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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Viola.
das Nectarium die eigentlichen Saftdrüsen der Viola ganz richtig
angegeben. Es verschaffte mir kein geringes Vergnügen, da ich
fand, daß er hier eben so, als bey dem Antirrhinum Linaria,
mit mir eben dieselbe Entdeckung gemacht hatte. Was das Veil-
chen betrifft, so kann ich seine und meine Behauptung durch einen
Umstand, dessen Beweiskraft ihm unbekannt gewesen ist, nem[-]
lich durch die Farbe, beweisen.

Die Saftdrüsen sind also die Spitzen der beiden in das Horn
des untersten Kronenblatts sich erstreckenden Fortsätze der unter-
sten Staubgefäße. Diese Spitzen haben eine dunkelgrüne Farbe,
da die Fortsätze selbst blaßgrün sind, eben so, wie bey der Gen-
tiana Pneumonanthe
der Fruchtknoten blaßgrün, die Saftdrüse
aber dunkelgrün ist. In Fig. 1. 7. bey b und 11. ist diese Farbe
durch Punkte angedeutet.

2. Der Safthalter ist das Ende des Horns der Krone. An-
fänglich konnte ich mich nicht darin finden, daß ich in der Viola
canina
zwar hier, aber nicht an den Saftdrüsen, Saft fand.
Endlich aber sahe ich ein, daß dieses ganz natürlich zugeht. Denn
das Ende des Horns hat die Gestalt eines Gewölbes, welches sich
um die auf den Saftdrüsen sitzenden Safttröpfchen herumzieht.
Es zieht folglich dieselben von mehreren Seiten, und also stärker,
an, als die Saftdrüsen, und die Safttröpfchen müssen diesem
stärkeren Zuge folgen, und sich von den Saftdrüsen in das Ende
des Horns begeben. Und hier muß der Saft aus eben derselben
Ursache hangen bleiben, und kann nicht hinab und aus der Blume
hinausfließen, welches er vermöge seiner Schwere zu thun strebt.
Dies ist ein sehr einleuchtendes Beyspiel von der Anziehungskraft,
welche, wie ich in der Einleitung gesagt habe, die Saftblumen
auf den Saft äußern.

3. Daß nun dieser Saft gegen alle Verderbung durch den
Regen völlig gesichert ist, lehrt der Augenschein. Wenn auch
ein Regentropfen der Oeffnung des Horns sich nähern sollte, so
kann er doch nicht in dasselbe hinaufsteigen. Damit aber nicht
einmal selbst jenes geschehen könne, so haben die beiden mittelsten
Kronenblätter grade da, wo es am zweckmäßigsten ist, Haare,
welche man in Fig. 4. sieht. In Fig. 7. sind die Haare des einen
von diesen Kronenblättern bey a noch deutlicher zu sehen. Wann
also einige Regentropfen auf die obersten Kronenblätter gefallen
sind, und, nachdem sie an denselben herabgeflossen sind, sich in
Einen Tropfen vereinigt haben, so muß dieser, sobald er diese
Haare erreicht hat, stehen bleiben. Es ist folglich schlechterdings
unmöglich, daß zu dem Saft ein Regentropfen jemals gelangen
könne.

4. Die Blume soll von den Bienen befruchtet werden. Da-
mit nun diese Insekten sie von weitem leicht bemerken können,
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Viola.
so hat sie eine ansehnliche Krone, welche die von ihr benannte
Farbe hat, nemlich die violette. Und damit dieser Endzweck desto
gewisser erreicht werde, hat sie auch einen sehr angenehmen Ge-
ruch. Dieser Geruch fehlt der Viola tricolor und canina gänz-
lich. Die Ursache hievon ist meiner Meinung nach nicht schwer
zu finden. Denn diese beiden sitzen an aufrecht stehenden Sten-
geln, und machen sich folglich schon durch die Grösse und Farbe
ihrer Krone bemerkbar genug; unser Veilchen hingegen sitzt auf
einem unmittelbar aus der Wurzel entstehenden Stiel, und wird
von den Blättern der Pflanze mehrentheils verdeckt. Dem hier-
aus entstehenden Nachtheil in Ansehung der Bemerkbarkeit wird
durch den Geruch hinlänglich abgeholfen. Hat sich nun eine
Biene, durch die Farbe der Krone und den Geruch gelockt, auf
die Blume begeben, so zeigt ihr das Saftmaal die Oeffnung des
Horns, als den rechten Weg zum Saft. Die violette Krone ist
nemlich in der Mitte weißlich; und über diese weißliche Stelle
laufen auf dem untersten gehörnten Blatt dunkelviolette Adern,
welche gegen die weißliche Farbe stark abstechen, und sich in die
Oeffnung des Horns hineinziehen. Das ganze Saftmaal zeigt
sich in Fig. 4., die Hälfte desselben in Fig. 7. In der letzteren
Figur sieht man, daß auch das mittelste Kronenblatt auf der dem
untersten benachbarten Hälfte einige dunkelviolette Adern hat.
In Fig. 13. sieht man den Haupttheil des Saftmaals auf dem
untersten Kronenblatt. Diese und die 8. Figur zeigen, wie sich
diese Adern in die Oeffnung des Horns ein wenig hineinziehen.
Eine Biene müßte also so dumm als eine Fliege seyn, wenn sie
nicht, sobald sie sich auf eine Blume gesetzt hat, den Saft zu
finden wüßte.

5. Hummeln sowohl, als Bienen besuchen die Blume. Die
letztern setzen sich zwar zuerst auf das unterste Kronenblatt, blei-
ben aber nicht, welches man vermuthen sollte, auf demselben,
sondern laufen von da auf die obersten Kronenblätter, und krie-
chen auf denselben in die Blume hinein, Titelbl. Fig. XI. In
dieser Stellung können sie vermuthlich ihren Saugerüssel beque-
mer in den Safthalter hineinstecken, als wenn sie auf dem unter-
sten Kronenblatt blieben. Auch dasjenige Insekt, dessen ich
bey der Pulmonaria officinalis gedacht habe, besucht die Blume,
und macht es eben so, als die Bienen.

Auf welche Art wird nun unser Veilchen befruchtet?

Um diese Frage, welche verschiedene Jahre hindurch für mich
ein unaußöslich scheinendes Räthsel gewesen ist, gehörig beant-
worten zu können, muß ich den Leser etwas näher mit dem Bau
dieser Blume bekannt machen.

Die fünf Staubgefäße umgeben das Pistill, und verbergen
dasselbe, so daß man weiter nichts als das umgebogene Ende des

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Viola.
das Nectarium die eigentlichen Saftdruͤſen der Viola ganz richtig
angegeben. Es verſchaffte mir kein geringes Vergnuͤgen, da ich
fand, daß er hier eben ſo, als bey dem Antirrhinum Linaria,
mit mir eben dieſelbe Entdeckung gemacht hatte. Was das Veil-
chen betrifft, ſo kann ich ſeine und meine Behauptung durch einen
Umſtand, deſſen Beweiskraft ihm unbekannt geweſen iſt, nem[-]
lich durch die Farbe, beweiſen.

Die Saftdruͤſen ſind alſo die Spitzen der beiden in das Horn
des unterſten Kronenblatts ſich erſtreckenden Fortſaͤtze der unter-
ſten Staubgefaͤße. Dieſe Spitzen haben eine dunkelgruͤne Farbe,
da die Fortſaͤtze ſelbſt blaßgruͤn ſind, eben ſo, wie bey der Gen-
tiana Pneumonanthe
der Fruchtknoten blaßgruͤn, die Saftdruͤſe
aber dunkelgruͤn iſt. In Fig. 1. 7. bey b und 11. iſt dieſe Farbe
durch Punkte angedeutet.

2. Der Safthalter iſt das Ende des Horns der Krone. An-
faͤnglich konnte ich mich nicht darin finden, daß ich in der Viola
canina
zwar hier, aber nicht an den Saftdruͤſen, Saft fand.
Endlich aber ſahe ich ein, daß dieſes ganz natuͤrlich zugeht. Denn
das Ende des Horns hat die Geſtalt eines Gewoͤlbes, welches ſich
um die auf den Saftdruͤſen ſitzenden Safttroͤpfchen herumzieht.
Es zieht folglich dieſelben von mehreren Seiten, und alſo ſtaͤrker,
an, als die Saftdruͤſen, und die Safttroͤpfchen muͤſſen dieſem
ſtaͤrkeren Zuge folgen, und ſich von den Saftdruͤſen in das Ende
des Horns begeben. Und hier muß der Saft aus eben derſelben
Urſache hangen bleiben, und kann nicht hinab und aus der Blume
hinausfließen, welches er vermoͤge ſeiner Schwere zu thun ſtrebt.
Dies iſt ein ſehr einleuchtendes Beyſpiel von der Anziehungskraft,
welche, wie ich in der Einleitung geſagt habe, die Saftblumen
auf den Saft aͤußern.

3. Daß nun dieſer Saft gegen alle Verderbung durch den
Regen voͤllig geſichert iſt, lehrt der Augenſchein. Wenn auch
ein Regentropfen der Oeffnung des Horns ſich naͤhern ſollte, ſo
kann er doch nicht in daſſelbe hinaufſteigen. Damit aber nicht
einmal ſelbſt jenes geſchehen koͤnne, ſo haben die beiden mittelſten
Kronenblaͤtter grade da, wo es am zweckmaͤßigſten iſt, Haare,
welche man in Fig. 4. ſieht. In Fig. 7. ſind die Haare des einen
von dieſen Kronenblaͤttern bey a noch deutlicher zu ſehen. Wann
alſo einige Regentropfen auf die oberſten Kronenblaͤtter gefallen
ſind, und, nachdem ſie an denſelben herabgefloſſen ſind, ſich in
Einen Tropfen vereinigt haben, ſo muß dieſer, ſobald er dieſe
Haare erreicht hat, ſtehen bleiben. Es iſt folglich ſchlechterdings
unmoͤglich, daß zu dem Saft ein Regentropfen jemals gelangen
koͤnne.

4. Die Blume ſoll von den Bienen befruchtet werden. Da-
mit nun dieſe Inſekten ſie von weitem leicht bemerken koͤnnen,
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Viola.
ſo hat ſie eine anſehnliche Krone, welche die von ihr benannte
Farbe hat, nemlich die violette. Und damit dieſer Endzweck deſto
gewiſſer erreicht werde, hat ſie auch einen ſehr angenehmen Ge-
ruch. Dieſer Geruch fehlt der Viola tricolor und canina gaͤnz-
lich. Die Urſache hievon iſt meiner Meinung nach nicht ſchwer
zu finden. Denn dieſe beiden ſitzen an aufrecht ſtehenden Sten-
geln, und machen ſich folglich ſchon durch die Groͤſſe und Farbe
ihrer Krone bemerkbar genug; unſer Veilchen hingegen ſitzt auf
einem unmittelbar aus der Wurzel entſtehenden Stiel, und wird
von den Blaͤttern der Pflanze mehrentheils verdeckt. Dem hier-
aus entſtehenden Nachtheil in Anſehung der Bemerkbarkeit wird
durch den Geruch hinlaͤnglich abgeholfen. Hat ſich nun eine
Biene, durch die Farbe der Krone und den Geruch gelockt, auf
die Blume begeben, ſo zeigt ihr das Saftmaal die Oeffnung des
Horns, als den rechten Weg zum Saft. Die violette Krone iſt
nemlich in der Mitte weißlich; und uͤber dieſe weißliche Stelle
laufen auf dem unterſten gehoͤrnten Blatt dunkelviolette Adern,
welche gegen die weißliche Farbe ſtark abſtechen, und ſich in die
Oeffnung des Horns hineinziehen. Das ganze Saftmaal zeigt
ſich in Fig. 4., die Haͤlfte deſſelben in Fig. 7. In der letzteren
Figur ſieht man, daß auch das mittelſte Kronenblatt auf der dem
unterſten benachbarten Haͤlfte einige dunkelviolette Adern hat.
In Fig. 13. ſieht man den Haupttheil des Saftmaals auf dem
unterſten Kronenblatt. Dieſe und die 8. Figur zeigen, wie ſich
dieſe Adern in die Oeffnung des Horns ein wenig hineinziehen.
Eine Biene muͤßte alſo ſo dumm als eine Fliege ſeyn, wenn ſie
nicht, ſobald ſie ſich auf eine Blume geſetzt hat, den Saft zu
finden wuͤßte.

5. Hummeln ſowohl, als Bienen beſuchen die Blume. Die
letztern ſetzen ſich zwar zuerſt auf das unterſte Kronenblatt, blei-
ben aber nicht, welches man vermuthen ſollte, auf demſelben,
ſondern laufen von da auf die oberſten Kronenblaͤtter, und krie-
chen auf denſelben in die Blume hinein, Titelbl. Fig. XI. In
dieſer Stellung koͤnnen ſie vermuthlich ihren Saugeruͤſſel beque-
mer in den Safthalter hineinſtecken, als wenn ſie auf dem unter-
ſten Kronenblatt blieben. Auch dasjenige Inſekt, deſſen ich
bey der Pulmonaria officinalis gedacht habe, beſucht die Blume,
und macht es eben ſo, als die Bienen.

Auf welche Art wird nun unſer Veilchen befruchtet?

Um dieſe Frage, welche verſchiedene Jahre hindurch fuͤr mich
ein unaußoͤslich ſcheinendes Raͤthſel geweſen iſt, gehoͤrig beant-
worten zu koͤnnen, muß ich den Leſer etwas naͤher mit dem Bau
dieſer Blume bekannt machen.

Die fuͤnf Staubgefaͤße umgeben das Piſtill, und verbergen
daſſelbe, ſo daß man weiter nichts als das umgebogene Ende des

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[[206]/0206] Viola. Viola. das Nectarium die eigentlichen Saftdruͤſen der Viola ganz richtig angegeben. Es verſchaffte mir kein geringes Vergnuͤgen, da ich fand, daß er hier eben ſo, als bey dem Antirrhinum Linaria, mit mir eben dieſelbe Entdeckung gemacht hatte. Was das Veil- chen betrifft, ſo kann ich ſeine und meine Behauptung durch einen Umſtand, deſſen Beweiskraft ihm unbekannt geweſen iſt, nem- lich durch die Farbe, beweiſen. Die Saftdruͤſen ſind alſo die Spitzen der beiden in das Horn des unterſten Kronenblatts ſich erſtreckenden Fortſaͤtze der unter- ſten Staubgefaͤße. Dieſe Spitzen haben eine dunkelgruͤne Farbe, da die Fortſaͤtze ſelbſt blaßgruͤn ſind, eben ſo, wie bey der Gen- tiana Pneumonanthe der Fruchtknoten blaßgruͤn, die Saftdruͤſe aber dunkelgruͤn iſt. In Fig. 1. 7. bey b und 11. iſt dieſe Farbe durch Punkte angedeutet. 2. Der Safthalter iſt das Ende des Horns der Krone. An- faͤnglich konnte ich mich nicht darin finden, daß ich in der Viola canina zwar hier, aber nicht an den Saftdruͤſen, Saft fand. Endlich aber ſahe ich ein, daß dieſes ganz natuͤrlich zugeht. Denn das Ende des Horns hat die Geſtalt eines Gewoͤlbes, welches ſich um die auf den Saftdruͤſen ſitzenden Safttroͤpfchen herumzieht. Es zieht folglich dieſelben von mehreren Seiten, und alſo ſtaͤrker, an, als die Saftdruͤſen, und die Safttroͤpfchen muͤſſen dieſem ſtaͤrkeren Zuge folgen, und ſich von den Saftdruͤſen in das Ende des Horns begeben. Und hier muß der Saft aus eben derſelben Urſache hangen bleiben, und kann nicht hinab und aus der Blume hinausfließen, welches er vermoͤge ſeiner Schwere zu thun ſtrebt. Dies iſt ein ſehr einleuchtendes Beyſpiel von der Anziehungskraft, welche, wie ich in der Einleitung geſagt habe, die Saftblumen auf den Saft aͤußern. 3. Daß nun dieſer Saft gegen alle Verderbung durch den Regen voͤllig geſichert iſt, lehrt der Augenſchein. Wenn auch ein Regentropfen der Oeffnung des Horns ſich naͤhern ſollte, ſo kann er doch nicht in daſſelbe hinaufſteigen. Damit aber nicht einmal ſelbſt jenes geſchehen koͤnne, ſo haben die beiden mittelſten Kronenblaͤtter grade da, wo es am zweckmaͤßigſten iſt, Haare, welche man in Fig. 4. ſieht. In Fig. 7. ſind die Haare des einen von dieſen Kronenblaͤttern bey a noch deutlicher zu ſehen. Wann alſo einige Regentropfen auf die oberſten Kronenblaͤtter gefallen ſind, und, nachdem ſie an denſelben herabgefloſſen ſind, ſich in Einen Tropfen vereinigt haben, ſo muß dieſer, ſobald er dieſe Haare erreicht hat, ſtehen bleiben. Es iſt folglich ſchlechterdings unmoͤglich, daß zu dem Saft ein Regentropfen jemals gelangen koͤnne. 4. Die Blume ſoll von den Bienen befruchtet werden. Da- mit nun dieſe Inſekten ſie von weitem leicht bemerken koͤnnen, ſo hat ſie eine anſehnliche Krone, welche die von ihr benannte Farbe hat, nemlich die violette. Und damit dieſer Endzweck deſto gewiſſer erreicht werde, hat ſie auch einen ſehr angenehmen Ge- ruch. Dieſer Geruch fehlt der Viola tricolor und canina gaͤnz- lich. Die Urſache hievon iſt meiner Meinung nach nicht ſchwer zu finden. Denn dieſe beiden ſitzen an aufrecht ſtehenden Sten- geln, und machen ſich folglich ſchon durch die Groͤſſe und Farbe ihrer Krone bemerkbar genug; unſer Veilchen hingegen ſitzt auf einem unmittelbar aus der Wurzel entſtehenden Stiel, und wird von den Blaͤttern der Pflanze mehrentheils verdeckt. Dem hier- aus entſtehenden Nachtheil in Anſehung der Bemerkbarkeit wird durch den Geruch hinlaͤnglich abgeholfen. Hat ſich nun eine Biene, durch die Farbe der Krone und den Geruch gelockt, auf die Blume begeben, ſo zeigt ihr das Saftmaal die Oeffnung des Horns, als den rechten Weg zum Saft. Die violette Krone iſt nemlich in der Mitte weißlich; und uͤber dieſe weißliche Stelle laufen auf dem unterſten gehoͤrnten Blatt dunkelviolette Adern, welche gegen die weißliche Farbe ſtark abſtechen, und ſich in die Oeffnung des Horns hineinziehen. Das ganze Saftmaal zeigt ſich in Fig. 4., die Haͤlfte deſſelben in Fig. 7. In der letzteren Figur ſieht man, daß auch das mittelſte Kronenblatt auf der dem unterſten benachbarten Haͤlfte einige dunkelviolette Adern hat. In Fig. 13. ſieht man den Haupttheil des Saftmaals auf dem unterſten Kronenblatt. Dieſe und die 8. Figur zeigen, wie ſich dieſe Adern in die Oeffnung des Horns ein wenig hineinziehen. Eine Biene muͤßte alſo ſo dumm als eine Fliege ſeyn, wenn ſie nicht, ſobald ſie ſich auf eine Blume geſetzt hat, den Saft zu finden wuͤßte. 5. Hummeln ſowohl, als Bienen beſuchen die Blume. Die letztern ſetzen ſich zwar zuerſt auf das unterſte Kronenblatt, blei- ben aber nicht, welches man vermuthen ſollte, auf demſelben, ſondern laufen von da auf die oberſten Kronenblaͤtter, und krie- chen auf denſelben in die Blume hinein, Titelbl. Fig. XI. In dieſer Stellung koͤnnen ſie vermuthlich ihren Saugeruͤſſel beque- mer in den Safthalter hineinſtecken, als wenn ſie auf dem unter- ſten Kronenblatt blieben. Auch dasjenige Inſekt, deſſen ich bey der Pulmonaria officinalis gedacht habe, beſucht die Blume, und macht es eben ſo, als die Bienen. Auf welche Art wird nun unſer Veilchen befruchtet? Um dieſe Frage, welche verſchiedene Jahre hindurch fuͤr mich ein unaußoͤslich ſcheinendes Raͤthſel geweſen iſt, gehoͤrig beant- worten zu koͤnnen, muß ich den Leſer etwas naͤher mit dem Bau dieſer Blume bekannt machen. Die fuͤnf Staubgefaͤße umgeben das Piſtill, und verbergen daſſelbe, ſo daß man weiter nichts als das umgebogene Ende des

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [206]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/206>, abgerufen am 28.04.2024.