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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Phyteuma.
einem Theil seines Körpers den obersten Theil des Griffels, und
streift den Staub von demselben ab. Hievon aber hat die Blume
keinen Nutzen, weil sie noch kein Stigma hat. Der dritte Zu
stand der Blume fängt damit an, daß das zwey- oder dreylap-
pichte Stigma anfängt sich von einander zu begeben. Alsdenn
pflegen auch die Kronenblätter sich gänzlich von einander zu tren-
nen. Wann nun ein Insekt die Blume in diesem Zustande be-
sucht, so kann es zwar von dem obersten Theil des Griffels keinen
Staub abstreifen, weil derselbe im zweyten Zustande der Blume
schon von anderen Insekten seines Staubes beraubt worden ist;
es berührt aber das Stigma mit eben demjenigen Theil seines
Körpers, mit welchem es vorher den Staub vom obersten Theil
des Griffels einer im zweyten Zustande befindlichen Blume abge-
streift hat, setzt einen Theil desselben auf dasselbe ab, und be-
fruchtet auf solche Art diese ältere Blume mit dem Staube einer
jüngeren.

An ihrem natürlichen Standort die Blumen zu beobachten,
habe ich bisher noch keine Gelegenheit gehabt. Zwey Pflanzen,
welche ich in meinen Garten versetzt hatte, blüheten im letzver-
gangenen Sommer; ich habe aber keine Insekten auf ihren Blu-
men angetroffen.

Phyteuma montanum, d. i., Jasione montana
L.
Schafrapunzel. Tab. X. 18--24. 34.

18. Die Blume im ersten Zustande.

19. Dieselbe, nachdem die Krone weggeschnitten worden.

20. Die Blume im Anfange des zweyten Zustandes.

23. Dieselbe im zweyten Zustande. Die Krone, welche sich
nun schon geöffnet hat, ist weggeschnitten worden.

21. Die Blume im dritten Zustande.

22. Dieselbe, nachdem die Krone weggeschnitten worden.
Der oberste dickere Theil des Griffels ist noch mit Staub bedeckt;
das Stigma hingegen hat keinen Staub. Beides kömmt daher,
weil diese Blume von keinem Insekt hat besucht werden können,
indem sie nicht auf dem Felde, sondern in meinem Hause blühete.

34. Der Griffel einer im dritten Zustande befindlichen Blu-
me, welche auf dem Felde gestanden hatte, folglich von Insekten
besucht worden war. Diese hatten, da die Blume sich im zwey-
ten Zustande befand, den Staub vom obersten Theil des Griffels
abgestreift, und nachher, als sich die Blume im dritten Zustande
befand, das Stigma mit dem aus jüngeren Blumen geholten
Staube versehen.

24. Der Fruchtknoten im Durchschnitt. a b die Saft-
drüse.

Daß Linne diese Pflanze von derjenigen Gattung, zu
welcher sie Kaspar Bauhin, Haller, und andere Schrift-
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Phyteuma.
steller gerechnet haben, getrennet, und zu einer besondern in ei-
ner ganz andern Klasse vorkommenden Gattung gemacht hat,
darin hat er sich übereilet. Denn 1) sie gehört nicht in die Syn-
genesie, da ihre Antheren nicht der ganzen Länge nach zusammen-
gewachsen sind, sondern die Staubgesäße in der Mitte zwischen
den Filamenten und den Antheren nur einen schmalen Ring bil-
den. Ein Anfänger wird also eben so viel Grund zu haben glau-
ben, sie in der Monadelphie, als in der Syngenesie, aufzusu-
chen, oder vielmehr, er wird sie in keiner von beiden Klassen auf-
suchen. 2) Das ganze äußere Ansehen der Pflanze zeigt, daß
sie ein Phyteuma ist. Man vergleiche sie z. B. mit dem Phy-
teuma hemisphaericum.
Die Blumenblätter (bracteae), wel-
che bey beiden unten am Blumenknauf sitzen, hat Liane bey
der Jasione zum äußern Kelch gemacht, beym Phyteuma hinge-
gen, als nicht zur Blume selbst gehörig, welches auch ganz rich-
tig ist, gar nicht angeführt. 3) Hätte Linne gewußt, warum
die Staubgefäße in der Mitte zusammengewachsen sind, so würde
es ihm nicht einmal eingefallen seyn, dieses Umstands wegen jene
Aenderung vorzunehmen.

1. Die Saftdrüse ist der oberste Theil des Fruchtknotens.

2. Der Saft befindet sich auf der Saftdrüse, welche von
dem schmalen Rande des Kelchs umgeben wird, Fig. 24., damit
er nicht herabfließe. Valveln oder Schuppen konnten hier nicht,
wie bey dem Phyteuma spicatum, angebracht werden, weil die
Blume zu klein ist. Weil aber diese Valveln zugleich zur Saft-
decke dienen, so mußte hier, in Ermangelung derselben, zur Be-
schützung des Safts vor dem Regen eine andere Einrichtung ge-
troffen werden, welche darin besteht, daß

3. die Staubgefäße in der Mitte zusammengewachsen sind.
Auf solche Art dienen sowohl die staublosen Antheren, als auch
die Filamente zur Saftdecke. Denn wenn ein Regentropfen auf
den Griffel fällt, und an demselben hinabfließt, so muß er in dem
Winkel, welchen die Antheren bilden, stehen bleiben. Fällt er
aber auf die Filamente, oder fällt er auf ein Kronenblatt, und
fließt auf demselben hinab bis zu den Filamenten, so kann er
durch die sehr kleinen Zwischenräume derselben nicht hindurchdrin-
gen. Folglich ist der Saft vor dem Regen wohl verwahrt.

4. Eine einzelne Blume ist zwar sehr klein, und würde, ob-
gleich ihre Kronenblätter lang sind, sich den Insekten nicht son-
derlich bemerkbar machen. Da aber ungefähr siebenzig Blumen
Einen Knauf bilden, und viele von denselben jederzeit zugleich
blühen, dieser Knauf auch auf einem langen und meist aufrecht-
stehenden Zweige oder Stiel sitzt: so fallen die Blumen den In-
sekten schon in einiger Entfernung in die Augen.

[Spaltenumbruch]

Phyteuma.
einem Theil ſeines Koͤrpers den oberſten Theil des Griffels, und
ſtreift den Staub von demſelben ab. Hievon aber hat die Blume
keinen Nutzen, weil ſie noch kein Stigma hat. Der dritte Zu
ſtand der Blume faͤngt damit an, daß das zwey- oder dreylap-
pichte Stigma anfaͤngt ſich von einander zu begeben. Alsdenn
pflegen auch die Kronenblaͤtter ſich gaͤnzlich von einander zu tren-
nen. Wann nun ein Inſekt die Blume in dieſem Zuſtande be-
ſucht, ſo kann es zwar von dem oberſten Theil des Griffels keinen
Staub abſtreifen, weil derſelbe im zweyten Zuſtande der Blume
ſchon von anderen Inſekten ſeines Staubes beraubt worden iſt;
es beruͤhrt aber das Stigma mit eben demjenigen Theil ſeines
Koͤrpers, mit welchem es vorher den Staub vom oberſten Theil
des Griffels einer im zweyten Zuſtande befindlichen Blume abge-
ſtreift hat, ſetzt einen Theil deſſelben auf daſſelbe ab, und be-
fruchtet auf ſolche Art dieſe aͤltere Blume mit dem Staube einer
juͤngeren.

An ihrem natuͤrlichen Standort die Blumen zu beobachten,
habe ich bisher noch keine Gelegenheit gehabt. Zwey Pflanzen,
welche ich in meinen Garten verſetzt hatte, bluͤheten im letzver-
gangenen Sommer; ich habe aber keine Inſekten auf ihren Blu-
men angetroffen.

Phyteuma montanum, d. i., Jaſione montana
L.
Schafrapunzel. Tab. X. 18—24. 34.

18. Die Blume im erſten Zuſtande.

19. Dieſelbe, nachdem die Krone weggeſchnitten worden.

20. Die Blume im Anfange des zweyten Zuſtandes.

23. Dieſelbe im zweyten Zuſtande. Die Krone, welche ſich
nun ſchon geoͤffnet hat, iſt weggeſchnitten worden.

21. Die Blume im dritten Zuſtande.

22. Dieſelbe, nachdem die Krone weggeſchnitten worden.
Der oberſte dickere Theil des Griffels iſt noch mit Staub bedeckt;
das Stigma hingegen hat keinen Staub. Beides koͤmmt daher,
weil dieſe Blume von keinem Inſekt hat beſucht werden koͤnnen,
indem ſie nicht auf dem Felde, ſondern in meinem Hauſe bluͤhete.

34. Der Griffel einer im dritten Zuſtande befindlichen Blu-
me, welche auf dem Felde geſtanden hatte, folglich von Inſekten
beſucht worden war. Dieſe hatten, da die Blume ſich im zwey-
ten Zuſtande befand, den Staub vom oberſten Theil des Griffels
abgeſtreift, und nachher, als ſich die Blume im dritten Zuſtande
befand, das Stigma mit dem aus juͤngeren Blumen geholten
Staube verſehen.

24. Der Fruchtknoten im Durchſchnitt. a b die Saft-
druͤſe.

Daß Linné dieſe Pflanze von derjenigen Gattung, zu
welcher ſie Kaspar Bauhin, Haller, und andere Schrift-
[Spaltenumbruch]

Phyteuma.
ſteller gerechnet haben, getrennet, und zu einer beſondern in ei-
ner ganz andern Klaſſe vorkommenden Gattung gemacht hat,
darin hat er ſich uͤbereilet. Denn 1) ſie gehoͤrt nicht in die Syn-
geneſie, da ihre Antheren nicht der ganzen Laͤnge nach zuſammen-
gewachſen ſind, ſondern die Staubgeſaͤße in der Mitte zwiſchen
den Filamenten und den Antheren nur einen ſchmalen Ring bil-
den. Ein Anfaͤnger wird alſo eben ſo viel Grund zu haben glau-
ben, ſie in der Monadelphie, als in der Syngeneſie, aufzuſu-
chen, oder vielmehr, er wird ſie in keiner von beiden Klaſſen auf-
ſuchen. 2) Das ganze aͤußere Anſehen der Pflanze zeigt, daß
ſie ein Phyteuma iſt. Man vergleiche ſie z. B. mit dem Phy-
teuma hemiſphaericum.
Die Blumenblaͤtter (bracteae), wel-
che bey beiden unten am Blumenknauf ſitzen, hat Liané bey
der Jaſione zum aͤußern Kelch gemacht, beym Phyteuma hinge-
gen, als nicht zur Blume ſelbſt gehoͤrig, welches auch ganz rich-
tig iſt, gar nicht angefuͤhrt. 3) Haͤtte Linné gewußt, warum
die Staubgefaͤße in der Mitte zuſammengewachſen ſind, ſo wuͤrde
es ihm nicht einmal eingefallen ſeyn, dieſes Umſtands wegen jene
Aenderung vorzunehmen.

1. Die Saftdruͤſe iſt der oberſte Theil des Fruchtknotens.

2. Der Saft befindet ſich auf der Saftdruͤſe, welche von
dem ſchmalen Rande des Kelchs umgeben wird, Fig. 24., damit
er nicht herabfließe. Valveln oder Schuppen konnten hier nicht,
wie bey dem Phyteuma ſpicatum, angebracht werden, weil die
Blume zu klein iſt. Weil aber dieſe Valveln zugleich zur Saft-
decke dienen, ſo mußte hier, in Ermangelung derſelben, zur Be-
ſchuͤtzung des Safts vor dem Regen eine andere Einrichtung ge-
troffen werden, welche darin beſteht, daß

3. die Staubgefaͤße in der Mitte zuſammengewachſen ſind.
Auf ſolche Art dienen ſowohl die ſtaubloſen Antheren, als auch
die Filamente zur Saftdecke. Denn wenn ein Regentropfen auf
den Griffel faͤllt, und an demſelben hinabfließt, ſo muß er in dem
Winkel, welchen die Antheren bilden, ſtehen bleiben. Faͤllt er
aber auf die Filamente, oder faͤllt er auf ein Kronenblatt, und
fließt auf demſelben hinab bis zu den Filamenten, ſo kann er
durch die ſehr kleinen Zwiſchenraͤume derſelben nicht hindurchdrin-
gen. Folglich iſt der Saft vor dem Regen wohl verwahrt.

4. Eine einzelne Blume iſt zwar ſehr klein, und wuͤrde, ob-
gleich ihre Kronenblaͤtter lang ſind, ſich den Inſekten nicht ſon-
derlich bemerkbar machen. Da aber ungefaͤhr ſiebenzig Blumen
Einen Knauf bilden, und viele von denſelben jederzeit zugleich
bluͤhen, dieſer Knauf auch auf einem langen und meiſt aufrecht-
ſtehenden Zweige oder Stiel ſitzt: ſo fallen die Blumen den In-
ſekten ſchon in einiger Entfernung in die Augen.

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[[70]/0070] Phyteuma. Phyteuma. einem Theil ſeines Koͤrpers den oberſten Theil des Griffels, und ſtreift den Staub von demſelben ab. Hievon aber hat die Blume keinen Nutzen, weil ſie noch kein Stigma hat. Der dritte Zu ſtand der Blume faͤngt damit an, daß das zwey- oder dreylap- pichte Stigma anfaͤngt ſich von einander zu begeben. Alsdenn pflegen auch die Kronenblaͤtter ſich gaͤnzlich von einander zu tren- nen. Wann nun ein Inſekt die Blume in dieſem Zuſtande be- ſucht, ſo kann es zwar von dem oberſten Theil des Griffels keinen Staub abſtreifen, weil derſelbe im zweyten Zuſtande der Blume ſchon von anderen Inſekten ſeines Staubes beraubt worden iſt; es beruͤhrt aber das Stigma mit eben demjenigen Theil ſeines Koͤrpers, mit welchem es vorher den Staub vom oberſten Theil des Griffels einer im zweyten Zuſtande befindlichen Blume abge- ſtreift hat, ſetzt einen Theil deſſelben auf daſſelbe ab, und be- fruchtet auf ſolche Art dieſe aͤltere Blume mit dem Staube einer juͤngeren. An ihrem natuͤrlichen Standort die Blumen zu beobachten, habe ich bisher noch keine Gelegenheit gehabt. Zwey Pflanzen, welche ich in meinen Garten verſetzt hatte, bluͤheten im letzver- gangenen Sommer; ich habe aber keine Inſekten auf ihren Blu- men angetroffen. Phyteuma montanum, d. i., Jaſione montana L. Schafrapunzel. Tab. X. 18—24. 34. 18. Die Blume im erſten Zuſtande. 19. Dieſelbe, nachdem die Krone weggeſchnitten worden. 20. Die Blume im Anfange des zweyten Zuſtandes. 23. Dieſelbe im zweyten Zuſtande. Die Krone, welche ſich nun ſchon geoͤffnet hat, iſt weggeſchnitten worden. 21. Die Blume im dritten Zuſtande. 22. Dieſelbe, nachdem die Krone weggeſchnitten worden. Der oberſte dickere Theil des Griffels iſt noch mit Staub bedeckt; das Stigma hingegen hat keinen Staub. Beides koͤmmt daher, weil dieſe Blume von keinem Inſekt hat beſucht werden koͤnnen, indem ſie nicht auf dem Felde, ſondern in meinem Hauſe bluͤhete. 34. Der Griffel einer im dritten Zuſtande befindlichen Blu- me, welche auf dem Felde geſtanden hatte, folglich von Inſekten beſucht worden war. Dieſe hatten, da die Blume ſich im zwey- ten Zuſtande befand, den Staub vom oberſten Theil des Griffels abgeſtreift, und nachher, als ſich die Blume im dritten Zuſtande befand, das Stigma mit dem aus juͤngeren Blumen geholten Staube verſehen. 24. Der Fruchtknoten im Durchſchnitt. a b die Saft- druͤſe. Daß Linné dieſe Pflanze von derjenigen Gattung, zu welcher ſie Kaspar Bauhin, Haller, und andere Schrift- ſteller gerechnet haben, getrennet, und zu einer beſondern in ei- ner ganz andern Klaſſe vorkommenden Gattung gemacht hat, darin hat er ſich uͤbereilet. Denn 1) ſie gehoͤrt nicht in die Syn- geneſie, da ihre Antheren nicht der ganzen Laͤnge nach zuſammen- gewachſen ſind, ſondern die Staubgeſaͤße in der Mitte zwiſchen den Filamenten und den Antheren nur einen ſchmalen Ring bil- den. Ein Anfaͤnger wird alſo eben ſo viel Grund zu haben glau- ben, ſie in der Monadelphie, als in der Syngeneſie, aufzuſu- chen, oder vielmehr, er wird ſie in keiner von beiden Klaſſen auf- ſuchen. 2) Das ganze aͤußere Anſehen der Pflanze zeigt, daß ſie ein Phyteuma iſt. Man vergleiche ſie z. B. mit dem Phy- teuma hemiſphaericum. Die Blumenblaͤtter (bracteae), wel- che bey beiden unten am Blumenknauf ſitzen, hat Liané bey der Jaſione zum aͤußern Kelch gemacht, beym Phyteuma hinge- gen, als nicht zur Blume ſelbſt gehoͤrig, welches auch ganz rich- tig iſt, gar nicht angefuͤhrt. 3) Haͤtte Linné gewußt, warum die Staubgefaͤße in der Mitte zuſammengewachſen ſind, ſo wuͤrde es ihm nicht einmal eingefallen ſeyn, dieſes Umſtands wegen jene Aenderung vorzunehmen. 1. Die Saftdruͤſe iſt der oberſte Theil des Fruchtknotens. 2. Der Saft befindet ſich auf der Saftdruͤſe, welche von dem ſchmalen Rande des Kelchs umgeben wird, Fig. 24., damit er nicht herabfließe. Valveln oder Schuppen konnten hier nicht, wie bey dem Phyteuma ſpicatum, angebracht werden, weil die Blume zu klein iſt. Weil aber dieſe Valveln zugleich zur Saft- decke dienen, ſo mußte hier, in Ermangelung derſelben, zur Be- ſchuͤtzung des Safts vor dem Regen eine andere Einrichtung ge- troffen werden, welche darin beſteht, daß 3. die Staubgefaͤße in der Mitte zuſammengewachſen ſind. Auf ſolche Art dienen ſowohl die ſtaubloſen Antheren, als auch die Filamente zur Saftdecke. Denn wenn ein Regentropfen auf den Griffel faͤllt, und an demſelben hinabfließt, ſo muß er in dem Winkel, welchen die Antheren bilden, ſtehen bleiben. Faͤllt er aber auf die Filamente, oder faͤllt er auf ein Kronenblatt, und fließt auf demſelben hinab bis zu den Filamenten, ſo kann er durch die ſehr kleinen Zwiſchenraͤume derſelben nicht hindurchdrin- gen. Folglich iſt der Saft vor dem Regen wohl verwahrt. 4. Eine einzelne Blume iſt zwar ſehr klein, und wuͤrde, ob- gleich ihre Kronenblaͤtter lang ſind, ſich den Inſekten nicht ſon- derlich bemerkbar machen. Da aber ungefaͤhr ſiebenzig Blumen Einen Knauf bilden, und viele von denſelben jederzeit zugleich bluͤhen, dieſer Knauf auch auf einem langen und meiſt aufrecht- ſtehenden Zweige oder Stiel ſitzt: ſo fallen die Blumen den In- ſekten ſchon in einiger Entfernung in die Augen.

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [70]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/70>, abgerufen am 30.04.2024.