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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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ist Nichts! In der Kinderstube bin ich die Großmama;
so sollst du mich nennen, das kannst du wohl behalten,
wie?"

"Ja, das kann ich gut", versicherte Heidi, "vorher hab'
ich schon immer so gesagt."

"So, so, verstehe schon!" sagte die Großmama und
nickte ganz lustig mit dem Kopfe. Dann schaute sie Heidi
genau an und nickte von Zeit zu Zeit wieder mit dem
Kopf und Heidi guckte ihr auch ganz herzhaft in die Augen,
denn da kam etwas so Herzliches heraus, daß es dem Heidi
ganz wohl machte, und die ganze Großmama gefiel dem
Heidi so, daß es sie unverwandt anschauen mußte. Sie
hatte so schöne weiße Haare und um den Kopf ging eine
schöne Spitzenkrause, und zwei breite Bänder flatterten von
der Haube weg und bewegten sich immer irgendwie, so als
ob stets ein leichter Wind um die Großmama wehe, was
das Heidi ganz besonders anmuthete.

"Und wie heißt du, Kind?" fragte jetzt die Gro߬
mama.

"Ich heiße nur Heidi; aber weil ich soll Adelheid heißen,
so will ich schon Acht geben --" Heidi stockte, denn es
fühlte sich ein wenig schuldig, da es noch immer keine Ant¬
wort gab, wenn Fräulein Rottenmeier unversehens rief:
"Adelheid!" indem es ihm noch immer nicht recht gegen¬
wärtig war, daß dieß sein Name sei, und Fräulein Rotten¬
meier war eben in's Zimmer getreten.

iſt Nichts! In der Kinderſtube bin ich die Großmama;
ſo ſollſt du mich nennen, das kannſt du wohl behalten,
wie?“

„Ja, das kann ich gut“, verſicherte Heidi, „vorher hab'
ich ſchon immer ſo geſagt.“

„So, ſo, verſtehe ſchon!“ ſagte die Großmama und
nickte ganz luſtig mit dem Kopfe. Dann ſchaute ſie Heidi
genau an und nickte von Zeit zu Zeit wieder mit dem
Kopf und Heidi guckte ihr auch ganz herzhaft in die Augen,
denn da kam etwas ſo Herzliches heraus, daß es dem Heidi
ganz wohl machte, und die ganze Großmama gefiel dem
Heidi ſo, daß es ſie unverwandt anſchauen mußte. Sie
hatte ſo ſchöne weiße Haare und um den Kopf ging eine
ſchöne Spitzenkrauſe, und zwei breite Bänder flatterten von
der Haube weg und bewegten ſich immer irgendwie, ſo als
ob ſtets ein leichter Wind um die Großmama wehe, was
das Heidi ganz beſonders anmuthete.

„Und wie heißt du, Kind?“ fragte jetzt die Gro߬
mama.

„Ich heiße nur Heidi; aber weil ich ſoll Adelheid heißen,
ſo will ich ſchon Acht geben —“ Heidi ſtockte, denn es
fühlte ſich ein wenig ſchuldig, da es noch immer keine Ant¬
wort gab, wenn Fräulein Rottenmeier unverſehens rief:
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wärtig war, daß dieß ſein Name ſei, und Fräulein Rotten¬
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[152/0162] iſt Nichts! In der Kinderſtube bin ich die Großmama; ſo ſollſt du mich nennen, das kannſt du wohl behalten, wie?“ „Ja, das kann ich gut“, verſicherte Heidi, „vorher hab' ich ſchon immer ſo geſagt.“ „So, ſo, verſtehe ſchon!“ ſagte die Großmama und nickte ganz luſtig mit dem Kopfe. Dann ſchaute ſie Heidi genau an und nickte von Zeit zu Zeit wieder mit dem Kopf und Heidi guckte ihr auch ganz herzhaft in die Augen, denn da kam etwas ſo Herzliches heraus, daß es dem Heidi ganz wohl machte, und die ganze Großmama gefiel dem Heidi ſo, daß es ſie unverwandt anſchauen mußte. Sie hatte ſo ſchöne weiße Haare und um den Kopf ging eine ſchöne Spitzenkrauſe, und zwei breite Bänder flatterten von der Haube weg und bewegten ſich immer irgendwie, ſo als ob ſtets ein leichter Wind um die Großmama wehe, was das Heidi ganz beſonders anmuthete. „Und wie heißt du, Kind?“ fragte jetzt die Gro߬ mama. „Ich heiße nur Heidi; aber weil ich ſoll Adelheid heißen, ſo will ich ſchon Acht geben —“ Heidi ſtockte, denn es fühlte ſich ein wenig ſchuldig, da es noch immer keine Ant¬ wort gab, wenn Fräulein Rottenmeier unverſehens rief: „Adelheid!“ indem es ihm noch immer nicht recht gegen¬ wärtig war, daß dieß ſein Name ſei, und Fräulein Rotten¬ meier war eben in's Zimmer getreten.

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/162>, abgerufen am 27.04.2024.