so überläßt sie die Aussäung dersel-
ben dem Winde.

Tussilago Petasites. Pestwurz. Tab. XX. 21.
Eine Zwitterblume.

1. 2. Die Saftdrüse und der Safthalter ist, wie bey der
ersten Art. Jene ist nicht so ansehnlich, noch so gelb.

4. Weil bey dieser Art die Blumenknäufe längst dem aufrecht
stehenden Stengel befindlich sind, so fallen sie nicht von oben,
sondern von den Seiten am besten in die Augen. Daher haben
sie eine fast horizontale Stellung, und die Schuppen des Sten-
gels sind von eben der Farbe, als die Blumen, nemlich purpur-
roth, um die Bemerkbarkeit dieser zu vergrössern. Hingegen bey
der ersten Art trägt der Stengel Einen Blumenknauf, welcher
also aufrecht steht, damit er von oben gesehen am besten in die
Augen falle, und eben deswegen sind die Schuppen des Stengels
nicht gefärbt, sondern grün, weil sie von oben gesehen nicht in
die Augen fallen.

Tussilago hybrida. Diese Art hat mit dem Petasites
ungefähr einerley Einrichtung. Weil aber jeder Knauf nur drey
Zwitterblumen hat, so wird dieser Mangel durch die Menge des
Safts, welche eine jede absondert, ersetzt. Denn wenn man
den oberen Theil der Blume zwischen den Fingern zusammen-

[Spaltenumbruch]
Tuſſilago.

3. Dieſe Blume (ich meine den Blumenknauf) iſt eine me-
teoriſche Tagesblume, indem ſie nur bey Tage geoͤffnet iſt, und
nicht zu einer beſtimmten Zeit ſich oͤffnet, ſondern alsdann, wann
ſie von der Sonne beſchienen wird. Denn Blumen, welche
Morgens um 7 Uhr von der Sonne beſchienen werden, oͤffnen
ſich, da andere, welche im Schatten ſtehen, noch geſchloſſen
bleiben, und, wenn ſie nicht eher als um 10 Uhr den Sonnen-
ſtrahlen ausgeſetzt ſind, auch nicht eher ſich oͤffnen. Bey Regen-
wetter hingegen bleiben die Blumen den ganzen Tag lang geſchloſ-
ſen. Der Blumenknauf ſchließt ſich aber ſo, daß er die oberſte
Haͤlfte der Kelchſchuppen und die am Rande ſtehenden weiblichen
Blumen, welche vorher wagerecht ſtanden, in die Hoͤhe biegt.
Die weiblichen Blumen bilden alſo alsdenn eine enge Roͤhre, in
deren Oeffnung nicht leicht Regentropfen hineinfallen koͤnnen,
Fig. 20. Dies iſt der erſte Vortheil, den die weiblichen Blumen
verſchaffen.

4. Die Blume mußte ſo gebauet, und alles ſo eingerichtet
werden, daß ſie den Inſekten, welchen ihr Saft zur Nahrung
beſtimmt iſt, in die Augen fiele, und zwar um ſo viel mehr, da
ſie eine von den erſten Fruͤhlingsblumen iſt. Dazu dienen 1) die
langen weiblichen Blumen, welche den breiten Rand des Knaufs
ausmachen, ohne welchen die Scheibe nicht ſonderlich in die Au-
gen fallen wuͤrde. Wenn die Sonne in der Mittagsſtunde ſehr
warm auf den Blumenknauf ſcheint, ſo biegen ſich die Plaͤtt-
chen der weiblichen Blumen noch etwas unter die Horizon-
tallinie herab, Fig. 24. Alsdenn werfen ſie das Sonnenlicht
da, wo ſie ſich zuruͤckbiegen, ſtark zuruͤck. Hierdurch entſteht um
die Zwitterblumen herum ein glaͤnzender Ring, welcher das An-
ſehen und die Bemerkbarkeit des Blumenknaufs vergroͤſſert. Und
dies iſt der zweyte Nutzen, den die weiblichen Blumen verſchaf-
fen. 2) Kaͤmen die Blaͤtter, wie gewoͤhnlich, eher hervor, als
die Blumen, ſo wuͤrden ſie, da ſie ſehr groß ſind, dieſelben be-
decken, und den Inſekten unbemerkbar machen. Es mußte alſo
hier eine Ausnahme von der Regel gemacht werden, und die
Blumen zeigen ſich in ihrer groͤßten Schoͤnheit, wann von den
Blaͤttern noch nicht eine Spur zu ſehen iſt. 3) Weil die Blu-
men ſo fruͤh bluͤhen, ſo koͤnnen ſie auch von den benachbarten
Pflanzen nicht ſonderlich verdeckt werden, weil dieſe alsdenn erſt
anfangen zu wachſen.

5. Ich fand auf einem Blumenknauf eine Biene, welche zu-
erſt das Stigma einer Zwitterblume beleckte, und hernach den
Saugeruͤſſel in den Safthalter ſteckte, und ſo eine nach der an-
dern ausleerte. Eine Fliege aber holte bloß den Saft aus den
Blumen, ohne das Stigma zu beruͤhren.

[Spaltenumbruch]
Tuſſilago.

Wann die Blume abgebluͤhet hat, ſo ſchließt der Knauf den
Kelch, und neigt ſich, Fig. 40. Letzteres geſchieht vermuthlich
zu dem Ende, damit der Fruchtboden, aus welchem die jungen
Samenkoͤrner unmittelbar ihre Nahrung erlangen, den Sonnen-
ſtrahlen ausgeſetzt ſey, und dadurch das Reifen jener befoͤrdert
werde. Unterdeſſen waͤchſt der Stengel immer fort, bis er end-
lich, wann die Samen reif ſind, uͤber Einen Fuß lang iſt. Als-
denn richtet er ſich wieder grade in die Hoͤhe, Fig. 33. Die Ur-
ſache hievon iſt leicht einzuſehen. Denn 1) je hoͤher die Samen
ſtehen, deſto mehr ſind ſie dem Winde ausgeſetzt, und deſto wei-
ter werden ſie von demſelben fortgefuͤhrt, deſto gewiſſer wird alſo
die Art allenthalben fortgepflanzt. 2) Die Sonne ſoll nun nicht
mehr auf den Fruchtboden wuͤrken, denn dies waͤre, da die Sa-
men reif ſind, von keinem Nutzen; aber auf die Haarkrone der
Samen ſoll ſie wuͤrken, damit dieſelben, durch ihre Strahlen
getrocknet und elaſtiſch gemacht, ſich aus einander breiten, eine
gegen die andere druͤcke, die am Rande befindlichen Samen von
den in der Mitte ſtehenden, und von jenen wieder die Kelchſchup-
pen aus- und abwaͤrts gedruͤckt werden, Fig. 33., ſo daß die Sa-
men zuſammen eine kugelfoͤrmige Geſtalt erhalten, Fig. 46, und
man nun eben ſo wenig den Kelch, ſondern bloß den Samen,
ſieht, als man vorher die Samen, ſondern bloß den Kelch,
ſahe. Nachdem nun die Sonne die Samen ſo weit gebracht,
und das Ihrige gethan hat, ſo uͤberlaͤßt ſie die Ausſaͤung derſel-
ben dem Winde.

Tuſſilago Petaſites. Peſtwurz. Tab. XX. 21.
Eine Zwitterblume.

1. 2. Die Saftdruͤſe und der Safthalter iſt, wie bey der
erſten Art. Jene iſt nicht ſo anſehnlich, noch ſo gelb.

4. Weil bey dieſer Art die Blumenknaͤufe laͤngſt dem aufrecht
ſtehenden Stengel befindlich ſind, ſo fallen ſie nicht von oben,
ſondern von den Seiten am beſten in die Augen. Daher haben
ſie eine faſt horizontale Stellung, und die Schuppen des Sten-
gels ſind von eben der Farbe, als die Blumen, nemlich purpur-
roth, um die Bemerkbarkeit dieſer zu vergroͤſſern. Hingegen bey
der erſten Art traͤgt der Stengel Einen Blumenknauf, welcher
alſo aufrecht ſteht, damit er von oben geſehen am beſten in die
Augen falle, und eben deswegen ſind die Schuppen des Stengels
nicht gefaͤrbt, ſondern gruͤn, weil ſie von oben geſehen nicht in
die Augen fallen.

Tuſſilago hybrida. Dieſe Art hat mit dem Petaſites
ungefaͤhr einerley Einrichtung. Weil aber jeder Knauf nur drey
Zwitterblumen hat, ſo wird dieſer Mangel durch die Menge des
Safts, welche eine jede abſondert, erſetzt. Denn wenn man
den oberen Theil der Blume zwiſchen den Fingern zuſammen-

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Und dies iſt der zweyte Nutzen, den die weiblichen Blumen verſchaf- fen. 2) Kaͤmen die Blaͤtter, wie gewoͤhnlich, eher hervor, als die Blumen, ſo wuͤrden ſie, da ſie ſehr groß ſind, dieſelben be- decken, und den Inſekten unbemerkbar machen. Es mußte alſo hier eine Ausnahme von der Regel gemacht werden, und die Blumen zeigen ſich in ihrer groͤßten Schoͤnheit, wann von den Blaͤttern noch nicht eine Spur zu ſehen iſt. 3) Weil die Blu- men ſo fruͤh bluͤhen, ſo koͤnnen ſie auch von den benachbarten Pflanzen nicht ſonderlich verdeckt werden, weil dieſe alsdenn erſt anfangen zu wachſen. 5. Ich fand auf einem Blumenknauf eine Biene, welche zu- erſt das Stigma einer Zwitterblume beleckte, und hernach den Saugeruͤſſel in den Safthalter ſteckte, und ſo eine nach der an- dern ausleerte. Eine Fliege aber holte bloß den Saft aus den Blumen, ohne das Stigma zu beruͤhren. Wann die Blume abgebluͤhet hat, ſo ſchließt der Knauf den Kelch, und neigt ſich, Fig. 40. Letzteres geſchieht vermuthlich zu dem Ende, damit der Fruchtboden, aus welchem die jungen Samenkoͤrner unmittelbar ihre Nahrung erlangen, den Sonnen- ſtrahlen ausgeſetzt ſey, und dadurch das Reifen jener befoͤrdert werde. Unterdeſſen waͤchſt der Stengel immer fort, bis er end- lich, wann die Samen reif ſind, uͤber Einen Fuß lang iſt. Als- denn richtet er ſich wieder grade in die Hoͤhe, Fig. 33. Die Ur- ſache hievon iſt leicht einzuſehen. Denn 1) je hoͤher die Samen ſtehen, deſto mehr ſind ſie dem Winde ausgeſetzt, und deſto wei- ter werden ſie von demſelben fortgefuͤhrt, deſto gewiſſer wird alſo die Art allenthalben fortgepflanzt. 2) Die Sonne ſoll nun nicht mehr auf den Fruchtboden wuͤrken, denn dies waͤre, da die Sa- men reif ſind, von keinem Nutzen; aber auf die Haarkrone der Samen ſoll ſie wuͤrken, damit dieſelben, durch ihre Strahlen getrocknet und elaſtiſch gemacht, ſich aus einander breiten, eine gegen die andere druͤcke, die am Rande befindlichen Samen von den in der Mitte ſtehenden, und von jenen wieder die Kelchſchup- pen aus- und abwaͤrts gedruͤckt werden, Fig. 33., ſo daß die Sa- men zuſammen eine kugelfoͤrmige Geſtalt erhalten, Fig. 46, und man nun eben ſo wenig den Kelch, ſondern bloß den Samen, ſieht, als man vorher die Samen, ſondern bloß den Kelch, ſahe. Nachdem nun die Sonne die Samen ſo weit gebracht, und das Ihrige gethan hat, ſo uͤberlaͤßt ſie die Ausſaͤung derſel- ben dem Winde. Tuſſilago Petaſites. Peſtwurz. Tab. XX. 21. Eine Zwitterblume. 1. 2. Die Saftdruͤſe und der Safthalter iſt, wie bey der erſten Art. Jene iſt nicht ſo anſehnlich, noch ſo gelb. 4. Weil bey dieſer Art die Blumenknaͤufe laͤngſt dem aufrecht ſtehenden Stengel befindlich ſind, ſo fallen ſie nicht von oben, ſondern von den Seiten am beſten in die Augen. Daher haben ſie eine faſt horizontale Stellung, und die Schuppen des Sten- gels ſind von eben der Farbe, als die Blumen, nemlich purpur- roth, um die Bemerkbarkeit dieſer zu vergroͤſſern. Hingegen bey der erſten Art traͤgt der Stengel Einen Blumenknauf, welcher alſo aufrecht ſteht, damit er von oben geſehen am beſten in die Augen falle, und eben deswegen ſind die Schuppen des Stengels nicht gefaͤrbt, ſondern gruͤn, weil ſie von oben geſehen nicht in die Augen fallen. Tuſſilago hybrida. Dieſe Art hat mit dem Petaſites ungefaͤhr einerley Einrichtung. Weil aber jeder Knauf nur drey Zwitterblumen hat, ſo wird dieſer Mangel durch die Menge des Safts, welche eine jede abſondert, erſetzt. Denn wenn man den oberen Theil der Blume zwiſchen den Fingern zuſammen-

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [200]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/200>, abgerufen am 29.04.2024.