Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Campanula.
vermuthlich also, daß in dem vorhergehenden Zustande der
Blume der Griffel wächst, oder die Filamente schon anfangen
einzuschrumpfen und kürzer zu werden, oder daß beides geschieht,
da denn der wie eine Bürste gestaltete oberste Theil des Grif-
fels den Staub der dicht anliegenden Antheren rein abbürsten
muß. Nun fängt die Saftdrüse an, den Saft abzusondern.
Wenn grössere Insekten diesen Saft abholen wollen, so müssen
sie nothwendig den Staub vom Griffel abstreifen, können aber
denselben nicht auf das Stigma bringen, weil noch kein Stigma
da ist. Denn das Stigma ist die innere Seite der drey Stücke,
in welche sich der Griffel erst in der Folge theilet; jetzt liegen
diese Stücke noch dicht an einander, und scheinen Ein Stück
zu seyn. Wann die Blume noch älter geworden ist, so sind
die Staubgefäße vollends ganz eingeschrumpft und verwelkt,
und befinden sich im Grunde der Krone; der Griffel aber hat
sich am Ende in drey Theile getheilt, welche sich auswärts
herumkrümmen. Die äußere Seite derselben ist, wie der ganze
Griffel, blaßblau, die innere aber weiß, aber auch, wie die
äußere mit kurzen Haaren dicht überzogen. Kriecht nun ein
Insekt, welches vorher eine jüngere Blume besucht hat, in
eine ältere hinein, so muß es nothwendig den aus jener mit-
gebrachten Staub auf das Stigma dieser bringen, folglich die
ältere mit dem Staube der jüngeren befruchten.

Die eigentliche Saftdrüse hat Linne entweder nicht ge-
sehen, oder nicht dafür gehalten, indem er die Valveln das
Nectarium nennt. Er, oder einer von seinen Schülern, sagt
in der Dissertation: De nectario florum, daß die Valveln
deswegen dicht zusammenschließen, damit der Saft nicht ver-
dünste. Daß diese Erklärung unrichtig sey, werde ich bey dem
Phyteuma montanum beweisen. In der Dissertation: Spon-
salia plantarum
sagt Er, oder Wahlboom, der Staub
werde, von den Seiten des haarichten Griffels durch gewisse
Kanäle auf das Stigma gebracht (folglich die Blume auf eine
mechanische Art befruchtet). Allein diese Kanäle hat er nicht
gesehen, sondern erdacht.

Warum die Antheren sich in dieser Blume noch eher öff-
nen, als dieselbe völlig aufgebrochen ist, da sie gewöhnlich sol-
ches nach der völligen Entwickelung und Oeffnung der Blumen
zu thun pflegen, ist nicht schwer einzusehen. Die Insekten
sollen den Staub von dem obersten Theil des Griffels abstrei-
fen, und dieser mit dem Staube der Antheren bedeckte Theil
des Griffels thut hier eben die Dienste, welche in andern
Blumen die mit ihrem Staube versehenen Antheren leisten.
So wie nun die Antheren in anderen Blumen, sobald sich
dieselben geöffnet haben, sich auch zu öffuen, und ihren Staub
[Spaltenumbruch]

Campanula.
zu zeigen pflegen: eben so mußte auch hier der oberste Theil
des Griffels gleich nach der Oeffnung der Blume mit Staube
bedeckt seyn. Folglich mußten die Antheren schon vor dieser
Oeffnung sich öffnen, und ihren Staub demselben mittheilen.

Warum die Staubgefäße, sobald sie ihren Staub dem
Griffel überlassen haben, sich von demselben entfernen, sich
krümmen, und zuletzt ganz verwelkt einen kleinen Raum im
Grunde der Krone einnehmen, ist eben so leicht zu begreifen.
Blieben sie so stehen, wie in Fig. 9., so würde die Befruch-
tung nicht vor sich gehen können. Denn die hineinkriechenden
Insekten würden alsdenn die äußere staublose Seite der An-
theren berühren, und der am obersten Theil des Griffels
sitzende Staub würde von ihnen nicht abgestreift werden kön-
nen. Entfernten sie sich zwar vom Griffel, blieben aber steif,
so könnte ein Insekt leicht zwischen ihnen und der Krone
hineinkriechen. Alsdenn würde es die Antheren an den Grif-
fel andrücken, und dadurch sich selbst verhindern, den Staub
vom Griffel rein abzustreifen. Nach der von der Natur ge-
machten Einrichtung aber verursachen die Staubgefäße im
Grunde der Krone kein Hinderniß, da nicht der unterste, son-
dern der oberste Theil des Griffels mit Staub bedeckt ist, und
die hineinkriechenden Insekten können also den Staub vom
obersten Theil des Griffels rein abstreifen.

Ich habe bisher noch keine Insekten in der Blume angetroffen,
ausgenommen Blasenfüße. Diese aber können dieselbe schwer-
lich befruchten, sondern es muß von einem grösseren Insekt
geschehen.

Die Samenkapsel der Campanula rotundifolia hat die
Löcher, aus welchen die Samenkörner herausfallen, an der
Basis; bey der Campanula patula hingegen sind diese Löcher
am Gipfel der Samenkapsel befindlich. Die Absicht dieser
verschiedenen Einrichtung läßt sich leicht entdecken. Aus beiden
sollen die Samenkörner nicht von selbst herausfallen, sondern
durch den Wind herausgeworfen, und weit verstreuet werden.
Die Löcher mußten folglich nicht unterwärts, sondern ober-
wärts angebracht werden, folglich bey der erstern an der Basis,
da sie eben so, wie die Blume herabhängt, bey der letztern
aber am Gipfel, da sie aufrecht steht.

Campanula patula, glomerata und latifolia
haben eine ähnliche Einrichtung, aber eine aufrechte Stellung.
Da nun die Krone der letzten sehr groß ist, so ist sie inwendig
mit langer Wolle überzogen, damit die hineingefallenen Re-
gentropfen nur schwach an derselben haften, und vom Winde
leicht wieder herausgeworfen werden können. In der ersten
habe ich viel Blasenfüße, besonders gelbe, angetroffen.

Cam-

[Spaltenumbruch]

Campanula.
vermuthlich alſo, daß in dem vorhergehenden Zuſtande der
Blume der Griffel waͤchſt, oder die Filamente ſchon anfangen
einzuſchrumpfen und kuͤrzer zu werden, oder daß beides geſchieht,
da denn der wie eine Buͤrſte geſtaltete oberſte Theil des Grif-
fels den Staub der dicht anliegenden Antheren rein abbuͤrſten
muß. Nun faͤngt die Saftdruͤſe an, den Saft abzuſondern.
Wenn groͤſſere Inſekten dieſen Saft abholen wollen, ſo muͤſſen
ſie nothwendig den Staub vom Griffel abſtreifen, koͤnnen aber
denſelben nicht auf das Stigma bringen, weil noch kein Stigma
da iſt. Denn das Stigma iſt die innere Seite der drey Stuͤcke,
in welche ſich der Griffel erſt in der Folge theilet; jetzt liegen
dieſe Stuͤcke noch dicht an einander, und ſcheinen Ein Stuͤck
zu ſeyn. Wann die Blume noch aͤlter geworden iſt, ſo ſind
die Staubgefaͤße vollends ganz eingeſchrumpft und verwelkt,
und befinden ſich im Grunde der Krone; der Griffel aber hat
ſich am Ende in drey Theile getheilt, welche ſich auswaͤrts
herumkruͤmmen. Die aͤußere Seite derſelben iſt, wie der ganze
Griffel, blaßblau, die innere aber weiß, aber auch, wie die
aͤußere mit kurzen Haaren dicht uͤberzogen. Kriecht nun ein
Inſekt, welches vorher eine juͤngere Blume beſucht hat, in
eine aͤltere hinein, ſo muß es nothwendig den aus jener mit-
gebrachten Staub auf das Stigma dieſer bringen, folglich die
aͤltere mit dem Staube der juͤngeren befruchten.

Die eigentliche Saftdruͤſe hat Linné entweder nicht ge-
ſehen, oder nicht dafuͤr gehalten, indem er die Valveln das
Nectarium nennt. Er, oder einer von ſeinen Schuͤlern, ſagt
in der Diſſertation: De nectario florum, daß die Valveln
deswegen dicht zuſammenſchließen, damit der Saft nicht ver-
duͤnſte. Daß dieſe Erklaͤrung unrichtig ſey, werde ich bey dem
Phyteuma montanum beweiſen. In der Diſſertation: Spon-
ſalia plantarum
ſagt Er, oder Wahlboom, der Staub
werde, von den Seiten des haarichten Griffels durch gewiſſe
Kanaͤle auf das Stigma gebracht (folglich die Blume auf eine
mechaniſche Art befruchtet). Allein dieſe Kanaͤle hat er nicht
geſehen, ſondern erdacht.

Warum die Antheren ſich in dieſer Blume noch eher oͤff-
nen, als dieſelbe voͤllig aufgebrochen iſt, da ſie gewoͤhnlich ſol-
ches nach der voͤlligen Entwickelung und Oeffnung der Blumen
zu thun pflegen, iſt nicht ſchwer einzuſehen. Die Inſekten
ſollen den Staub von dem oberſten Theil des Griffels abſtrei-
fen, und dieſer mit dem Staube der Antheren bedeckte Theil
des Griffels thut hier eben die Dienſte, welche in andern
Blumen die mit ihrem Staube verſehenen Antheren leiſten.
So wie nun die Antheren in anderen Blumen, ſobald ſich
dieſelben geoͤffnet haben, ſich auch zu oͤffuen, und ihren Staub
[Spaltenumbruch]

Campanula.
zu zeigen pflegen: eben ſo mußte auch hier der oberſte Theil
des Griffels gleich nach der Oeffnung der Blume mit Staube
bedeckt ſeyn. Folglich mußten die Antheren ſchon vor dieſer
Oeffnung ſich oͤffnen, und ihren Staub demſelben mittheilen.

Warum die Staubgefaͤße, ſobald ſie ihren Staub dem
Griffel uͤberlaſſen haben, ſich von demſelben entfernen, ſich
kruͤmmen, und zuletzt ganz verwelkt einen kleinen Raum im
Grunde der Krone einnehmen, iſt eben ſo leicht zu begreifen.
Blieben ſie ſo ſtehen, wie in Fig. 9., ſo wuͤrde die Befruch-
tung nicht vor ſich gehen koͤnnen. Denn die hineinkriechenden
Inſekten wuͤrden alsdenn die aͤußere ſtaubloſe Seite der An-
theren beruͤhren, und der am oberſten Theil des Griffels
ſitzende Staub wuͤrde von ihnen nicht abgeſtreift werden koͤn-
nen. Entfernten ſie ſich zwar vom Griffel, blieben aber ſteif,
ſo koͤnnte ein Inſekt leicht zwiſchen ihnen und der Krone
hineinkriechen. Alsdenn wuͤrde es die Antheren an den Grif-
fel andruͤcken, und dadurch ſich ſelbſt verhindern, den Staub
vom Griffel rein abzuſtreifen. Nach der von der Natur ge-
machten Einrichtung aber verurſachen die Staubgefaͤße im
Grunde der Krone kein Hinderniß, da nicht der unterſte, ſon-
dern der oberſte Theil des Griffels mit Staub bedeckt iſt, und
die hineinkriechenden Inſekten koͤnnen alſo den Staub vom
oberſten Theil des Griffels rein abſtreifen.

Ich habe bisher noch keine Inſekten in der Blume angetroffen,
ausgenommen Blaſenfuͤße. Dieſe aber koͤnnen dieſelbe ſchwer-
lich befruchten, ſondern es muß von einem groͤſſeren Inſekt
geſchehen.

Die Samenkapſel der Campanula rotundifolia hat die
Loͤcher, aus welchen die Samenkoͤrner herausfallen, an der
Baſis; bey der Campanula patula hingegen ſind dieſe Loͤcher
am Gipfel der Samenkapſel befindlich. Die Abſicht dieſer
verſchiedenen Einrichtung laͤßt ſich leicht entdecken. Aus beiden
ſollen die Samenkoͤrner nicht von ſelbſt herausfallen, ſondern
durch den Wind herausgeworfen, und weit verſtreuet werden.
Die Loͤcher mußten folglich nicht unterwaͤrts, ſondern ober-
waͤrts angebracht werden, folglich bey der erſtern an der Baſis,
da ſie eben ſo, wie die Blume herabhaͤngt, bey der letztern
aber am Gipfel, da ſie aufrecht ſteht.

Campanula patula, glomerata und latifolia
haben eine aͤhnliche Einrichtung, aber eine aufrechte Stellung.
Da nun die Krone der letzten ſehr groß iſt, ſo iſt ſie inwendig
mit langer Wolle uͤberzogen, damit die hineingefallenen Re-
gentropfen nur ſchwach an derſelben haften, und vom Winde
leicht wieder herausgeworfen werden koͤnnen. In der erſten
habe ich viel Blaſenfuͤße, beſonders gelbe, angetroffen.

Cam-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="[68]"/><cb n="111"/><lb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">Campanula.</hi></fw><lb/>
vermuthlich al&#x017F;o, daß in dem vorhergehenden Zu&#x017F;tande der<lb/>
Blume der Griffel wa&#x0364;ch&#x017F;t, oder die Filamente &#x017F;chon anfangen<lb/>
einzu&#x017F;chrumpfen und ku&#x0364;rzer zu werden, oder daß beides ge&#x017F;chieht,<lb/>
da denn der wie eine Bu&#x0364;r&#x017F;te ge&#x017F;taltete ober&#x017F;te Theil des Grif-<lb/>
fels den Staub der dicht anliegenden Antheren rein abbu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
muß. Nun fa&#x0364;ngt die Saftdru&#x0364;&#x017F;e an, den Saft abzu&#x017F;ondern.<lb/>
Wenn gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere In&#x017F;ekten die&#x017F;en Saft abholen wollen, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie nothwendig den Staub vom Griffel ab&#x017F;treifen, ko&#x0364;nnen aber<lb/>
den&#x017F;elben nicht auf das Stigma bringen, weil noch kein Stigma<lb/>
da i&#x017F;t. Denn das Stigma i&#x017F;t die innere Seite der drey Stu&#x0364;cke,<lb/>
in welche &#x017F;ich der Griffel er&#x017F;t in der Folge theilet; jetzt liegen<lb/>
die&#x017F;e Stu&#x0364;cke noch dicht an einander, und &#x017F;cheinen Ein Stu&#x0364;ck<lb/>
zu &#x017F;eyn. Wann die Blume noch a&#x0364;lter geworden i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ind<lb/>
die Staubgefa&#x0364;ße vollends ganz einge&#x017F;chrumpft und verwelkt,<lb/>
und befinden &#x017F;ich im Grunde der Krone; der Griffel aber hat<lb/>
&#x017F;ich am Ende in drey Theile getheilt, welche &#x017F;ich auswa&#x0364;rts<lb/>
herumkru&#x0364;mmen. Die a&#x0364;ußere Seite der&#x017F;elben i&#x017F;t, wie der ganze<lb/>
Griffel, blaßblau, die innere aber weiß, aber auch, wie die<lb/>
a&#x0364;ußere mit kurzen Haaren dicht u&#x0364;berzogen. Kriecht nun ein<lb/>
In&#x017F;ekt, welches vorher eine ju&#x0364;ngere Blume be&#x017F;ucht hat, in<lb/>
eine a&#x0364;ltere hinein, &#x017F;o muß es nothwendig den aus jener mit-<lb/>
gebrachten Staub auf das Stigma die&#x017F;er bringen, folglich die<lb/>
a&#x0364;ltere mit dem Staube der ju&#x0364;ngeren befruchten.</p><lb/>
          <p>Die eigentliche Saftdru&#x0364;&#x017F;e hat <hi rendition="#g">Linn<hi rendition="#aq">é</hi></hi> entweder nicht ge-<lb/>
&#x017F;ehen, oder nicht dafu&#x0364;r gehalten, indem er die Valveln das<lb/><hi rendition="#aq">Nectarium</hi> nennt. Er, oder einer von &#x017F;einen Schu&#x0364;lern, &#x017F;agt<lb/>
in der Di&#x017F;&#x017F;ertation: <hi rendition="#aq">De nectario florum,</hi> daß die Valveln<lb/>
deswegen dicht zu&#x017F;ammen&#x017F;chließen, damit der Saft nicht ver-<lb/>
du&#x0364;n&#x017F;te. Daß die&#x017F;e Erkla&#x0364;rung unrichtig &#x017F;ey, werde ich bey dem<lb/><hi rendition="#aq">Phyteuma montanum</hi> bewei&#x017F;en. In der Di&#x017F;&#x017F;ertation: <hi rendition="#aq">Spon-<lb/>
&#x017F;alia plantarum</hi> &#x017F;agt Er, oder <hi rendition="#g">Wahlboom</hi>, der Staub<lb/>
werde, von den Seiten des haarichten Griffels durch gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Kana&#x0364;le auf das Stigma gebracht (folglich die Blume auf eine<lb/>
mechani&#x017F;che Art befruchtet). Allein die&#x017F;e Kana&#x0364;le hat er nicht<lb/>
ge&#x017F;ehen, &#x017F;ondern erdacht.</p><lb/>
          <p>Warum die Antheren &#x017F;ich in die&#x017F;er Blume noch eher o&#x0364;ff-<lb/>
nen, als die&#x017F;elbe vo&#x0364;llig aufgebrochen i&#x017F;t, da &#x017F;ie gewo&#x0364;hnlich &#x017F;ol-<lb/>
ches nach der vo&#x0364;lligen Entwickelung und Oeffnung der Blumen<lb/>
zu thun pflegen, i&#x017F;t nicht &#x017F;chwer einzu&#x017F;ehen. Die In&#x017F;ekten<lb/>
&#x017F;ollen den Staub von dem ober&#x017F;ten Theil des Griffels ab&#x017F;trei-<lb/>
fen, und die&#x017F;er mit dem Staube der Antheren bedeckte Theil<lb/>
des Griffels thut hier eben die Dien&#x017F;te, welche in andern<lb/>
Blumen die mit ihrem Staube ver&#x017F;ehenen Antheren lei&#x017F;ten.<lb/>
So wie nun die Antheren in anderen Blumen, &#x017F;obald &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;elben geo&#x0364;ff<hi rendition="#aq">n</hi>et haben, &#x017F;ich auch zu o&#x0364;ffuen, und ihren Staub<lb/><cb n="112"/><lb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">Campanula.</hi></fw><lb/>
zu zeigen pflegen: eben &#x017F;o mußte auch hier der ober&#x017F;te Theil<lb/>
des Griffels gleich nach der Oeffnung der Blume mit Staube<lb/>
bedeckt &#x017F;eyn. Folglich mußten die Antheren &#x017F;chon vor die&#x017F;er<lb/>
Oeffnung &#x017F;ich o&#x0364;ffnen, und ihren Staub dem&#x017F;elben mittheilen.</p><lb/>
          <p>Warum die Staubgefa&#x0364;ße, &#x017F;obald &#x017F;ie ihren Staub dem<lb/>
Griffel u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en haben, &#x017F;ich von dem&#x017F;elben entfernen, &#x017F;ich<lb/>
kru&#x0364;mmen, und zuletzt ganz verwelkt einen kleinen Raum im<lb/>
Grunde der Krone einnehmen, i&#x017F;t eben &#x017F;o leicht zu begreifen.<lb/>
Blieben &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;tehen, wie in Fig. 9., &#x017F;o wu&#x0364;rde die Befruch-<lb/>
tung nicht vor &#x017F;ich gehen ko&#x0364;nnen. Denn die hineinkriechenden<lb/>
In&#x017F;ekten wu&#x0364;rden alsdenn die a&#x0364;ußere &#x017F;taublo&#x017F;e Seite der An-<lb/>
theren beru&#x0364;hren, und der am ober&#x017F;ten Theil des Griffels<lb/>
&#x017F;itzende Staub wu&#x0364;rde von ihnen nicht abge&#x017F;treift werden ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Entfernten &#x017F;ie &#x017F;ich zwar vom Griffel, blieben aber &#x017F;teif,<lb/>
&#x017F;o ko&#x0364;nnte ein In&#x017F;ekt leicht zwi&#x017F;chen ihnen und der Krone<lb/>
hineinkriechen. Alsdenn wu&#x0364;rde es die Antheren an den Grif-<lb/>
fel andru&#x0364;cken, und dadurch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t verhindern, den Staub<lb/>
vom Griffel rein abzu&#x017F;treifen. Nach der von der Natur ge-<lb/>
machten Einrichtung aber verur&#x017F;achen die Staubgefa&#x0364;ße im<lb/>
Grunde der Krone kein Hinderniß, da nicht der unter&#x017F;te, &#x017F;on-<lb/>
dern der ober&#x017F;te Theil des Griffels mit Staub bedeckt i&#x017F;t, und<lb/>
die hineinkriechenden In&#x017F;ekten ko&#x0364;nnen al&#x017F;o den Staub vom<lb/>
ober&#x017F;ten Theil des Griffels rein ab&#x017F;treifen.</p><lb/>
          <p>Ich habe bisher noch keine In&#x017F;ekten in der Blume angetroffen,<lb/>
ausgenommen Bla&#x017F;enfu&#x0364;ße. Die&#x017F;e aber ko&#x0364;nnen die&#x017F;elbe &#x017F;chwer-<lb/>
lich befruchten, &#x017F;ondern es muß von einem gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eren In&#x017F;ekt<lb/>
ge&#x017F;chehen.</p><lb/>
          <p>Die Samenkap&#x017F;el der <hi rendition="#aq">Campanula rotundifolia</hi> hat die<lb/>
Lo&#x0364;cher, aus welchen die Samenko&#x0364;rner herausfallen, an der<lb/>
Ba&#x017F;is; bey der <hi rendition="#aq">Campanula patula</hi> hingegen &#x017F;ind die&#x017F;e Lo&#x0364;cher<lb/>
am Gipfel der Samenkap&#x017F;el befindlich. Die Ab&#x017F;icht die&#x017F;er<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Einrichtung la&#x0364;ßt &#x017F;ich leicht entdecken. Aus beiden<lb/>
&#x017F;ollen die Samenko&#x0364;rner nicht von &#x017F;elb&#x017F;t herausfallen, &#x017F;ondern<lb/>
durch den Wind herausgeworfen, und weit ver&#x017F;treuet werden.<lb/>
Die Lo&#x0364;cher mußten folglich nicht unterwa&#x0364;rts, &#x017F;ondern ober-<lb/>
wa&#x0364;rts angebracht werden, folglich bey der er&#x017F;tern an der Ba&#x017F;is,<lb/>
da &#x017F;ie eben &#x017F;o, wie die Blume herabha&#x0364;ngt, bey der letztern<lb/>
aber am Gipfel, da &#x017F;ie aufrecht &#x017F;teht.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Campanula patula, glomerata</hi></hi> und <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">latifolia</hi></hi><lb/>
haben eine a&#x0364;hnliche Einrichtung, aber eine aufrechte Stellung.<lb/>
Da nun die Krone der letzten &#x017F;ehr groß i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie inwendig<lb/>
mit langer Wolle u&#x0364;berzogen, damit die hineingefallenen Re-<lb/>
gentropfen nur &#x017F;chwach an der&#x017F;elben haften, und vom Winde<lb/>
leicht wieder herausgeworfen werden ko&#x0364;nnen. In der er&#x017F;ten<lb/>
habe ich viel Bla&#x017F;enfu&#x0364;ße, be&#x017F;onders gelbe, angetroffen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#aq">Cam-</hi> </hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[68]/0068] Campanula. Campanula. vermuthlich alſo, daß in dem vorhergehenden Zuſtande der Blume der Griffel waͤchſt, oder die Filamente ſchon anfangen einzuſchrumpfen und kuͤrzer zu werden, oder daß beides geſchieht, da denn der wie eine Buͤrſte geſtaltete oberſte Theil des Grif- fels den Staub der dicht anliegenden Antheren rein abbuͤrſten muß. Nun faͤngt die Saftdruͤſe an, den Saft abzuſondern. Wenn groͤſſere Inſekten dieſen Saft abholen wollen, ſo muͤſſen ſie nothwendig den Staub vom Griffel abſtreifen, koͤnnen aber denſelben nicht auf das Stigma bringen, weil noch kein Stigma da iſt. Denn das Stigma iſt die innere Seite der drey Stuͤcke, in welche ſich der Griffel erſt in der Folge theilet; jetzt liegen dieſe Stuͤcke noch dicht an einander, und ſcheinen Ein Stuͤck zu ſeyn. Wann die Blume noch aͤlter geworden iſt, ſo ſind die Staubgefaͤße vollends ganz eingeſchrumpft und verwelkt, und befinden ſich im Grunde der Krone; der Griffel aber hat ſich am Ende in drey Theile getheilt, welche ſich auswaͤrts herumkruͤmmen. Die aͤußere Seite derſelben iſt, wie der ganze Griffel, blaßblau, die innere aber weiß, aber auch, wie die aͤußere mit kurzen Haaren dicht uͤberzogen. Kriecht nun ein Inſekt, welches vorher eine juͤngere Blume beſucht hat, in eine aͤltere hinein, ſo muß es nothwendig den aus jener mit- gebrachten Staub auf das Stigma dieſer bringen, folglich die aͤltere mit dem Staube der juͤngeren befruchten. Die eigentliche Saftdruͤſe hat Linné entweder nicht ge- ſehen, oder nicht dafuͤr gehalten, indem er die Valveln das Nectarium nennt. Er, oder einer von ſeinen Schuͤlern, ſagt in der Diſſertation: De nectario florum, daß die Valveln deswegen dicht zuſammenſchließen, damit der Saft nicht ver- duͤnſte. Daß dieſe Erklaͤrung unrichtig ſey, werde ich bey dem Phyteuma montanum beweiſen. In der Diſſertation: Spon- ſalia plantarum ſagt Er, oder Wahlboom, der Staub werde, von den Seiten des haarichten Griffels durch gewiſſe Kanaͤle auf das Stigma gebracht (folglich die Blume auf eine mechaniſche Art befruchtet). Allein dieſe Kanaͤle hat er nicht geſehen, ſondern erdacht. Warum die Antheren ſich in dieſer Blume noch eher oͤff- nen, als dieſelbe voͤllig aufgebrochen iſt, da ſie gewoͤhnlich ſol- ches nach der voͤlligen Entwickelung und Oeffnung der Blumen zu thun pflegen, iſt nicht ſchwer einzuſehen. Die Inſekten ſollen den Staub von dem oberſten Theil des Griffels abſtrei- fen, und dieſer mit dem Staube der Antheren bedeckte Theil des Griffels thut hier eben die Dienſte, welche in andern Blumen die mit ihrem Staube verſehenen Antheren leiſten. So wie nun die Antheren in anderen Blumen, ſobald ſich dieſelben geoͤffnet haben, ſich auch zu oͤffuen, und ihren Staub zu zeigen pflegen: eben ſo mußte auch hier der oberſte Theil des Griffels gleich nach der Oeffnung der Blume mit Staube bedeckt ſeyn. Folglich mußten die Antheren ſchon vor dieſer Oeffnung ſich oͤffnen, und ihren Staub demſelben mittheilen. Warum die Staubgefaͤße, ſobald ſie ihren Staub dem Griffel uͤberlaſſen haben, ſich von demſelben entfernen, ſich kruͤmmen, und zuletzt ganz verwelkt einen kleinen Raum im Grunde der Krone einnehmen, iſt eben ſo leicht zu begreifen. Blieben ſie ſo ſtehen, wie in Fig. 9., ſo wuͤrde die Befruch- tung nicht vor ſich gehen koͤnnen. Denn die hineinkriechenden Inſekten wuͤrden alsdenn die aͤußere ſtaubloſe Seite der An- theren beruͤhren, und der am oberſten Theil des Griffels ſitzende Staub wuͤrde von ihnen nicht abgeſtreift werden koͤn- nen. Entfernten ſie ſich zwar vom Griffel, blieben aber ſteif, ſo koͤnnte ein Inſekt leicht zwiſchen ihnen und der Krone hineinkriechen. Alsdenn wuͤrde es die Antheren an den Grif- fel andruͤcken, und dadurch ſich ſelbſt verhindern, den Staub vom Griffel rein abzuſtreifen. Nach der von der Natur ge- machten Einrichtung aber verurſachen die Staubgefaͤße im Grunde der Krone kein Hinderniß, da nicht der unterſte, ſon- dern der oberſte Theil des Griffels mit Staub bedeckt iſt, und die hineinkriechenden Inſekten koͤnnen alſo den Staub vom oberſten Theil des Griffels rein abſtreifen. Ich habe bisher noch keine Inſekten in der Blume angetroffen, ausgenommen Blaſenfuͤße. Dieſe aber koͤnnen dieſelbe ſchwer- lich befruchten, ſondern es muß von einem groͤſſeren Inſekt geſchehen. Die Samenkapſel der Campanula rotundifolia hat die Loͤcher, aus welchen die Samenkoͤrner herausfallen, an der Baſis; bey der Campanula patula hingegen ſind dieſe Loͤcher am Gipfel der Samenkapſel befindlich. Die Abſicht dieſer verſchiedenen Einrichtung laͤßt ſich leicht entdecken. Aus beiden ſollen die Samenkoͤrner nicht von ſelbſt herausfallen, ſondern durch den Wind herausgeworfen, und weit verſtreuet werden. Die Loͤcher mußten folglich nicht unterwaͤrts, ſondern ober- waͤrts angebracht werden, folglich bey der erſtern an der Baſis, da ſie eben ſo, wie die Blume herabhaͤngt, bey der letztern aber am Gipfel, da ſie aufrecht ſteht. Campanula patula, glomerata und latifolia haben eine aͤhnliche Einrichtung, aber eine aufrechte Stellung. Da nun die Krone der letzten ſehr groß iſt, ſo iſt ſie inwendig mit langer Wolle uͤberzogen, damit die hineingefallenen Re- gentropfen nur ſchwach an derſelben haften, und vom Winde leicht wieder herausgeworfen werden koͤnnen. In der erſten habe ich viel Blaſenfuͤße, beſonders gelbe, angetroffen. Cam-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/68
Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [68]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/68>, abgerufen am 28.04.2024.