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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Populus.

17. Der Körper, welcher das Pistill trägt, von unten ge-
sehen.

Die beiden Kätzchen, welche hier abgebildet sind, haben sich
noch nicht gehörig verlängert. Wann sie ihre völlige Länge er-
reicht haben, folglich weit lockerer geworden sind, so werden so-
wohl die Antheren, als die Stigmate von den Schüppchen,
welche sie vor der Nässe schützen sollen, und eben deswegen am
Rande lange Haare haben, weniger verdeckt, so daß also der
Staub der männlichen Kätzchen leichter abfliegen, und an die
Stigmate der weiblichen anfliegen kann.

Den 15. März 1790 standen die Bäume in voller Blüthe.
Vormittags schien die Sonne schön; dabey wehete aber ein ziem-
lich kalter Wind. Auf Bäumen, die demselben ausgesetzt waren,
fand ich keine Bienen, hingegen auf einer Anzahl derselben, welche
von einem kleinen Kiefernwalde gegen denselben geschützt, zugleich
aber von der Sonne völlig beschienen wurde, eine große Menge,
jedoch bloß auf den männlichen, da hingegen auf den weiblichen
sich entweder gar keine, oder nur sehr wenige aufhielten. An
dem starken Summen dieser Insekten konnte man schon in einiger
Entfernung die männlichen Bäume erkennen, und sie von den
weiblichen unterscheiden. Schon hieraus folgt, daß die Blüthen
keinen Saft enthalten können. Denn wenn die Blüthen des weib-
lichen Baums Saft hätten, so würden sie auch von den Bienen
besucht werden; und wenn die Blüthen des männlichen Baums
Saft enthielten, so müßten auch jene damit versehen seyn. Die
Bienen sammlen also bloß den Staub der männlichen Blüthen.
Untersucht man nun beiderley Blüthen, so findet man weder Saft
in denselben, noch bemerkt man, daß sie den geringsten Geruch
haben, oder von weitem merklich in die Augen fallen, indem sie
nichts haben, was man für eine Krone sollte halten können.
Zwar haben die männlichen Kätzchen der Weiden auch keine Kro-
nen; sie fallen aber dennoch stark genug in die Augen, und zwar
vermittelst der Antheren, deren Staub schön gelb ist, und fest
sitzt, wie es bey Saftblumen gewöhnlich und nöthig ist. Die
männlichen Kätzchen der Espen hingegen machen sich zwar an-
fangs ebenfalls durch die Antheren bemerkbar, welche, so lange
sie sich noch nicht geöffnet haben, purpurfarben sind. Daß aber
die Natur hierunter nicht zur Absicht haben könne, daß sie in die
Augen fallen sollen, erhellet daraus, daß dieses ganz vergebens
seyn würde, indem der Staub noch nicht reif, und zur Befruch-
tung tüchtig ist. Sobald sich aber die Antheren geöffnet haben,
sehen sie ganz unansehnlich aus, weil der Staub theils nicht son-
derlich gefärbt, theils sehr flüchtig ist, und vom Winde bald weg-
geführt wird. Es ist also zwischen diesen Kätzchen, des Geruchs
nicht zu gedenken, auch hierin ein großer Unterschied.

[Spaltenumbruch]
Populus.

Den kleinen Körper, welcher die Befruchtungstheile trägt,
Fig. 13. 14. 16. 17., hat Linne anfänglich für ein Nectarium
gehalten (dieser irrigen Meinung ist auch Gleditsch gewesen,
S. 135.), hernach aber, da er vermuthlich bey näherer Untersu-
chung keinen Saft in demselben gefunden, die Krone genannt,
um doch etwas daraus zu machen. Allein auch darin hat er sich
geirrt. Denn eine Krone muß sich durch Farbe, und durch we-
nigstens etwas in die Augen fallende Grösse kenntlich machen;
beides aber fehlt bey diesem kleinen Körper, welcher also zu weiter
nichts bestimmt ist, als die Staubgefäße und das Pistill zu
tragen.

Der Staub der männlichen Blüthen wird also auf das
Stigma der weiblichen nicht durch Insekten, sondern durch den
Wind gebracht, welches sehr leicht geschehen muß. Denn 1) die
männlichen Blüthen bereiten eine große Menge Staubes. 2) Die-
ser Staub ist wirklich ein eigentlicher sehr feiner und trockner
Staub, welcher bey der geringsten Erschütterung abfällt, und
durch das geringste Lüftchen fortgeführt wird. 3) Das Stigma
ist nach Verhältniß der ganzen weiblichen Blüthe sehr groß. Denn
es besteht (Fig. 16. 17.) aus dem ganzen viertheiligen purpurfar-
benen Körper, welcher auf dem Fruchtknoten sitzt, keinesweges
aber aus dem Endpunkte dieser vier Theile, als so vieler Griffel,
wie bey vielen Saftblumen, z. B. dem Galanthus, dem Leu-
coium
etc. 4) Die Blumen beiderley Geschlechts sitzen an hohen
Bäumen, und zwar 5) an solchen Bäumen, die zur Blühezeit
noch keine Blätter haben. Zwischen den männlichen und weibli-
chen Kätzchen bemerkt man den Unterschied, daß diese steif herab-
hangen, jene aber vom Winde hin und her gewehet werden;
denn diese haben einen weit dickeren Stiel, als jene, Fig. 13. 16.
Der Grund dieser verschiedenen Einrichtung ist unstreitig, daß
die weiblichen Kätzchen weit länger dauern sollen, als die männ-
lichen, auch mehr Nahrung nöthig haben, wahrscheinlich aber
geht die Absicht bey derselben auch dahin, damit die Befruchtung
dadurch befördert werde. Denn indem der Wind die männlichen
Kätzchen hin und her wirft, so fällt der Staub desto leichter von
denselben ab, und indem derselbe diesen Staub in horizontaler
Richtung auf die Kätzchen der weiblichen Bäume führt, so em-
pfangen diese, weil sie steif herabhangen, denselben sehr leicht.
Würden sie aber eben so, wie die männlichen Kätzchen, vom
Winde hin und her geworfen, so würden sie in denjenigen Au-
genblicken, in welchen sie eine horizontale Richtung haben, den
Staub nicht so leicht empfangen, sondern dieser würde längst
denselben vorbeyfliegen.

[Spaltenumbruch]
Populus.

17. Der Koͤrper, welcher das Piſtill traͤgt, von unten ge-
ſehen.

Die beiden Kaͤtzchen, welche hier abgebildet ſind, haben ſich
noch nicht gehoͤrig verlaͤngert. Wann ſie ihre voͤllige Laͤnge er-
reicht haben, folglich weit lockerer geworden ſind, ſo werden ſo-
wohl die Antheren, als die Stigmate von den Schuͤppchen,
welche ſie vor der Naͤſſe ſchuͤtzen ſollen, und eben deswegen am
Rande lange Haare haben, weniger verdeckt, ſo daß alſo der
Staub der maͤnnlichen Kaͤtzchen leichter abfliegen, und an die
Stigmate der weiblichen anfliegen kann.

Den 15. Maͤrz 1790 ſtanden die Baͤume in voller Bluͤthe.
Vormittags ſchien die Sonne ſchoͤn; dabey wehete aber ein ziem-
lich kalter Wind. Auf Baͤumen, die demſelben ausgeſetzt waren,
fand ich keine Bienen, hingegen auf einer Anzahl derſelben, welche
von einem kleinen Kiefernwalde gegen denſelben geſchuͤtzt, zugleich
aber von der Sonne voͤllig beſchienen wurde, eine große Menge,
jedoch bloß auf den maͤnnlichen, da hingegen auf den weiblichen
ſich entweder gar keine, oder nur ſehr wenige aufhielten. An
dem ſtarken Summen dieſer Inſekten konnte man ſchon in einiger
Entfernung die maͤnnlichen Baͤume erkennen, und ſie von den
weiblichen unterſcheiden. Schon hieraus folgt, daß die Bluͤthen
keinen Saft enthalten koͤnnen. Denn wenn die Bluͤthen des weib-
lichen Baums Saft haͤtten, ſo wuͤrden ſie auch von den Bienen
beſucht werden; und wenn die Bluͤthen des maͤnnlichen Baums
Saft enthielten, ſo muͤßten auch jene damit verſehen ſeyn. Die
Bienen ſammlen alſo bloß den Staub der maͤnnlichen Bluͤthen.
Unterſucht man nun beiderley Bluͤthen, ſo findet man weder Saft
in denſelben, noch bemerkt man, daß ſie den geringſten Geruch
haben, oder von weitem merklich in die Augen fallen, indem ſie
nichts haben, was man fuͤr eine Krone ſollte halten koͤnnen.
Zwar haben die maͤnnlichen Kaͤtzchen der Weiden auch keine Kro-
nen; ſie fallen aber dennoch ſtark genug in die Augen, und zwar
vermittelſt der Antheren, deren Staub ſchoͤn gelb iſt, und feſt
ſitzt, wie es bey Saftblumen gewoͤhnlich und noͤthig iſt. Die
maͤnnlichen Kaͤtzchen der Espen hingegen machen ſich zwar an-
fangs ebenfalls durch die Antheren bemerkbar, welche, ſo lange
ſie ſich noch nicht geoͤffnet haben, purpurfarben ſind. Daß aber
die Natur hierunter nicht zur Abſicht haben koͤnne, daß ſie in die
Augen fallen ſollen, erhellet daraus, daß dieſes ganz vergebens
ſeyn wuͤrde, indem der Staub noch nicht reif, und zur Befruch-
tung tuͤchtig iſt. Sobald ſich aber die Antheren geoͤffnet haben,
ſehen ſie ganz unanſehnlich aus, weil der Staub theils nicht ſon-
derlich gefaͤrbt, theils ſehr fluͤchtig iſt, und vom Winde bald weg-
gefuͤhrt wird. Es iſt alſo zwiſchen dieſen Kaͤtzchen, des Geruchs
nicht zu gedenken, auch hierin ein großer Unterſchied.

[Spaltenumbruch]
Populus.

Den kleinen Koͤrper, welcher die Befruchtungstheile traͤgt,
Fig. 13. 14. 16. 17., hat Linné anfaͤnglich fuͤr ein Nectarium
gehalten (dieſer irrigen Meinung iſt auch Gleditſch geweſen,
S. 135.), hernach aber, da er vermuthlich bey naͤherer Unterſu-
chung keinen Saft in demſelben gefunden, die Krone genannt,
um doch etwas daraus zu machen. Allein auch darin hat er ſich
geirrt. Denn eine Krone muß ſich durch Farbe, und durch we-
nigſtens etwas in die Augen fallende Groͤſſe kenntlich machen;
beides aber fehlt bey dieſem kleinen Koͤrper, welcher alſo zu weiter
nichts beſtimmt iſt, als die Staubgefaͤße und das Piſtill zu
tragen.

Der Staub der maͤnnlichen Bluͤthen wird alſo auf das
Stigma der weiblichen nicht durch Inſekten, ſondern durch den
Wind gebracht, welches ſehr leicht geſchehen muß. Denn 1) die
maͤnnlichen Bluͤthen bereiten eine große Menge Staubes. 2) Die-
ſer Staub iſt wirklich ein eigentlicher ſehr feiner und trockner
Staub, welcher bey der geringſten Erſchuͤtterung abfaͤllt, und
durch das geringſte Luͤftchen fortgefuͤhrt wird. 3) Das Stigma
iſt nach Verhaͤltniß der ganzen weiblichen Bluͤthe ſehr groß. Denn
es beſteht (Fig. 16. 17.) aus dem ganzen viertheiligen purpurfar-
benen Koͤrper, welcher auf dem Fruchtknoten ſitzt, keinesweges
aber aus dem Endpunkte dieſer vier Theile, als ſo vieler Griffel,
wie bey vielen Saftblumen, z. B. dem Galanthus, dem Leu-
coium
ꝛc. 4) Die Blumen beiderley Geſchlechts ſitzen an hohen
Baͤumen, und zwar 5) an ſolchen Baͤumen, die zur Bluͤhezeit
noch keine Blaͤtter haben. Zwiſchen den maͤnnlichen und weibli-
chen Kaͤtzchen bemerkt man den Unterſchied, daß dieſe ſteif herab-
hangen, jene aber vom Winde hin und her gewehet werden;
denn dieſe haben einen weit dickeren Stiel, als jene, Fig. 13. 16.
Der Grund dieſer verſchiedenen Einrichtung iſt unſtreitig, daß
die weiblichen Kaͤtzchen weit laͤnger dauern ſollen, als die maͤnn-
lichen, auch mehr Nahrung noͤthig haben, wahrſcheinlich aber
geht die Abſicht bey derſelben auch dahin, damit die Befruchtung
dadurch befoͤrdert werde. Denn indem der Wind die maͤnnlichen
Kaͤtzchen hin und her wirft, ſo faͤllt der Staub deſto leichter von
denſelben ab, und indem derſelbe dieſen Staub in horizontaler
Richtung auf die Kaͤtzchen der weiblichen Baͤume fuͤhrt, ſo em-
pfangen dieſe, weil ſie ſteif herabhangen, denſelben ſehr leicht.
Wuͤrden ſie aber eben ſo, wie die maͤnnlichen Kaͤtzchen, vom
Winde hin und her geworfen, ſo wuͤrden ſie in denjenigen Au-
genblicken, in welchen ſie eine horizontale Richtung haben, den
Staub nicht ſo leicht empfangen, ſondern dieſer wuͤrde laͤngſt
denſelben vorbeyfliegen.

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[[232]/0232] Populus. Populus. 17. Der Koͤrper, welcher das Piſtill traͤgt, von unten ge- ſehen. Die beiden Kaͤtzchen, welche hier abgebildet ſind, haben ſich noch nicht gehoͤrig verlaͤngert. Wann ſie ihre voͤllige Laͤnge er- reicht haben, folglich weit lockerer geworden ſind, ſo werden ſo- wohl die Antheren, als die Stigmate von den Schuͤppchen, welche ſie vor der Naͤſſe ſchuͤtzen ſollen, und eben deswegen am Rande lange Haare haben, weniger verdeckt, ſo daß alſo der Staub der maͤnnlichen Kaͤtzchen leichter abfliegen, und an die Stigmate der weiblichen anfliegen kann. Den 15. Maͤrz 1790 ſtanden die Baͤume in voller Bluͤthe. Vormittags ſchien die Sonne ſchoͤn; dabey wehete aber ein ziem- lich kalter Wind. 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Unterſucht man nun beiderley Bluͤthen, ſo findet man weder Saft in denſelben, noch bemerkt man, daß ſie den geringſten Geruch haben, oder von weitem merklich in die Augen fallen, indem ſie nichts haben, was man fuͤr eine Krone ſollte halten koͤnnen. Zwar haben die maͤnnlichen Kaͤtzchen der Weiden auch keine Kro- nen; ſie fallen aber dennoch ſtark genug in die Augen, und zwar vermittelſt der Antheren, deren Staub ſchoͤn gelb iſt, und feſt ſitzt, wie es bey Saftblumen gewoͤhnlich und noͤthig iſt. Die maͤnnlichen Kaͤtzchen der Espen hingegen machen ſich zwar an- fangs ebenfalls durch die Antheren bemerkbar, welche, ſo lange ſie ſich noch nicht geoͤffnet haben, purpurfarben ſind. Daß aber die Natur hierunter nicht zur Abſicht haben koͤnne, daß ſie in die Augen fallen ſollen, erhellet daraus, daß dieſes ganz vergebens ſeyn wuͤrde, indem der Staub noch nicht reif, und zur Befruch- tung tuͤchtig iſt. Sobald ſich aber die Antheren geoͤffnet haben, ſehen ſie ganz unanſehnlich aus, weil der Staub theils nicht ſon- derlich gefaͤrbt, theils ſehr fluͤchtig iſt, und vom Winde bald weg- gefuͤhrt wird. Es iſt alſo zwiſchen dieſen Kaͤtzchen, des Geruchs nicht zu gedenken, auch hierin ein großer Unterſchied. Den kleinen Koͤrper, welcher die Befruchtungstheile traͤgt, Fig. 13. 14. 16. 17., hat Linné anfaͤnglich fuͤr ein Nectarium gehalten (dieſer irrigen Meinung iſt auch Gleditſch geweſen, S. 135.), hernach aber, da er vermuthlich bey naͤherer Unterſu- chung keinen Saft in demſelben gefunden, die Krone genannt, um doch etwas daraus zu machen. Allein auch darin hat er ſich geirrt. Denn eine Krone muß ſich durch Farbe, und durch we- nigſtens etwas in die Augen fallende Groͤſſe kenntlich machen; beides aber fehlt bey dieſem kleinen Koͤrper, welcher alſo zu weiter nichts beſtimmt iſt, als die Staubgefaͤße und das Piſtill zu tragen. Der Staub der maͤnnlichen Bluͤthen wird alſo auf das Stigma der weiblichen nicht durch Inſekten, ſondern durch den Wind gebracht, welches ſehr leicht geſchehen muß. Denn 1) die maͤnnlichen Bluͤthen bereiten eine große Menge Staubes. 2) Die- ſer Staub iſt wirklich ein eigentlicher ſehr feiner und trockner Staub, welcher bey der geringſten Erſchuͤtterung abfaͤllt, und durch das geringſte Luͤftchen fortgefuͤhrt wird. 3) Das Stigma iſt nach Verhaͤltniß der ganzen weiblichen Bluͤthe ſehr groß. Denn es beſteht (Fig. 16. 17.) aus dem ganzen viertheiligen purpurfar- benen Koͤrper, welcher auf dem Fruchtknoten ſitzt, keinesweges aber aus dem Endpunkte dieſer vier Theile, als ſo vieler Griffel, wie bey vielen Saftblumen, z. B. dem Galanthus, dem Leu- coium ꝛc. 4) Die Blumen beiderley Geſchlechts ſitzen an hohen Baͤumen, und zwar 5) an ſolchen Baͤumen, die zur Bluͤhezeit noch keine Blaͤtter haben. Zwiſchen den maͤnnlichen und weibli- chen Kaͤtzchen bemerkt man den Unterſchied, daß dieſe ſteif herab- hangen, jene aber vom Winde hin und her gewehet werden; denn dieſe haben einen weit dickeren Stiel, als jene, Fig. 13. 16. Der Grund dieſer verſchiedenen Einrichtung iſt unſtreitig, daß die weiblichen Kaͤtzchen weit laͤnger dauern ſollen, als die maͤnn- lichen, auch mehr Nahrung noͤthig haben, wahrſcheinlich aber geht die Abſicht bey derſelben auch dahin, damit die Befruchtung dadurch befoͤrdert werde. Denn indem der Wind die maͤnnlichen Kaͤtzchen hin und her wirft, ſo faͤllt der Staub deſto leichter von denſelben ab, und indem derſelbe dieſen Staub in horizontaler Richtung auf die Kaͤtzchen der weiblichen Baͤume fuͤhrt, ſo em- pfangen dieſe, weil ſie ſteif herabhangen, denſelben ſehr leicht. Wuͤrden ſie aber eben ſo, wie die maͤnnlichen Kaͤtzchen, vom Winde hin und her geworfen, ſo wuͤrden ſie in denjenigen Au- genblicken, in welchen ſie eine horizontale Richtung haben, den Staub nicht ſo leicht empfangen, ſondern dieſer wuͤrde laͤngſt denſelben vorbeyfliegen.

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [232]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/232>, abgerufen am 26.04.2024.